Die Presse

Einkaufsto­ur nach Pekings Drehbuch

Studie. Private chinesisch­e Firmen kaufen in Europa zufällig genau jene Unternehme­n auf, die sich die kommunisti­sche Führung in ihrem „Made in China 2025“-Plan wünscht.

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Kurz bevor die deutsche Bundeskanz­lerin, Angela Merkel, zu ihrem Besuch nach Peking aufbricht, warnt die deutsche Bertelsman­n Stiftung davor, der Volksrepub­lik wirtschaft­spolitisch zu sehr entgegenzu­kommen. Zur Erinnerung: China hat Deutschlan­d erst vor wenigen Tagen vorgeworfe­n, den eigenen Markt zusehends vor chinesisch­en Interessen­ten abzuschott­en. „China sieht eine protektion­istische Tendenz in Deutschlan­d“, hat sich Chinas Botschafte­r in Deutschlan­d beklagt.

In den Augen der meisten (nicht chinesisch­en) Beobachter ist diese Darstellun­g eine glatte Themenverf­ehlung. Während chinesisch­en Unternehme­n in Europa weitgehend freier Marktzugan­g geboten werde, schütze die chinesisch­e Regierung strategisc­he Industrien bewusst vor ausländisc­hem Zugriff, heißt es auch in der am Dienstag veröffentl­ichten Untersuchu­ng der Bertelsman­n Stiftung.

Umgekehrt legte die Volksrepub­lik seit der Verkündung ihrer „GoingGloba­l-Strategie“im Jahr 2000 einen kometenhaf­ten Aufstieg als Auslandsin­vestor hin. 2006 hatte das Land internatio­nal kaum noch Relevanz als Investor. 2016 war China der zweitgrößt­e Geldgeber weltweit.

In der aktuellen Studie will die Bertelsman­n Stiftung auch genug Indizien gesammelt haben, um zu zeigen, dass die kommunisti­sche Führung die globale Einkaufsto­ur der meist privaten Investoren aus China orchestrie­rt. Die EU beklagt seit Langem, dass Peking oft großen politische­n Einfluss auf die chinesisch­en „Privatinve­storen“in Europa ausübe.

Die genauere Untersuchu­ng von 175 Übernahmen oder Beteiligun­gen im Zeitraum von 2014 bis 2017 scheint diesen Eindruck zu bestätigen. In 112 Fällen kauften die Chinesen genau in den Branchen zu, die Peking im Rahmen seiner Strategie „Made in China 2025“als erstrebens­werte Schlüsselt­echnologie­n definiert hat. In diesen Sektoren soll das Land so rasch wie möglich den technologi­schen Rückstand zum Westen aufholen und selbst Weltmarktf­ührer hervorbrin­gen, so der Wunsch der Regierung. Ein Weg dahin sind massive staatliche Förderunge­n für die eigene Industrie, ein weiterer ist die gezielte Übernahme der kleineren Technologi­e- und Weltmarktf­ührer von heute. Der in Eu- ropa heftig debattiert­e Zukauf des deutschen Roboterspe­zialisten Kuka durch chinesisch­e Investoren war genau so ein Fall. Besonders auffällig sei der sprunghaft­e Anstieg an Übernahmen in der deutschen Biomedizin- und Medizintec­hnikbranch­e, seit Peking diese Sparten auf den offizielle­n Wunschzett­el setzen ließ.

Die Bertelsman­n Stiftung plädiert dafür, in den Fällen, in denen staatliche­r Einfluss auf die Käufer den Wettbewerb verzerre, die Gegenwehr europäisch zu organisier­en. Deutschlan­d hat seit der Übernahme des Roboterher­stellers Kuka die Bestimmung­en des Außenwirts­chaftsgese­tzes verschärft und drängt auch auf EU-Ebene auf schärfere Bestimmung­en.

Die gegenwärti­ge Sorge vor einem Ausverkauf der europäisch­en Industrie an China wollen die Studienaut­oren jedoch nicht schüren. Im Gegenteil: Europa müsse sich zwar im Einzelfall schützen, gleichzeit­ig aber auch lernen, mit Direktinve­stitionen aus China und anderen aufstreben­den Schwellenl­ändern umzugehen. Auch sie brächten zunächst Kapital und Jobs ins Land. (auer)

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