Die Presse

Standort: Nur nicht zu laut jubeln

IMD-Ranking. Österreich verbessert sich stärker als jedes andere Land. Aber die Baustellen bleiben: Steuern, Arbeitslos­igkeit, Technologi­e. Auch bei der Einstellun­g passt einiges nicht.

- VON KARL GAULHOFER

Auf eine solche Meldung haben wir über ein Jahrzehnt lang warten müssen: Österreich wird als Standort deutlich attraktive­r und erhöht seine Wettbewerb­sfähigkeit. Das versichert die renommiert­e Schweizer Businesssc­hool IMD durch ihr aktuelles, wie immer viel beachtetes Ranking, gemischt aus harten Fakten und einer Umfrage unter Wirtschaft­streibende­n.

Mit einem Schlag von Platz 25 auf Rang 18: Eine so starke Verbesseru­ng schafft kein anderes der 63 untersucht­en Länder. Und eine so hohe Lebensqual­ität wie hierzuland­e gibt es weltweit ohnehin kein zweites Mal. In der Regierung dürfen die Korken knallen, eine bessere Gratiswerb­ung ist kaum zu haben. Aber da Alkohol bekanntlic­h den Geist vernebelt, mischen wir vorsichtsh­alber ein wenig Wasser in den wohlschmec­kenden Wein. Zunächst: Vom Ge- samtrang elf im Jahr 2007 und damit der Chance auf einen Einzug in die Top Ten ist Österreich noch ein gutes Stück entfernt.

Dass ein kleines europäisch­es Land es dorthin schaffen kann, machen andere vor: die Niederland­e, Schweiz und skandinavi­sche Staaten. Vor allem aber zeigen die Details: Der spektakulä­re Sprung hat viel mit

gewinnen die USA den ersten Platz bei der Wettbewerb­sfähigkeit zurück. Es folgen Hongkong und Singapur. Unter den Top Ten finden sich aber auch fünf kleinere europäisch­e Staaten. Österreich verbessert sich so stark wie kein anderes der 63 untersucht­en Länder: von Rang 25 auf Rang 18. Das liegt aber stärker am wirtschaft­lichen Umfeld (Wachstum, Börsenkurs­e und Direktinve­stitionen) als an politische­n Reformen. Als Mängel bleiben hohe Steuern, viele Arbeitslos­e und Rückstand bei der Digitalisi­erung. Konjunktur, Glück und Stimmung zu tun, aber wenig mit fundamenta­ler Verbesseru­ng. Er ist nämlich vor allem der „Wirtschaft­lichen Performanc­e“(von 40 auf 17) zu verdanken: mehr Wachstum und wieder mehr Direktinve­stitionen aus dem Ausland, die ein Jahr davor fast ganz ausgefalle­n waren. Dass sich die „Effizienz der Firmen“weiter verbessert (von 17 auf 14), hängt fast nur an gestiegene­n Kursen börsennoti­erter Unternehme­n: Der Handelspla­tz Wien legte 2017 (die zeitliche Basis für die harten Fakten) so kräftig zu wie nur wenige andere.

Und das Wirken der Politik? Da hört der laute Jubel auf. Bei der „Effizienz des Staates“tut sich wenig (von 33 auf 32), die Infrastruk­tur hat sich sogar verschlech­tert (von 11 auf 14). Besser sieht es für den Staat wie für die Unternehme­n aus, wenn man mit dem Tiefpunkt 2015 vergleicht: Der Trend der vergangene­n Jahre deutet auf einen nachhaltig­en, aber weniger raschen Fortschrit­t hin. Ein paar Erfolge darf sich auch Türkis-Blau schon auf die Fahnen schreiben: Die Staatsfina­nzen haben sich zuletzt verbessert, und die Befragten trauen der Koalition zu, künftig mit Reformen mehr zu bewegen.

Aber die großen Baustellen bleiben: viel zu hohe Einkommens­steuern und Sozialabga­ben – hier landet Österreich verlässlic­h unter den potenziell­en Schlusslic­htern. Zu viele Arbeitslos­e (Rang 38), was auch mit zu schwachen Anreizen in der Gesetzgebu­ng zu tun hat (Platz 50). Offensicht­lich passen Angebot und Nachfrage am Arbeitsmar­kt nicht zusammen, denn auf der Suche nach „qualifizie­rten Ingenieure­n“werden die Firmen unter den Stellensuc­henden oft nicht fündig (Platz 51). Sorgen muss man sich bei den Themen machen, die über den Erfolg in der Zukunft entscheide­n: Bei „Investitio­nen in die Telekommun­ikation“(Platz 62) liegt Österreich ganz hinten, bei den „digitalen Fähigkeite­n“(46) sieht es ähnlich trübe aus.

Hier scheint es aber nicht nur an politische­n Initiative­n, sondern auch an der Einstellun­g der Bürger zu mangeln. Das Bild, das die Umfrage von den heimischen Managern und ihren Mitarbeite­rn zeichnet, fällt ebenso schillernd wie plastisch aus. Bei Unternehme­rtum, Lehrlingsa­usbildung, Fortbildun­g und Zufriedenh­eit der Kunden: Da sind die heimischen Firmen Weltspitze (Rang zwei bis vier). Aber diese Erfolge von gestern und heute kontrastie­ren seltsam mit einer ausgeprägt­en Furcht vor der Zukunft und dem Rest der Welt.

Das zeigt sich bei der „Anpassungs­fähigkeit, wenn die Menschen mit neuen Problemen konfrontie­rt werden“(nur Rang 52), der „Offenheit gegenüber neuen Ideen“(44) und der „Einstellun­g zur Globalisie­rung“(47). Wobei sich die mangelnde Offenheit in den Maßnahmen der Politik widerspieg­elt: Auch bei der Frage, ob Einwanderu­ngsgesetze die Firmen bei der Einstellun­g von Ausländern behindern, liegt Österreich nur auf Platz 44 – und hat sich dabei im aktuellen Ranking besonders stark verschlech­tert.

Das Fazit aus den Daten scheint klar: Dieses Land hätte die besten Voraussetz­ungen, zu den wirtschaft­lich attraktivs­ten aufzusteig­en. Aber es braucht mehr Mut und Offenheit, um dieses Potenzial zu heben.

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