CDU will mehr Geld für Verteidigung
Sicherheit. Globale Krisenbewältigung und klassische Landesverteidigung: Die Bundeswehr soll wieder beides können. Aber um welchen Preis? Der Koalitionsstreit in Berlin erinnert an Wien.
Als Ursula von der Leyen und Mario Kunasek unlängst in der deutschen Bundeshauptstadt aufeinandertrafen, prallten zwei Welten aufeinander: Sie, die aufgeweckte Liberale, galt lange als Zukunftshoffnung in der CDU, ist noch länger Mitglied der Bundesregierung – hat aber den Zenit ihrer innenpolitischen Karriere längst erreicht. Er, der linientreue FPÖ-Funktionär, strebt hingegen eines der höchsten Karriereziele in Österreich erst an. Nein, nicht Kanzler, sondern Landeshauptmann – in der Steiermark.
Dafür haben die beiden Verteidigungsminister in ihren Ressorts mehr gemeinsam, als ihnen lieb ist: Von der Leyens Bundeswehr wurde politisch jahrelang vernachlässigt. Doch je näher die Krisenherde nach Europa rücken, desto mehr Aufgaben soll die Truppe übernehmen. Sie kann nicht mehr hauptsächlich globale Einsatzarmee sein, sondern soll den Fokus gleichzeitig stärker auf die klassische Landesverteidigung richten. Dafür braucht es Geld – mehr Geld, als bisher budgetiert ist.
Die Debatte kennt man aus Österreich, und Kunasek kennt sie besonders gut. Er will immerhin ein Sonderbudget für das Bundes- heer ausverhandeln. Anders als in Wien wird der Konflikt in Berlin aber nicht hinter verschlossenen Türen im Finanzministerium ausgetragen, sondern auf offener Bühne. Und zwar jeder, die sich finden lässt: in Zeitungen, Talkshows oder im Bundestag. Neben der Asylpolitik ist die Verteidigungspolitik zu einem der größten Konfliktpunkte der Großen Koalition mutiert.
Derzeit liegen die Wehrausgaben in Deutschland bei 1,2 Prozent der Wirtschaftsleistung. Das ist weit von dem Ziel entfernt, das die Staats- und Regierungschefs der Nato vor vier Jahren bei einem Gipfel in Wales vereinbart haben. Demnach sollten die Mittel bis 2024 in Richtung zwei Prozent des BIP gehen. Von der Leyen fordert nun, dass Deutschland bis dahin zumindest 1,5 Prozent zur Verfügung stellt. Das sollen laut Schätzungen von Experten immerhin 60 Milliarden Euro sein.
Der Budgetentwurf von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sieht zwar ein Plus vor, allerdings nur von 5,5 Milliarden Euro. 42,25 Milliarden Euro sind insgesamt für 2019 vorgesehen. Damit steigt der Wehretat auf 1,3 Prozent der Wirtschaftsleistung – um in den kommenden Jahren aber wieder auf den jetzigen Wert zu sinken.
Und Scholz hat nicht vor, etwas daran zu ändern. Über die „Bild am Sonntag“richtete er dies auch seinen Regierungskollegen in der CDU aus – und zwar in etwa so, als hätten Kinder um eine Taschengelderhöhung gebeten: „Die Bäume wachsen leider nicht in den Himmel.“In den kommenden Jahre wolle man vor allem die Einkommen der Bürger entlasten und in den Ausbau des Digitalnetzes sowie in die Bildung der Kinder investieren. Wer kann da schon widersprechen?
Joschka Fischer kann, zumindest indirekt. „Wenn Sie mich fragen, ob wir uns selbst verteidigen können, dann ist die klare Antwort: Nein“, sagt er dem „Spiegel“. Der frühere Bundesaußenminister rät Deutschland dringend dazu, mehr Geld für Rüstung auszugeben. Das Land sei „zu groß und zu wichtig, als dass wir uns einen schlanken Fuß machen könnten“. Das sei nicht nur ein nationales Anliegen, sondern auch wichtig für Europa.
Die Debatte könnte das internationale Ansehen Deutschlands schwächen. Womöglich ist das ein Grund, warum sich Bundeskanzle- rin Angela Merkel (CDU) ungewöhnlich schnell in die Debatte einmischte. Die Zwei-ProzentMarke, auf die sich die Nato-Mitglieder geeinigt haben, sei „kein Fetisch“. In Zeiten instabiler Verhältnisse rund um Deutschland und Europa sei dies ein nötiges Ziel. Fürchten brauche man sich nicht: Das Geld für die Bundeswehr solle „in Ausrüstung, nicht in Aufrüstung“investiert werden. Tatsächlich hat der jahrelange Sparzwang die Bundeswehr an mehreren Stellen geschwächt: Der Investitionsbedarf reicht in alle Bereiche – von Unterhosen bis zu U-Booten. Hubschrauberpiloten müssen regelmäßig ihre Lizenz abgeben, weil sie nicht genügend Flugstunden absolvieren. Zuletzt wurde sogar bekannt, dass durch ein Systemproblem nur noch vier Eurofighter in Deutschland einsatzfähig sind.
Neben all diesen Schlagzeilen bleibt wenig Platz für die eigentliche Frage: Wofür soll sich die Bundeswehr genau rüsten? Wie sieht die Verteidigungspolitik der Zukunft im Detail aus? Auch das ist ein Problem, das Österreichern bekannt vorkommen dürfte.