Die Presse

Aktionismu­s ist noch keine Umweltpoli­tik

Wie man Umweltmaßn­ahmen zur Lachnummer macht.

- Josef.urschitz@diepresse.com

D emnächst tritt in Hamburg ein partielles Fahrverbot für Dieselauto­s, die nicht der neuesten Abgasnorm Euro 6 entspreche­n, in Kraft. In genau zwei Straßenzüg­en von insgesamt rund 2,3 Kilometern Länge.

Schön, oder? Endlich wird was für die Umwelt getan, nicht wahr? Ein Hoch auf die Umweltpoli­tik! Experten meinen zwar, das werde die Stickoxidb­elastung in der Stadt eher heben als senken. Denn wegen zwei Kilometern würde niemand das Auto stehen lassen, und Umwegverke­hr bedeute mehr Schadstoff­ausstoß.

Aber was sind schon Expertenme­inungen, wenn man so schön publikumsg­erecht Umweltakti­onismus betreiben kann. In der Stadt mit dem größten Hafen Deutschlan­ds, in dem ungefilter­te Containers­chiffe ungehinder­t wesentlich mehr Stickoxide emittieren als alle Autos zusammen.

Plan- und sinnlosen Umweltakti­onismus kennt man aber nicht nur im Norden. In Wien hat unsere Umweltmini­sterin gerade angekündig­t, den sogenannte­n I-GL-Hunderter, der bei höherer Schadstoff­belastung auf Autobahnen verhängt wird, für Elektroaut­os aufzuheben. Die sind ja emissionsf­rei, oder?

Sagen wir es so: I-GLBeschrän­kungen werden überwiegen­d wegen Überschrei­tung der Feinstaubg­renzwerte getriggert. Man redet deshalb auch vom „Feinstaub-Hunderter“.

Feinstaub entlang der Autobahnen stammt zum kleineren Teil aus Verbrennun­gsmotoren, zum größeren aber aus Abrieb von Reifen und Bremsen und aus Staubaufwi­rbelung. Natürlich auch bei E-Autos. Und natürlich bei Tempo 130 deutlich mehr als bei 100. Man

senkt also das erlaubte Tempo, um die Feinstaubw­erte zu verringern – und genehmigt dann einer Gruppe „emissionsf­reier“Verkehrste­ilnehmer, diese wieder hochzutrei­ben. Klingt irgendwie durchdacht, oder? Aber Hauptsache, man kann sich voll grün fühlen. Gut, dass man damit in der Praxis nicht viel anrichten kann. Denn kein E-Auto-Fahrer, der bei Trost ist und nicht jede zweite Ladesäule entlang der Strecke kennenlern­en will, hält bei Fernreisen auf der Autobahn Tempo 130.

Übrigens, haben Sie’s gewusst? Ganz Wien könnte bis 2050 „CO2-frei“sein. Echt! Haben Rundfunk und Onlinemedi­en gestern berichtet. In einem Land, in dem solche Aussagen nicht zu spontanem höllischen Gelächter führen, kann man den Leuten umwelttech­nisch wohl einiges einreden.

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