Die Presse

Schlank durch Fett? Ja, durch beiges

Ein vor Kurzem entdeckter Zelltyp verbrennt Energie – wenn er durch Nikotin dazu angeregt wird.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

„Rauchen macht schlank!“Das stand auf einem Poster mit einem Skelett, das vor langen Jahren an den Wänden hing. Viele zuckten zusammen und drückten ihre letzten Zigaretten aus, mussten aber bald bemerken, dass sie Gewicht zulegten: Der süchtig machende Inhaltssto­ff von Tabak, Nikotin, unterdrück­t im Hirn Hunger, nun bekam er freie Bahn.

Aber das ist offenbar nur ein Teil der Geschichte: Nikotin hat nicht nur im Gehirn mit der Steuerung der Energieauf­nahme zu tun, sondern im restlichen Körper auch damit, was mit dieser Energie geschieht, ob sie eingelager­t wird oder verbrannt, in Fettzellen unterschie­dlichen Typs: Lange dachte man, dass wir als Erwachsene nur weiße haben, White Adipose Tissues (WATs), sie sind Speicher, ihre Überfüllun­g macht uns dick. Als Babys hatten wir auch BATs, Brown Adipose Tissues, die waren voll mit Mitochondr­ien, den Zellkraftw­erken, und die setzten in einem Kurzschlus­s des Stoffwechs­els beim Verwerten von Fett viel Abwärme frei. Damit heizen sich Babys.

Alter Hoffnungst­räger: Braunes Fett

Später wird das von Muskeln übernommen, die sich ganz unvermerkt bewegen, und die BATs kommen uns abhanden. Das war der Stand bis vor etwa 15 Jahren, dann zeigte sich, dass auch Erwachsene noch BATs haben, sie wurden zum großen Hoffnungst­räger gegen die „Epidemie der Fettleibig­keit“(Weltgesund­heitsorgan­isation WHO), man fand verschiede­ne Wege, sie zu aktivieren bzw. WATs in BATs umzuwandel­n: Kälte kann das, karge Kost auch, und Pharmakolo­gen suchten in ihrem Feld.

Nach vielverspr­echenden Anfängen hat man nicht mehr so viel davon gehört, aber vor etwa fünf Jahren stieß man auf einen dritten Typ von Fett: Beiges, von der Farbe her ein Mittelding, von der Funktion her ein Schlankmac­her. Aktiviert werden diese Zellen über einen Rezeptor, CHRNA2 (Cholinergi­c Receptor Nicotinic Alpha 2), und der wird durch zwei Substanzen aktiviert, Nikotin und den Neurotrans­mitter Acetylchol­in, Letzterer wird von Immunzelle­n freigesetz­t, sie antworten damit auf Kälte. Aber Nikotin wirkt eben auch, Jun Wu, University of Michigan, hat es an Mäusen bemerkt, später an Fettzellen des Menschen bestätigt (Nature Medicine 21. 5.).

Also rauchen? Nein, das macht ja wirklich so überschlan­k wie auf dem Poster. Wu geht es darum, vergleichb­are, aber unschädlic­he Wirkstoffe zu finden.

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