Die Wölfe schießen oder die Schafherden schützen?
Wo Fake News und Dummheit herrschen, haben Sachargumente und wissenschaftliche Freiheit das Nachsehen.
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durchziehender Wolf tötete in Salzburg in kaum zwei Wochen 18 Schafe. Möglicherweise, denn der DNA-Nachweis für die Täterschaft steht noch aus. Heftig wird nun diskutiert, ob man den Wolf töten oder aber die Schafe schützen soll. Ganz so, als wären wir das erste Land Europas mit Wölfen. Interessenvertreter wollen eher schießen. Sie behaupten, der Herdenschutz würde ohnehin nicht funktionieren. Das ist objektiv falsch. Positive Beispiele und entsprechendes Know-how gibt es in Deutschland, in der Schweiz und in vielen anderen Ländern.
Klar: Wenn ein durchziehender Wolf auf ungeschützte Schafe trifft, lernt er, dass sie einfache Beute sind und wird damit zum „Problemwolf“. Individuell identifiziert, darf er dann sogar im Einklang mit der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie abgeschossen werden. Ich gebe nur zu bedenken, dass der Übeltäter nicht als „Problemwolf“kam, er wurde durch fehlenden Herdenschutz in Salzburg erst dazu gemacht.
Wie also in Zukunft die Schäden an Weidetieren minimieren? Ist es sinnvoll, Wölfe regelmäßig zu bejagen, oder soll man eher darauf setzen, dass sich Rudel bilden, die dann dafür sorgen, dass sich die lokalen Wolfsdichten in Grenzen halten? So versucht man es etwa in Deutschland. Durch Herdenschutz kann man diesen Wölfen den „Schafskorb“so hoch hängen, dass sie nur noch Wildtiere erbeuten und diese Traditionen auch an ihre Nachkommen weitergeben. So funktionieren nämlich Wolfsfamilien.
Bisher gab es auch kaum gesichertes Wissen zur Wirksamkeit der Wolfsbejagung. Dies änderte sich 2014 mit einer Studie von Robert Wielgus und Kaylie Peebles von der Washington State University/USA. Sie analysierten von 1987 bis 2012 in Idaho, Montana und Wyoming erhobene Daten zu Wolfsbejagung und zu den Verlusten an Weidetieren. Mit der Wolfsdichte stieg die Zahl der gerissenen Weidetiere. No na. Ergänzend muss man aber anmerken, dass US-Farmer kaum auf Herdenschutz setzen. Wesentlich
interessanter war der Zusammenhang mit der Wolfsbejagung: Man sollte meinen, dass umso weniger Nutztiere den Wölfen zum Opfer fallen, je stärker diese im Jahr zuvor bejagt werden. Das Ergebnis war aber genau umgekehrt: Je stärker die Wölfe bejagt wurden, desto mehr Schafe und Rinder verloren die Farmer im Jahr darauf – außer, man schoss jährlich mehr als 25 Prozent der Wölfe in der Gegend, was aber auf die Dauer kaum zu bewerkstelligen ist. Die Bejagung stimulierte offenbar die Vermehrung und damit den Nahrungsbedarf der Wölfe und störte ihre Sozialstruktur und ihr „natürliches“Jagdverhalten. Dies ist ein starker, auch auf Europa übertragbarer Hinweis darauf, dass die regelmäßige Bejagung von Wölfen kontraproduktiv sein kann. Was die Entfernung definierter „Problemtiere“nicht ausschließt.
Die Studie hatte übrigens Folgen für Robert Wielgus. Aufgrund der anhaltenden Proteste der Farmer wurde der Wissenschaftler gerade eben von seiner Uni gefeuert. Wo Fake News und blanke Dummheit herrschen, haben Sachargumente und wissenschaftliche Freiheit das Nachsehen. (Noch) Nicht an unseren Unis. Dort wirken mehr oder weniger „angepasste“Experten, einschließlich solcher, die gelegentlich den Positionen der mächtigen Verbände von Landwirtschaft und Jagd widersprechen. Es ist zu hoffen, dass es so bleibt. Der Wolf sollte hierzulande nicht auch noch zum Testfall für die akademische Freiheit werden.