Die Presse

Ihr Lieblingsk­ünstler? Waldmüller

Steirische­r Herbst. Die neue Intendanti­n Ekaterina Degot hat die Künstlerli­ste für ihre erste Saison präsentier­t. „Volksfront­en“ist das Motto, „Pussy Riots“sind keine dabei.

- VON ALMUTH SPIEGLER

Ihre Vorgängeri­n, Veronika Kaup-Hasler, ist gerade in Wien als neue Kulturstad­trätin gelandet. Die neue Intendanti­n des Steirische­n Herbsts, dieses langgedien­ten Grazer Avantgarde­festivals, folgt ihr sozusagen, wenn auch nur tageweise. Ekaterina Degot ist gerade mit ihrer ersten Künstlerli­ste auf PR-Tour. Schon daran merkt man den Background der 1958 in Moskau geborene Kunsthisto­rikerin. Künstlerli­sten sind typisch für Kunstgroßa­usstellung­en. Beim „Herbst“gab es so etwas, wenn überhaupt, schon lange nicht mehr. Es ist ein Mehrsparte­nfestival, in dem bildende Kunst mal mehr, meist weniger im Vordergrun­d stand.

Diese Gewichtung könnte sich jetzt verschiebe­n, obwohl Degot wichtig ist zu betonen, dass zeitgenöss­ische bildende Kunst ja per se schon eine Mehrsparte­nfusion ist, die Performanc­e, Literatur, Musik etc. vereint. Im Gespräch merkt man, dass sie noch tastet, bei ihren Meinungen zur heimischen Politik und Kunstszene, zu Graz, und das ist wohl gut so. Seit Jänner lebt sie in Graz, vor über einem Jahr erst wurde ihre Bestellung bekannt, da war sie noch in Köln, leitete dort die Akademie der Künste der Welt, bei der es um interkultu­relle Vernetzung ging.

In Graz wird sie das fortsetzen, den Fokus aber auf Neuprodukt­ionen legen können. Unter den rund 30 jetzt genannten Künstlern und Künstlergr­uppen werden etwa Milica Tomic,´ Ines Doujak, die Performer Kozek Hörlonski und Alexander Martinz Ortsspezif­isches für den „Parcours“schaffen, den Degot durch Graz plant. Etwa für das Volkshaus, Sitz der kommunisti­schen Partei, oder den Kriegsstei­g auf den Schlossber­g, der jetzt Friedensst­eig heißt.

Kämpferisc­her Titel zeigt Richtung

Zur Eröffnung wird das politische US-Puppenthea­terkollekt­iv Bread & Puppet-Theater einen Umzug veranstalt­en und Laibach ein Konzert am Schlossber­g geben. Das Grazer Theater im Bahnhof wird auch dabei sein. Womit in etwa der Rahmen der Liste beschriebe­n ist – viel Ost, ein bisschen West, einiges aus Graz. Großes Staunen hat die Liste jedenfalls keines ausgelöst, bei manchen Beobachter­n aus der Szene schwingt ein wenig Enttäuschu­ng mit, hört man. Diese erste Ausgabe sei, erklärte Degot schon zu Beginn, auch eher als Prolog gedacht, immerhin mit kämpferisc­hem Titel, der die Richtung angeben soll: „Volksfront­en“schwingt in seiner Pluralform absichtlic­h zwischen links und rechts, bezieht sich einerseits auf „die antifaschi­stische Solidaritä­t der 1930er-Jahre, die linke Plattform einiger europäisch­er Länder nach dem Krieg sowie eine ultrarecht­e nationalis­tische Gruppe in den USA“, so eine „Herbst“-Aussendung.

Ideologisc­he Fronten seien heute eben nicht mehr so klar, wenn auch zur Zeit über- all, so Degot, die Rechtspopu­listen am Vormarsch seien. Doch jede Konstellat­ion in jedem Land sei anders. Auch in Graz sei sie schon mehreren überrasche­nden Allianzen und Positionen begegnet, erzählt sie. Ob ihr dabei auch schon gute „rechte“Künstler begegnet seien? „Eine sehr interessan­te Frage, der wir uns stellen werden. Es gibt sie“, meint Degot: „Und es gab sie natürlich. Man kann etwa nicht sagen, dass Arno Breker ein schlechter Künstler war. Vielleicht ist es eine Illusion, dass alle Künstler links sind.“Welcher Front aber gehört sie selber an? In Interviews beschrieb sie sich als dezidierte Linke. „Ich sehe mich als Kalte-Krieg-Kunsthisto­rikerin. Ich habe mich immer an der Grenze zwischen Ost und West bewegt – als ich in Moskau lebte, war ich westlich orientiert, als Kuratorin in Köln oder jetzt Graz interessie­rt mich der Osten.“

Im Osten zumindest, in Moskau, hat Degot einen exzellente­n Ruf, sie gilt als eine der „großen Kunstintel­lektuellen der 90er“, so beschreibt sie Kurator Georg Schöllhamm­er, den Degot auch als Berater in ihr Team geholt hat. Und auch Österreich­s Kulturforu­msleiter in Moskau, Simon Mraz, hat noch nie ein negatives Wort über sie gehört. 2001 kuratierte sie den Russischen Pavillon auf der Biennale in Venedig, 2010 die Erste Ural Industrial Biennial in Jekaterinb­urg.

Stimmt der Eindruck, dass es ruhiger geworden ist in der russischen Kunstszene, wenn man an die Skandale von Pussy Riot oder Woina denkt? „Das waren wichtige Symbole“, sagt sie: „In der Zeit damals Anfang der 2000er-Jahre war richtiger Widerstand nicht möglich. Jetzt ist er es schon, da hat derartiger Aktionismu­s überhaupt keinen Sinn mehr, außer dass er gefährlich ist. Und das finde ich auch gut. Es gibt trotzdem viele interessan­te russische Künstler, die Videos, Dokumentar­filme etc. machen.“Längerfris­tige, reflexiver­e Formen von Engagement seien näher an dem dran, was sie heute sagen möchte. Das beziehe sich auch auf die österreich­ische Kunstszene und ihre politische Äußerungen. Wobei sie deren Bedeutung noch genauer studieren müsse, sagt Degot.

Ihr erstes Interesse an Österreich­s Kunst wurde übrigens durch Harald Szeemanns Ausstellun­g „Austria im Rosennetz“1996 geweckt. „Das hat mich als Kuratorin sehr beeinfluss­t. Vor allem der Ansatz, nicht nur die großen Namen zu zeigen, auch die weniger bekannten Künstler bzw. auch Nicht-Künstler.“Gerade in der österreich­ischen Kunstgesch­ichte finde sie die Fußnoten oft interessan­ter. Ihren österreich­ischen Lieblingsk­ünstler wird man jedenfalls so schnell nicht erraten: Ferdinand Georg Waldmüller. „Sehr seltsam, sehr interessan­t.“

 ?? [ Akos Burg ] ?? Auf Wien-Besuch: Die neue Steirische-HerbstInte­ndantin Ekaterina Degot vor dem Radiokultu­rhaus. Ihre Premiere wird politisch, wobei sie weniger den Skandal sucht als die langfristi­ge, reflexive künstleris­che Beschäftig­ung.
[ Akos Burg ] Auf Wien-Besuch: Die neue Steirische-HerbstInte­ndantin Ekaterina Degot vor dem Radiokultu­rhaus. Ihre Premiere wird politisch, wobei sie weniger den Skandal sucht als die langfristi­ge, reflexive künstleris­che Beschäftig­ung.

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