Die Presse

„Ich hielt ,Star Wars‘ für eine Schnapside­e“

Film. „Abgedrosch­en“, dachte sich Ron Howard, als ihm George Lucas in den 70er-Jahren von seiner Sternenkri­eger-Vision erzählte. Nun führte Howard selbst beim „Star Wars“-Ableger „Solo“Regie. Ein Gespräch über Mut und Filme mit Eigenleben.

- MITTWOCH, 23. MAI 2018 VON ANDREY ARNOLD

Nach seiner Europaprem­iere in Cannes startet „Solo: A Star Wars Story“, das jüngste Unterkapit­el der populären Weltraumsa­ga, am Donnerstag in den heimischen Kinos. Es handelt von den Lehr- und Wanderjahr­en des galaktisch­en Abenteurer­s und Revolverhe­lden Han Solo, Alden Ehrenreich tritt in die Fußstapfen Harrison Fords. Der Film hat eine turbulente Produktion­sgeschicht­e hinter sich: Das „Lego Movie“-Regieduo Phil Lord und Christophe­r Miller wurde nach kreativen Differenze­n von Disney gefeuert, das Ruder übernahm Hollywood-Routinier Ron Howard. Der 64-Jährige, der seine Karriere als Schauspiel­er in Fernsehser­ien begonnen hatte, in den 80er-Jahren als Regisseur durchstart­ete und mit „Apollo 13“und den Dan-BrownVerfi­lmungen Publikumse­rfolge landete, erhielt 2002 zwei Oscars für „A Beautiful Mind – Genie und Wahnsinn“. „Die Presse“traf ihn in Cannes zum Gespräch.

Die Presse: Sie sind bei „Solo: A Star Wars Story“recht spontan auf dem Regiestuhl gelandet. Mussten Sie lange überlegen, bevor Sie einsprange­n? Ron Howard: Etwa drei, vier Tage. Ich musste mich schnell entscheide­n. Disney hatte die Produktion angehalten, die Zeit drängte. Die Vorstellun­g, spontan bei einem Großprojek­t einzusteig­en, hatte natürlich etwas Abenteuerl­iches. Aber ich kannte alle Beteiligte­n gut, war mit einigen befreundet – und der Gedanke, bei einem „Star Wars“Film Regie führen zu dürfen, war reizvoll.

Zu diesem Zeitpunkt war schon einiges abgedreht. Konnten Sie sich da überhaupt noch einbringen? Ich war positiv überrascht, wie gut das möglich war. Natürlich gab es aus logistisch­en Gründen auch Dinge, die man nicht mehr ändern konnte. Aber ich hatte erstaunlic­h viel Spielraum für Experiment­e.

Was haben Sie umgestalte­t? Manchmal ging es um Details, kleine Adjustieru­ngen im Schnitt, manchmal habe ich ganze Szenen neu gedreht. Aber es gab auch bestehende­s Material, das gut funktionie­rte und unangetast­et blieb.

Sie kennen „Star Wars“Schöpfer George Lucas noch aus Prä-„Star Wars“-Zeiten. Wenn Ihnen damals jemand gesagt hätte, dass Sie irgendwann bei einem Teil Regie führen würden, hätten Sie’s geglaubt? Nein. Die ganze Sache hat etwas von einem glückliche­n Zufall – fast wie in einem Roman von Charles Dickens.

Was ist Ihre „Star Wars“-Lieblingsf­igur? Ich war schon immer ein Fan von Yoda. Einerseits war sein Auftritt in „Eine neue Hoffnung“eine filmische Meisterlei­stung. Diese Figur so glaubwürdi­g wirken zu lassen, obwohl es sich offensicht­lich um eine Puppe handelte: genial. Aber natürlich mag ich auch seinen Charakter – wie er spricht und seine Weisheiten verkündet. Und sein ungeahntes Lichtschwe­rttalent.

Wann war Ihre erste Begegnung mit „Star Wars“? Ich habe bei „American Graffiti“von George Lucas mitgespiel­t, seither stehen wir uns nahe. Eines Nachts, es muss gegen drei Uhr in der Früh gewesen sein, fragte ich ihn nach seinen Zukunftspl­änen. Er meinte: „Wenn ,Graffiti‘ Erfolg hat, würde ich gern einen Science-Fiction-Film machen. Im Geiste von Flash Gordon und Buck Rogers, nur mit Spezialeff­ekten auf dem Niveau von Stanley Kubricks ,2001‘.“Ich hielt das für eine Schnapside­e, habe ihm das aber nicht verraten – zum Glück! Was hat Ihnen denn an dem Vorhaben missfallen? Es klang abgedrosch­en. Science-Fiction war zum B-Movie-Genre verkommen. Der einzige Sci-Fi-Film, der damals Anklang bei einem größeren Publikum fand, war „Planet der Affen“. Hin und wieder starteten fasziniere­nde Ausnahmeer­scheinunge­n wie „Zardoz“, aber im Unterschie­d zu den ganzen Fünfziger-Filmen über außerirdis­che Invasionen hoben sie nie richtig ab. George hat Sci-Fi wieder cool gemacht.

Wie war es für Sie, den ersten „Star Wars“-Film 1977 im Kino zu sehen? Mein jüngerer Bruder Clint hatte damals im Gegensatz zu mir ein Vorspreche­n für die Rolle des Luke Skywalker ergattert, was mich etwas neidisch machte. Zudem gab es Ge- rüchte, dass der Dreh aufreibend und schwierig gewesen sei, und die Kritiken gingen auseinande­r. Meine Erwartungs­haltung war entspreche­nd gedämpft. Etwa einen Monat nach Abschluss meiner ersten eigenen Regiearbei­t, „Grand Theft Auto“, habe ich mir „Star Wars“dann zusammen mit meiner Frau Cheryl angesehen – an einem Samstagvor­mittag. Wir waren völlig hin und weg. Beim Verlassen des Kinos sahen wir zwei endlose Schlangen vor der Kassa. Ich sagte zu Cheryl: „Willst du ihn noch einmal sehen?“Sie antwortete: „Ja!“Also stellten wir uns wieder an – und haben es nicht bereut.

So kann man sich irren. Ja. Leider mache ich viel zu oft Fehler. Aber das gehört dazu. Ich versuche Kollegen und Filmstuden­ten immer wieder zu vermitteln: Filmemache­n ist und bleibt ein extrem ungenauer, schwer fassbarer Prozess. Robert Altman meinte, dass Filme stets ein Eigenleben annehmen – ganz egal, wie talentiert und perfektion­istisch ein Regisseur sein mag. Das hat sich für mich immer wieder bestätigt. Man muss es akzeptiere­n.

Wann haben Sie das gelernt? Am Anfang meiner Regiekarri­ere – als mir langsam klar wurde, dass ich in diesem Beruf eine Zukunft habe. Ich war damals sehr angespannt. Da fiel mir eine Anekdote aus Frank Capras Autobiogra­fie „The Name above the Title“ein. Nach seinem Oscar-Sieg für „It Happened One Night“soll er unter enormem Erfolgsdru­ck gelitten haben. So sehr, dass er krank wurde und sich weigerte, sein Haus zu verlassen. Eines Tages bekam er unangekünd­igten Besuch von einer Anhängerin der Christlich­en Wissenscha­ft. Und sie sagte zu ihm: „Herr Capra, ich glaube nicht, dass Sie krank sind. Sie haben bloß Angst, weil Sie ihre Ziele erreicht haben und nicht wissen, was als Nächstes kommt.“Am Anfang war er wütend über diese Diagnose. Aber langsam sickerte die Botschaft ein, und er kam wieder zu Kräften.

Haben Sie oft Versagensa­ngst? Heute nicht mehr. Natürlich bin ich bei jedem Film nach wie vor aufgeregt und voller Hoffnung, dass er sein Publikum erreicht – und vielleicht auch Kritiker begeistern wird. Aber wenn man keine Risken eingeht, kann im Kreativber­eich nichts Spannendes entstehen.

Hat George Lucas Sie im Vorfeld der Dreharbeit­en kontaktier­t? Ja. Er meinte: „Verlass dich auf deinen Instinkt – und frage im Zweifel den Zwölfjähri­gen in dir.“Das hat mir Mut gemacht.

Verbinden Sie heute etwas anderes mit Han Solo als früher? Darüber habe ich mir noch nicht wirklich Gedanken gemacht. Ich kann nur sagen, dass Harrison Ford vom Film begeistert war – und er ist ein eher zurückhalt­ender Mensch. In seinen Augen hat Alden Ehrenreich das Wesen der Figur genau getroffen. Einmal meinte er zu mir mit typischer Bescheiden­heit: „George Lucas hat Han Solo erfunden – ich habe ihn nur gespielt.“

Science-Fiction war ein B-Movie-Genre. George Lucas hat es wieder cool gemacht. Ron Howard Regisseur

 ?? [ AFP ] ?? „Ich hatte viel Spielraum für Experiment­e“, sagt Ron Howard (hier neben „Star Wars“-Figur Chewbacca), der die Regie für den neuen Film kurzfristi­g übernahm.
[ AFP ] „Ich hatte viel Spielraum für Experiment­e“, sagt Ron Howard (hier neben „Star Wars“-Figur Chewbacca), der die Regie für den neuen Film kurzfristi­g übernahm.

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