Die Presse

UN-Hochkommis­sar teilt gegen Österreich aus

Menschenre­chte. Zum 25. Jubiläum der Wiener Konferenz kritisiert der UN-Spitzendip­lomat Zeid Ra’ad al-Hussein „falsche und hetzerisch­e Äußerungen“österreich­ischer Politiker. Menschenre­chte seien weltweit in Gefahr.

- VON JULIA WENZEL UND JULIA RAABE

Es hätte ein feierliche­s Gedenken an die Weltkonfer­enz über Menschenre­chte werden können, die vor 25 Jahren in Wien stattgefun­den hatte. An diesen „Meilenstei­n“in der Entwicklun­g des internatio­nalen Menschenre­chtssystem­s, wie mehrere Redner am Dienstag zum Auftakt einer zweitägige­n Jubiläumsk­onferenz im Wiener Rathaus betonten. Doch dann ergriff der UN-Hochkommis­sar für Menschenre­chte, Zeid Ra’ad alHussein, das Wort – und zog eine verheerend­e Bilanz.

Die Konferenz 1993 habe auf eine neue Ära hoffen lassen. In Wien habe sich die Welt einstimmig zum Recht jedes Flüchtling­s und zum Schutz von Migranten bekannt, erinnerte er die Gastgeberi­n, Außenminis­terin Karin Kneissl, und das mit hochrangig­en Menschenre­chtsexpert­en besetzte Podium. In Wien hätten die Staaten auf Maßnahmen gegen Rassismus, Fremdenfei­ndlichkeit und religiös motivierte­n Hass gedrängt und sich für die Partizipat­ion der Ärmsten ausgesproc­hen.

Heute jedoch „scheinen wir in eine andere Richtung unterwegs zu sein: rückwärts“, lautete der bittere Schluss des Hochkommis­sars, dessen Amt bei der Konferenz 1993 geschaffen worden war. „Menschenre­chte sind unter größtem Druck in vielen Teilen der Welt und nicht länger Priorität: ein Paria“, so alHussein, der auf eine zweite Amtszeit verzichtet und den Posten im September abgibt.

Dann ging der aus Jordanien stammende Spitzendip­lomat zu direkter Kritik an Österreich über. „In diesem Land, welches angesichts der historisch­en Rolle Karl Luegers (Antisemit und Bürgermeis­ter von Wien 1897–1910; Anm.) besser als andere die Gefahren ethnischer Spaltung kennen sollte, wurden falsche und hetzerisch­e Äußerungen gemacht, die fundamenta­l im Widerspruc­h zur Erklärung von Wien stehen“, sagte er, offenbar in Bezug auf antisemiti­sche und islamfeind­liche Äußerungen von FPÖ-Politikern, jedoch ohne näher darauf einzugehen. Zuvor hatte er beklagt, der gegen Migranten gerichtete Hass habe fast überall in Europa Mainstream­parteien infiltrier­t und „die politische Landschaft in Richtung von mehr Gewalt und Leid bewegt“.

Die von der FPÖ aufgestell­te Ministerin Kneissl folgte der Rede mit eiserner Miene. Sie selbst hatte in ihrer Ansprache unter anderem die spezifisch­e Rolle Österreich­s betont. Das Gedenkjahr 2018 sieht sie als Anlass, das „Misstrauen zwischen Staaten, zwischen zivilen Organisati­onen und den Menschen“abzubauen. „Alle Menschen sind frei und gleich“hatten zuvor Kinder des Superar-Chors in einem Lied gesungen – ein Traum, der auch 25 Jahre später nur teilweise realisiert worden sei, wie Kneissl betonte.

Die UN-Sonderbots­chafterin für die Würde der Überlebend­en von Menschenha­ndel, die Jesidin Nadia Murad aus dem Irak, kritisiert­e, die Welt sei taub geworden, selbst für schlimmste Nachrichte­n wie Terror, Verfolgung und Genozid. Es werde Sympathie geäußert, aber „wir scheitern am Handeln“. Die Menschenre­chtsaktivi­stin ist selbst Überlebend­e des Genozids an den Jesiden 2014.

Zum 25-Jahr-Jubiläum der Wiener Konferenz mit damals über 10.000 internatio­nalen Vertretern sollen bis heute, Mittwoch, Experten aus aller Welt bei einem Treffen unter dem Titel „Vienna +25: Building Trust – Making Human Rights a Reality for All“neue Ansätze zur Umsetzung der Menschenre­chte erarbeiten.

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