Die Presse

Schweden verschickt Kriegshand­bücher

Kampagne. Drei Liter Wasser pro Tag, ein batteriebe­triebenes Radio und einen Schlafsack: In einer Broschüre unterricht­et die schwedisch­e Regierung die 4,8 Millionen Haushalte des Landes, was im Kriegsfall zu tun wäre.

- VON JÜRGEN STREIHAMME­R

Das bisher letzte Mal führte Schweden im Jahr 1814 Krieg. Damals ging es gegen Norwegen. Seither war das Königreich, zumindest offiziell, in keine einzige militärisc­he Auseinande­rsetzung verstrickt. Im Norden herrscht also seit 204 Jahren Frieden. Aber eine Garantie, dass das in alle Ewigkeit so bleibt, ist das auch nicht. Und das Sicherheit­sumfeld hat sich zuletzt verschlech­tert. So sieht das jedenfalls die schwedisch­e Regierung, die in diesen Tagen Broschüren mit dem Titel „Falls eine Krise oder ein Krieg kommt“versendet. Die Handbücher gehen an alle 4,8 Mio. Haushalte des Landes.

Auf 20 Seiten wird darin den Schweden erklärt, wie sich die Sire- nen bei einem Luftalarm anhören, wie sich Trinkwasse­r gewinnen lässt oder wie sich der nächste Schutzbunk­er finden lässt. Es sind Listen mit Essen und Getränken abgebildet, die man für den Ernstfall horten kann, darunter etwa Sardinen aus der Dose, Ravioli und Hafermilch.

Mindestens drei Liter Wasser sollten pro Tag und Erwachsene­m bereitsteh­en. Schlafsäck­e und Kerzen werden empfohlen. Genauso wie ein Radio, natürlich batteriege­trieben, denn der Strom kann im Kriegsfall ausfallen, wie der Leser schon davor im Kapitel: „Was würden Sie tun, falls sich Ihr Alltag auf den Kopf stellt?“erfährt. Illustrier­t ist die Broschüre mit Bildern von Soldaten und Panzern, von Computern und Schutzbunk­ern.

Das letzte Mal gab es eine solche Kampagne auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs, im Jahr 1961. Einen konkreten Anlass für die neue Informatio­ns-Offensive nennt Stockholm nicht. Nur soviel: „Die Welt um uns herum hat sich geändert“und deshalb stärke die Regierung nun das Konzept der „totalen Verteidigu­ng“. Demnach kann der Staat im Krisenfall auf alle Bürger zwischen 16 und 70 Jahren zurückgrei­fen.

Stockholm nennt auch keinen möglichen Aggressor. Dass Wladimir Putins Griff nach der KrimHalbin­sel und der Krieg in der Ostukraine Schweden und weitere Nachbarn Russlands tief verunsiche­rt haben, ist jedoch kein Ge- heimnis. Immer wieder beklagte Stockholm seither Verletzung­en seines Luftraums durch russische Jets. Moskau stritt die Vorwürfe stets ab oder ignorierte sie.

Wegen der Spannungen mit Moskau hat Schwedens Regierung nach Jahren des Sparkurses den Verteidigu­ngsetat wieder erhöht. Zweitens verstärkte das Königreich, das wie Österreich neutrales EUMitglied ist, seine Bande zur Nato. Drittens wurde der allgemeine Wehrdienst wieder eingeführt.

Übrigens: Falls Schweden tatsächlic­h angegriffe­n werden sollte, würde es sich „niemals ergeben“. So steht es auf Seite zwölf der Broschüre. Die Bürger sollten daher im Kriegsfall keinen Meldungen glauben, wonach der Widerstand aufzugeben sei.

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