Sofia klopft an die Euro-Tür
Währungsunion. Bulgarien will seinen EU-Vorsitz nutzen, um ins Vorzimmer der Gemeinschaftswährung eingelassen zu werden.
Am Dienstagnachmittag machten sich drei höchstrangige Vertreter der Eurozone auf den Weg nach Sofia, um der bulgarischen Regierung folgendes Angebot zu unterbreiten: „Ihr unterwerft für ein paar Jahre eure Banken freiwillig der Bankenunion und somit der Aufsicht durch die Europäische Zentralbank (EZB). Wenn das reibungslos läuft, stimmen wir eurer Aufnahme in den Wechselkursmechanismus II zu – aus dem nach zweijähriger Mitgliedschaft praktisch automatisch die Einführung des Euro folgt.
Offiziell wollte am Dienstag niemand in der Kommission, der EZB oder der Euro-Gruppe etwas zu dieser Bulgarien-Reise sagen. Doch der Besuch von Benoˆıt Coeure´ aus dem EZB-Vorstand, Hans Vijlbrief, dem Vorsitzenden der Euro-Arbeitsgruppe, und einem Vertreter der Kommission bei den bulgarischen Regierungsstellen ist bestätigt. Und er könnte dabei helfen, ein heikles europapolitisches Problem zu entschärfen: Bulgarien erfüllt seit Jahren formal alle Konvergenzkriterien, die der EU-Vertrag neuen Euromitgliedern abnötigt. Doch aufgrund der grassierenden Korruption gibt es in der Euro-Gruppe keinen politischen Willen, Sofia aufzunehmen.
„Wenn man sich Inflation, Schuldenstand, Defizit und die anderen Makrokriterien ansieht, ist es schwer, den Bulgaren den Euro abzustreiten“, sagte Guntram Wolff, Leiter des Brüsseler Forschungsinstituts Bruegel zur „Presse“. „Aber die EU ist eben nicht nur eine Rechtsgemeinschaft, sondern auch ein Klub mit Insidern und Outsidern. Der Beitritt zum Wechselkursmechanismus II ist eine politische Entscheidung.“Wolff hält das Angebot, die Teilnahme an der Bankenunion als Beweis der politischen Ernsthaftigkeit und Reife Sofias anzubieten, für sinnvoll: „Aus politischer Sicht ist das klug. Die Sorge vor der Korruption im Bankenwesen ist ja berechtigt.“Im Gegensatz dazu hält er Befürchtun- gen, Bulgarien sei quasi ein zweites fiskalpolitisch verantwortungsloses Griechenland, für falsch: „Dafür gibt es keine Evidenz. Schon in der Zwischenkriegszeit hat Bulgarien eine konservativere makroökonomische Politik als Griechenland geführt.“
Schon im jüngsten Konvergenzbericht der Kommission und der EZB vor zwei Jahren ist gestanden, dass Bulgarien alle formalen Kriterien erfüllt. Einzig die hohen makroökonomischen Ungleichgewichte, die Verschuldung vieler Unternehmen, die Fragilität im Finanzsektor und die rechtlich nicht ausreichend klar fixierte Unabhängigkeit der Zentralbank wurden kritisiert. Eine unabhängige Wechselkurspolitik verfolgt Sofia seit fast zwei Jahrzehnten nicht mehr, die Währung Lewa war zuerst fix an die D-Mark, dann an den Euro gekop- pelt. „Für Bulgarien stellt sich eher die Frage: Was ist der Vorteil, nicht im Euro zu sein?“, gibt Wolff zu bedenken. Vor allem das deutlich niedrigere Zinsniveau in der Eurozone ist für Sofia verlockend. Die Regierung unter Ministerpräsident Bojko Borissow hofft, noch vor Ende ihres im Juni ablaufenden EU-Vorsitzes politische Zugeständnisse zu erhalten. Der Besuch der Euro-Troika am Mittwoch könnte ein solches vorbereiten. Am selben Tag werden in Brüssel die aktuellen Konvergenzberichte über die Euroreife Bulgariens, Tschechiens, Kroatiens, Ungarns, Polens, Rumäniens und Schwedens vorgestellt.
Für die Eurozone wäre die Mitgliedschaft dieser kleinen Volkswirtschaft gering, meint Wolff. Einfluss auf Polen oder Schweden, den Widerstand gegen den Euro aufzugeben (zu dessen Einführung sie verpflichtet sind), hätte das „höchstens marginal“.