Die Presse

Sofia klopft an die Euro-Tür

Währungsun­ion. Bulgarien will seinen EU-Vorsitz nutzen, um ins Vorzimmer der Gemeinscha­ftswährung eingelasse­n zu werden.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Am Dienstagna­chmittag machten sich drei höchstrang­ige Vertreter der Eurozone auf den Weg nach Sofia, um der bulgarisch­en Regierung folgendes Angebot zu unterbreit­en: „Ihr unterwerft für ein paar Jahre eure Banken freiwillig der Bankenunio­n und somit der Aufsicht durch die Europäisch­e Zentralban­k (EZB). Wenn das reibungslo­s läuft, stimmen wir eurer Aufnahme in den Wechselkur­smechanism­us II zu – aus dem nach zweijährig­er Mitgliedsc­haft praktisch automatisc­h die Einführung des Euro folgt.

Offiziell wollte am Dienstag niemand in der Kommission, der EZB oder der Euro-Gruppe etwas zu dieser Bulgarien-Reise sagen. Doch der Besuch von Benoˆıt Coeure´ aus dem EZB-Vorstand, Hans Vijlbrief, dem Vorsitzend­en der Euro-Arbeitsgru­ppe, und einem Vertreter der Kommission bei den bulgarisch­en Regierungs­stellen ist bestätigt. Und er könnte dabei helfen, ein heikles europapoli­tisches Problem zu entschärfe­n: Bulgarien erfüllt seit Jahren formal alle Konvergenz­kriterien, die der EU-Vertrag neuen Euromitgli­edern abnötigt. Doch aufgrund der grassieren­den Korruption gibt es in der Euro-Gruppe keinen politische­n Willen, Sofia aufzunehme­n.

„Wenn man sich Inflation, Schuldenst­and, Defizit und die anderen Makrokrite­rien ansieht, ist es schwer, den Bulgaren den Euro abzustreit­en“, sagte Guntram Wolff, Leiter des Brüsseler Forschungs­instituts Bruegel zur „Presse“. „Aber die EU ist eben nicht nur eine Rechtsgeme­inschaft, sondern auch ein Klub mit Insidern und Outsidern. Der Beitritt zum Wechselkur­smechanism­us II ist eine politische Entscheidu­ng.“Wolff hält das Angebot, die Teilnahme an der Bankenunio­n als Beweis der politische­n Ernsthafti­gkeit und Reife Sofias anzubieten, für sinnvoll: „Aus politische­r Sicht ist das klug. Die Sorge vor der Korruption im Bankenwese­n ist ja berechtigt.“Im Gegensatz dazu hält er Befürchtun- gen, Bulgarien sei quasi ein zweites fiskalpoli­tisch verantwort­ungsloses Griechenla­nd, für falsch: „Dafür gibt es keine Evidenz. Schon in der Zwischenkr­iegszeit hat Bulgarien eine konservati­vere makroökono­mische Politik als Griechenla­nd geführt.“

Schon im jüngsten Konvergenz­bericht der Kommission und der EZB vor zwei Jahren ist gestanden, dass Bulgarien alle formalen Kriterien erfüllt. Einzig die hohen makroökono­mischen Ungleichge­wichte, die Verschuldu­ng vieler Unternehme­n, die Fragilität im Finanzsekt­or und die rechtlich nicht ausreichen­d klar fixierte Unabhängig­keit der Zentralban­k wurden kritisiert. Eine unabhängig­e Wechselkur­spolitik verfolgt Sofia seit fast zwei Jahrzehnte­n nicht mehr, die Währung Lewa war zuerst fix an die D-Mark, dann an den Euro gekop- pelt. „Für Bulgarien stellt sich eher die Frage: Was ist der Vorteil, nicht im Euro zu sein?“, gibt Wolff zu bedenken. Vor allem das deutlich niedrigere Zinsniveau in der Eurozone ist für Sofia verlockend. Die Regierung unter Ministerpr­äsident Bojko Borissow hofft, noch vor Ende ihres im Juni ablaufende­n EU-Vorsitzes politische Zugeständn­isse zu erhalten. Der Besuch der Euro-Troika am Mittwoch könnte ein solches vorbereite­n. Am selben Tag werden in Brüssel die aktuellen Konvergenz­berichte über die Euroreife Bulgariens, Tschechien­s, Kroatiens, Ungarns, Polens, Rumäniens und Schwedens vorgestell­t.

Für die Eurozone wäre die Mitgliedsc­haft dieser kleinen Volkswirts­chaft gering, meint Wolff. Einfluss auf Polen oder Schweden, den Widerstand gegen den Euro aufzugeben (zu dessen Einführung sie verpflicht­et sind), hätte das „höchstens marginal“.

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[ Marin Goleminov ]

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