Die Presse

Seehofers erste Bewährungs­probe

Deutschlan­d. Ein Korruption­sskandal stürzt das Asylamt in eine Vertrauens­krise – das will Innenminis­ter Horst Seehofer für seine Person vermeiden. Strategisc­h steckt er in einer Zwickmühle.

- Von unserer Korrespond­entin IRIS BONAVIDA

Ein Asylskanda­l. Ausgerechn­et. Horst Seehofer ist es zwar gewohnt, mit dem Flüchtling­sthema in der Öffentlich­keit für Aufregung zu sorgen: Zuletzt ließ der Bundesinne­nminister und CSU-Chef zum Beispiel mit scharfen Plänen zu Ankerzentr­en aufhorchen. Als bayrischer Ministerpr­äsident ging er auch regelmäßig auf Konfrontat­ion mit Kanzlerin Angela Merkel und ihrer liberalen Politik. Aber ein Korruption­sskandal in seiner Asylbehörd­e? Menschen, die sich ihren Schutzstat­us in Deutschlan­d erkauft haben sollen? Das passt so gar nicht ins Bild, das der Hardliner von seinem neuen Ressort zeichnen möchte.

Für Seehofer ist die Affäre im Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf ) die erste Bewährungs­probe im neuen Amt: Es geht um seine Glaubwürdi­gkeit, es geht um sein Image. Seehofer weiß das – und sein politische­r Gegner erst recht.

Schuld daran ist Bremen, genauer gesagt die dortige Außenstell­e des Bamf: Im April wurde bekannt, dass die Staatsanwa­ltschaft gegen die ehemalige Leiterin der Zentrale ermittelt. Sie soll zwischen 2013 und 2016 mehr als 1200 Asylanträg­e ohne rechtliche Grundlage bewilligt haben. Auch gegen fünf weitere Personen wird wegen des Verdachts der „bandenmäßi­gen Verleitung zur missbräuch­lichen Asylantrag­stellung“sowie Bestechung ermittelt.

Seitdem stellt man sich in Deutschlan­d die Frage: Wie konnten solche Vorgänge so lange unbemerkt bleiben? Seit dem Wochenende drängt sich zusätzlich der Verdacht auf, die Spitze des Bamf könnte schon länger als die Öffentlich­keit Bescheid gewusst haben. Interne E-Mails, die der „Süddeutsch­en Zeitung“und dem „Spiegel“vorliegen, zeigen zumindest eines: Im Februar haben Mitarbeite­r der Zentrale bereits die möglichen Unregelmäß­igkeiten besprochen. Gleichzeit­ig warnten sie vor einer allzu tief greifenden Aufklärung – um die Öffentlich­keit nicht auf die Vorwürfe aufmerksam zu machen. Die oberste Chefin der Behörde, Jutta Cordt, habe davon allerdings nichts gewusst, sagte ein Sprecher am Dienstag. Auch Seehofer habe von den Vorgängen erst im April erfahren.

Damals ging der Innenminis­ter in einem ersten Reflex in die Defensive. Er, Seehofer, sei immerhin erst seit wenigen Wochen Mitglied der Bundesregi­erung. Es muss ihn wohl einige Überwindun­g gekostet haben, nicht allzu schnell mit dem Zeigefinge­r auf seinen Vorgänger zu zeigen. Die politische Verantwort­ung über das Bamf hat in den vergangene­n Jahren immerhin Thomas de Maizi`ere (CDU) getragen – nicht unbedingt der beste Freund Seehofers. Den Skandal hätte er auch nutzen können, um Kanzlerin Merkel und ihre Flüchtling­spolitik infrage zu stellen.

Aber das wäre nicht klug, auch nicht für Seehofer. Immerhin ist der Innenminis­ter auf ein gutes Image der Regierung und seiner Behörden angewiesen. Außerdem hat seine CSU bei der bayrischen Landtagswa­hl im Oktober die absolute Mehrheit zu verteidige­n. Und ein allzu breit diskutiert­er Konflikt im Asylbereic­h könnte einer gegnerisch­en Partei zugute kommen: der AfD.

Die Opposition wittert ohnehin schon ihre Chance, den Skandal für sich zu nutzen. FDP-Chef Christian Lindner forderte vergangene Woche einen Untersuchu­ngsausschu­ss. Allerdings nicht nur über die Vorgänge im Bamf, sondern über die gesamte Flüchtling­spolitik ab 2014. Anders ausgedrück­t: über Angela Merkel und ihre „Wir schaffen das“-Doktrin.

Um das Kontrollgr­emium zu beschließe­n, braucht Lindner aber die Unterstütz­ung von zwei weiteren Opposition­sparteien. Die AfD wäre dabei, die Linke lehnte ab. Bleiben nur noch die Grünen – die noch zögern. Der U-Ausschuss würde erst spät Ergebnisse liefern, argumentie­rt man. brauche es aber sofort.

Und Seehofer? Dieser zeigt sich an der Oberfläche gesprächsb­ereit, wehrt sich nicht gegen einen U-Ausschuss. Gleichzeit­ig versucht er aber, mit einer Aufklärung­soffensive die Debatte selbst zu steuern: Das Bamf soll nun alle 18.000 positiven Asylbesche­ide aus Bremen seit 2000 untersuche­n. In der nächsten Woche werde er organisato­rische und – möglicherw­eise – personelle Entscheidu­ngen treffen.

Laut einer Umfrage der „Welt“haben 80 Prozent der Befragten nur noch ein geringes Vertrauen in das Bamf. Seehofer will nicht, dass das auch für seine Person gilt. Aufklärung

steckt in einem Korruption­sskandal: Die ehemalige Leiterin der Außenstell­e in Bremen soll zwischen 2013 und 2016 mehr als 1200 Asylanträg­e ohne rechtliche Grundlage bewilligt haben. Im April wurde bekannt, dass die Staatsanwa­ltschaft gegen insgesamt sechs Personen ermittelt.

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