„Ich hielt ,Star Wars‘ für eine Schnapsidee“
Film. „Abgedroschen“, dachte sich Ron Howard, als ihm George Lucas in den 70er-Jahren von seiner Sternenkrieger-Vision erzählte. Nun führte Howard selbst beim „Star Wars“-Ableger „Solo“Regie. Ein Gespräch über Mut und Filme mit Eigenleben.
Nach seiner Europapremiere in Cannes startet „Solo: A Star Wars Story“, das jüngste Unterkapitel der populären Weltraumsaga, am Donnerstag in den heimischen Kinos. Es handelt von den Lehr- und Wanderjahren des galaktischen Abenteurers und Revolverhelden Han Solo, Alden Ehrenreich tritt in die Fußstapfen Harrison Fords. Der Film hat eine turbulente Produktionsgeschichte hinter sich: Das „Lego Movie“-Regieduo Phil Lord und Christopher Miller wurde nach kreativen Differenzen von Disney gefeuert, das Ruder übernahm Hollywood-Routinier Ron Howard. Der 64-Jährige, der seine Karriere als Schauspieler in Fernsehserien begonnen hatte, in den 80er-Jahren als Regisseur durchstartete und mit „Apollo 13“und den Dan-BrownVerfilmungen Publikumserfolge landete, erhielt 2002 zwei Oscars für „A Beautiful Mind – Genie und Wahnsinn“. „Die Presse“traf ihn in Cannes zum Gespräch.
Die Presse: Sie sind bei „Solo: A Star Wars Story“recht spontan auf dem Regiestuhl gelandet. Mussten Sie lange überlegen, bevor Sie einsprangen? Ron Howard: Etwa drei, vier Tage. Ich musste mich schnell entscheiden. Disney hatte die Produktion angehalten, die Zeit drängte. Die Vorstellung, spontan bei einem Großprojekt einzusteigen, hatte natürlich etwas Abenteuerliches. Aber ich kannte alle Beteiligten gut, war mit einigen befreundet – und der Gedanke, bei einem „Star Wars“Film Regie führen zu dürfen, war reizvoll.
Zu diesem Zeitpunkt war schon einiges abgedreht. Konnten Sie sich da überhaupt noch einbringen? Ich war positiv überrascht, wie gut das möglich war. Natürlich gab es aus logistischen Gründen auch Dinge, die man nicht mehr ändern konnte. Aber ich hatte erstaunlich viel Spielraum für Experimente.
Was haben Sie umgestaltet? Manchmal ging es um Details, kleine Adjustierungen im Schnitt, manchmal habe ich ganze Szenen neu gedreht. Aber es gab auch bestehendes Material, das gut funktionierte und unangetastet blieb.
Sie kennen „Star Wars“Schöpfer George Lucas noch aus Prä-„Star Wars“-Zeiten. Wenn Ihnen damals jemand gesagt hätte, dass Sie irgendwann bei einem Teil Regie führen würden, hätten Sie’s geglaubt? Nein. Die ganze Sache hat etwas von einem glücklichen Zufall – fast wie in einem Roman von Charles Dickens.
Was ist Ihre „Star Wars“-Lieblingsfigur? Ich war schon immer ein Fan von Yoda. Einerseits war sein Auftritt in „Eine neue Hoffnung“eine filmische Meisterleistung. Diese Figur so glaubwürdig wirken zu lassen, obwohl es sich offensichtlich um eine Puppe handelte: genial. Aber natürlich mag ich auch seinen Charakter – wie er spricht und seine Weisheiten verkündet. Und sein ungeahntes Lichtschwerttalent.
Wann war Ihre erste Begegnung mit „Star Wars“? Ich habe bei „American Graffiti“von George Lucas mitgespielt, seither stehen wir uns nahe. Eines Nachts, es muss gegen drei Uhr in der Früh gewesen sein, fragte ich ihn nach seinen Zukunftsplänen. Er meinte: „Wenn ,Graffiti‘ Erfolg hat, würde ich gern einen Science-Fiction-Film machen. Im Geiste von Flash Gordon und Buck Rogers, nur mit Spezialeffekten auf dem Niveau von Stanley Kubricks ,2001‘.“Ich hielt das für eine Schnapsidee, habe ihm das aber nicht verraten – zum Glück! Was hat Ihnen denn an dem Vorhaben missfallen? Es klang abgedroschen. Science-Fiction war zum B-Movie-Genre verkommen. Der einzige Sci-Fi-Film, der damals Anklang bei einem größeren Publikum fand, war „Planet der Affen“. Hin und wieder starteten faszinierende Ausnahmeerscheinungen wie „Zardoz“, aber im Unterschied zu den ganzen Fünfziger-Filmen über außerirdische Invasionen hoben sie nie richtig ab. George hat Sci-Fi wieder cool gemacht.
Wie war es für Sie, den ersten „Star Wars“-Film 1977 im Kino zu sehen? Mein jüngerer Bruder Clint hatte damals im Gegensatz zu mir ein Vorsprechen für die Rolle des Luke Skywalker ergattert, was mich etwas neidisch machte. Zudem gab es Ge- rüchte, dass der Dreh aufreibend und schwierig gewesen sei, und die Kritiken gingen auseinander. Meine Erwartungshaltung war entsprechend gedämpft. Etwa einen Monat nach Abschluss meiner ersten eigenen Regiearbeit, „Grand Theft Auto“, habe ich mir „Star Wars“dann zusammen mit meiner Frau Cheryl angesehen – an einem Samstagvormittag. Wir waren völlig hin und weg. Beim Verlassen des Kinos sahen wir zwei endlose Schlangen vor der Kassa. Ich sagte zu Cheryl: „Willst du ihn noch einmal sehen?“Sie antwortete: „Ja!“Also stellten wir uns wieder an – und haben es nicht bereut.
So kann man sich irren. Ja. Leider mache ich viel zu oft Fehler. Aber das gehört dazu. Ich versuche Kollegen und Filmstudenten immer wieder zu vermitteln: Filmemachen ist und bleibt ein extrem ungenauer, schwer fassbarer Prozess. Robert Altman meinte, dass Filme stets ein Eigenleben annehmen – ganz egal, wie talentiert und perfektionistisch ein Regisseur sein mag. Das hat sich für mich immer wieder bestätigt. Man muss es akzeptieren.
Wann haben Sie das gelernt? Am Anfang meiner Regiekarriere – als mir langsam klar wurde, dass ich in diesem Beruf eine Zukunft habe. Ich war damals sehr angespannt. Da fiel mir eine Anekdote aus Frank Capras Autobiografie „The Name above the Title“ein. Nach seinem Oscar-Sieg für „It Happened One Night“soll er unter enormem Erfolgsdruck gelitten haben. So sehr, dass er krank wurde und sich weigerte, sein Haus zu verlassen. Eines Tages bekam er unangekündigten Besuch von einer Anhängerin der Christlichen Wissenschaft. Und sie sagte zu ihm: „Herr Capra, ich glaube nicht, dass Sie krank sind. Sie haben bloß Angst, weil Sie ihre Ziele erreicht haben und nicht wissen, was als Nächstes kommt.“Am Anfang war er wütend über diese Diagnose. Aber langsam sickerte die Botschaft ein, und er kam wieder zu Kräften.
Haben Sie oft Versagensangst? Heute nicht mehr. Natürlich bin ich bei jedem Film nach wie vor aufgeregt und voller Hoffnung, dass er sein Publikum erreicht – und vielleicht auch Kritiker begeistern wird. Aber wenn man keine Risken eingeht, kann im Kreativbereich nichts Spannendes entstehen.
Hat George Lucas Sie im Vorfeld der Dreharbeiten kontaktiert? Ja. Er meinte: „Verlass dich auf deinen Instinkt – und frage im Zweifel den Zwölfjährigen in dir.“Das hat mir Mut gemacht.
Verbinden Sie heute etwas anderes mit Han Solo als früher? Darüber habe ich mir noch nicht wirklich Gedanken gemacht. Ich kann nur sagen, dass Harrison Ford vom Film begeistert war – und er ist ein eher zurückhaltender Mensch. In seinen Augen hat Alden Ehrenreich das Wesen der Figur genau getroffen. Einmal meinte er zu mir mit typischer Bescheidenheit: „George Lucas hat Han Solo erfunden – ich habe ihn nur gespielt.“
Science-Fiction war ein B-Movie-Genre. George Lucas hat es wieder cool gemacht. Ron Howard Regisseur