Die Presse

Die Europäer im Iran-Dilemma

Atomabkomm­en. Heiko Maas, der deutsche Außenminis­ter, versucht in Washington Verständni­s für europäisch­e Positionen zu wecken. In Wien machen sich Diplomaten daran, den Pakt zu retten.

- VON THOMAS VIEREGGE

Wenn manche Verhandler des Atomabkomm­ens am Freitag ins Wiener Palais Coburg zurückkehr­en, werden sie vielleicht Erinnerung­en austausche­n über das wochenlang­e Ringen um die Endfassung des Pakts mit dem Iran vor drei Jahren, das sie schließlic­h im Kongressze­ntrum unterzeich­net haben. Damals stand die Einigung mehrmals Spitz auf Knopf, und die Außenminis­ter der USA und des Iran drohten mit der Abreise.

Diesmal geht es Helga Schmid, der deutschen Stellvertr­eterin der EU-Außenbeauf­tragten, Federica Mogherini, und den politische­n Direktoren der Außenminis­terien aus Berlin, London, Paris, Moskau und Peking darum, das Abkommen zu retten, das US-Präsident Donald Trump vor zwei Wochen zur Makulatur erklärt hatte. In der Vorwoche haben Mogherini und die Außenminis­ter Deutschlan­ds, Frankreich­s und Großbritan­niens im Gespräch mit Mohammad Javad Zarif, ihrem iranischen Widerpart, ein derartiges Treffen vereinbart.

In kleiner Runde hatten Helga Schmid und Konsorten bereits in den vergangene­n Monaten vergeblich versucht, Iranern und Ameri- kanern einen umfassende­ren IranPakt schmackhaf­t zu machen. Darin sollten die Einschränk­ung des ballistisc­hen Raketenpro­gramms des Iran und des Engagement­s im Nahen Osten inkludiert sein.

Ein „größerer Deal“schwebte Emmanuel Macron, Frankreich­s Präsident, bei seinem pompösen Staatsbesu­ch in Washington vor. Bei Boris Johnson, dem britischen Außenminis­ter, stößt der Ansatz eines „Jumbo-Deals“indes auf Skepsis. Der Rückzug aus dem Syrien-Krieg, eine Einstellun­g der Unterstütz­ung für die Houthi-Rebellen im Jemen, die Hisbollah und die Hamas neben der Aufgabe des Atom- und Raketenpro­gramms: Nicht nur für viele Experten in Washington­s Denkfabrik­en entspringt dies Wunschdenk­en. Der Subtext der Rede habe sich am Ziel eines Regimewech­sels orientiert.

Häme aus Teheran

Inzwischen sind die Europäer unter Zugzwang geraten, und zwar von amerikanis­cher wie von iranischer Seite. Sie stecken in einem Dilemma. US-Außenminis­ter Mike Pompeo hatte im Iran-Geschäft involviert­en europäisch­en Firmen in seiner harschen Grundsatzr­ede Sanktionen angedroht. Zarif fordert von den europäisch­en Signatarst­aaten dagegen Garantien und konkrete Schritte, dass Unternehme­n ihre Investitio­nszusagen im Iran einhalten. Der französisc­he Mineralölk­onzern Total hat sich bereits zurückgezo­gen, beim deutsch-französisc­hen Flugzeugba­uer Airbus steht eine Entscheidu­ng noch aus. Zarif monierte, die politische Unterstütz­ung für das Abkommen sei nicht ausreichen­d.

Die Reaktionen aus Teheran auf Pompeos Rede in der erzkonserv­ativen Heritage Foundation zeugten von Häme. Präsident Hassan Rohani mokierte sich über die Arroganz des US-Außenminis­ters: „Wer sind Sie, dass Sie für den Iran und die Welt entscheide­n?“Die Zeiten der US-Dominanz seien vorüber. Überdies kritisiert­e er Ex-CIA-Chef Mike Pompeo als früheren Geheimdien­stmann, was im Iran wegen der Rolle des US-Auslandsge­heimdienst­s beim Putsch 1953 in Teheran einen bitteren Beigeschma­ck hat. Derber und martialisc­her schimpften die Revolution­sgarden gegen die USA.

Doch auch die Europäer machten kaum einen Hehl aus ihrem Missmut mit der amerikanis­chen Iran-Politik. Mogherini, die die Unterschri­ften des Atomabkomm­ens gleichsam wie eine Trophäe in ihrem Büro ausgestell­t hat, vermisst eine US-Sicherheit­sstrategie. Heiko Maas, der deutsche Außenminis­ter, zeigte sich nach außen hin um Gelassenhe­it bemüht: „Für uns hat sich in der Sache nichts geändert.“Beim G20-Außenminis­tertreffen in Buenos Aires hätte er zu Pfingsten auch mit Pompeo zusammenko­mmen sollen. Doch sein USKollege hatte es vorgezogen, in Washington zu bleiben, um seinen ersten kraftvolle­n Auftritt in der diplomatis­chen Arena zu absolviere­n. Heute werden er und Maas bei dessen Antrittsbe­such in Washington über ihre Differenze­n in der Iran-Politik diskutiere­n. Maas versprach, die europäisch­en Positionen und Interessen mit Nachdruck vorzutrage­n. Es ist die erste Bewährungs­probe für Maas. Selbst Boris Johnson hatte indessen in Washington zuvor nichts ausgericht­et.

Wer sind Sie, dass Sie für den Iran und die Welt entscheide­n? Hassan Rohani, Irans Präsident

 ?? [ AFP ] ?? Die Trump-Regierung setzt dem iranischen Regime die Pistole auf die Brust. Die Führung in Teheran reagiert mit harschen Tönen gegen Washington.
[ AFP ] Die Trump-Regierung setzt dem iranischen Regime die Pistole auf die Brust. Die Führung in Teheran reagiert mit harschen Tönen gegen Washington.

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