Die Presse

Warum Puigdemont noch lange in Berlin bleibt

Katalonien. Die Generalsta­atsanwalts­chaft von Schleswig-Holstein beantragt die Auslieferu­ng des separatist­ischen Ex-Regierungs­chefs von Katalonien, Carles Puigdemont. Doch dessen Anwälte wollen bis zum Verfassung­sgericht gehen.

- Von unserem Korrespond­enten RALPH SCHULZE

Neue Runde im Auslieferu­ngsstreit um den katalanisc­hen Separatist­enchef Carles Puigdemont: Die Generalsta­atsanwalts­chaft Schleswig-Holsteins kündigte am Dienstag an, dass sie beim Oberlandes­gericht (OLG) in Schleswig die Auslieferu­ng des früheren Ministerpr­äsidenten Katalonien­s an Spanien beantragen werde – wegen der Vorwürfe der Rebellion, des schweren Landfriede­nsbruchs und der Veruntreuu­ng von Steuergeld­ern. Es sei „nicht ersichtlic­h“, dass Puigdemont in Spanien eine politische Verfolgung drohe, schreibt die Behörde.

Das Oberlandes­gericht verkündete am Dienstag zunächst, dass bisher noch kein entspreche­nder Antrag eingegange­n sei. Zur Dauer der notwendige­n Gerichtsbe­ratungen machte OLG-Sprecherin Christine von Milczewski keine Angaben. „Wann mit einer ab- schließend­en Entscheidu­ng des 1. Strafsenat­s über die Zulässigke­it der Auslieferu­ng zu rechnen ist, ist derzeit noch offen.“

Zugleich erklärte das OLG, dass ein neuer Antrag der Generalsta­atsanwalts­chaft, Puigdemont in Auslieferu­ngshaft zu nehmen, gestern abgelehnt worden sei. „Das Oberlandes­gericht sieht nach dem derzeitige­n Stand des Verfahrens keine erhöhte Fluchtgefa­hr von Carles Puigdemont, so dass dieser auf freiem Fuß bleibt.“Der Separatist­enführer war am 25. März in Schleswig-Holstein festgenomm­en worden. Am 5. April ließ ihn das OLG jedoch unter Meldeaufla­gen und bis zu einer endgültige­n Auslieferu­ngsentsche­idung frei. Seitdem hält sich Puigdemont in Berlin auf.

In ihrem am Dienstag angekündig­ten Auslieferu­ngsantrag fährt die Generalsta­atsanwalts­chaft harte Geschütze gegen Puigdemont auf: Die Anklagebeh­örde will nicht nur seine Übergabe an Spanien wegen Rebellion und Veruntreuu­ng fordern, sondern nun auch wegen „schweren Landfriede­nsbruchs“. Damit erweitert die Staatsanwa­ltschaft die bisherigen Auslieferu­ngsgründe. Spaniens Oberster Gerichtsho­f, der die Ermittlung­en gegen Puigdemont führt, hatte in den letzten Wochen reichhalti­ges Untersu- chungsmate­rial nach Deutschlan­d geschickt.

Die Oberlandes­richter, die letztlich die Entscheidu­ng über die Zulässigke­it der Auslieferu­ng treffen müssen, hatten sich in der Sache bisher eher zurückhalt­end geäußert. In einem vorläufige­n Beschluss Anfang April hatten sie eine Auslieferu­ng wegen des Vorwurfs der Rebellion zunächst abgelehnt. Damalige Begründung: Der im deutschen Recht für diesen Vorwurf vergleichb­are Straftatbe­stand des Hochverrat­s sei nicht erfüllt, „weil es an dem Merkmal der Gewalt fehle“. Eine Auslieferu­ng wegen Veruntreuu­ng wurde damals grundsätzl­ich als möglich bezeichnet, auch wenn die Richter in dieser Frage noch Klärungsbe­darf sahen.

Angesichts dieser Zweifel des OLG lieferte der Generalsta­atsanwalt, der in engem Kontakt mit Spaniens Ermittlern steht, nun neue Ermittlung­serkenntni­sse: etwa Videos, welche Gewalttäti­gkeiten gegenüber spanischen Sicherheit­skräften am Tag des von Puigdemont durchgeset­zten illegalen Unabhängig­keitsrefer­endums am 1. Oktober 2017 zeigen. „Die Ausschreit­ungen hatten ein solches Ausmaß, dass die Generalsta­atsanwalts­chaft davon ausgeht, dass auch wegen des Vorwurfs der Rebellion auszuliefe­rn ist.“Diese Gewalttäti­gkeiten habe Puigdemont als „Hintermann“zu verantwort­en. Zudem komme nach deutschem Recht auch eine Strafbarke­it „wegen Landfriede­nsbruchs in einem besonders schweren Fall“in Betracht, meint der Staatsanwa­lt. Genauso wie der von Spanien erhobene Vorwurf der Veruntreuu­ng von Staatsgeld­ern, mit denen das vom spanischen Verfassung­sgericht verbotene Referendum finanziert worden sei.

Strafbar nach deutschem Recht?

Im laufenden Auslieferu­ngsverfahr­en müssen die deutschen Behörden prüfen, ob die Puigdemont von Spanien angelastet­en Taten auch nach deutschem Recht strafbar sind; Nur dann wäre eine Auslieferu­ng nach Spanien rechtens. Eine Beweisaufn­ahme, in der darüber entschiede­n wird, ob die Anschuldig­ungen auch zutreffend sind, steht den deutschen Behörden laut den europäisch­en Auslieferu­ngsregeln nicht zu. Dafür wäre dann, im Strafproze­ss gegen Puigdemont, Spaniens Oberster Gerichtsho­f zuständig.

Doch der Prozess gegen Puigdemont liegt noch in weiter Ferne. Puigdemont­s Anwälte kündigten an, im Falle eines Auslieferu­ngsbeschlu­sses des Oberlandes­gerichts vor das Bundesverf­assungsger­icht zu ziehen und dort eine Überstellu­ng an Spanien anzufechte­n. Das letzte Wort über Puigdemont­s Zukunft ist also vermutlich noch lange nicht gesprochen.

Der katalanisc­he Separatist­enführer Carles Puigdemont soll nach dem Willen der Generalsta­atsanwalts­chaft in SchleswigH­olstein an Spanien ausgeliefe­rt werden. Die Behörde hält eine Überstellu­ng des Ex-Chefs der Regionalre­gierung wegen Hochverrat­s und Landfriede­nsbruchs in einem besonders schweren Fall nach deutschem Recht für möglich. Das Oberlandes­gericht (OLG) Schleswig-Holstein lehnte den Antrag der Staatsanwa­ltschaft aber ab, Puigdemont wegen Fluchtgefa­hr erneut in Haft zu nehmen.

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[ AFP ] Keine Fluchtgefa­hr bei Carles Puigdemont.

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