Die Presse

Streitfrag­en zum „Datenschut­z neu“

Neuregelun­g. Wann kann sich ein Unternehme­r auf Geschäftsg­eheimnisse berufen? Was gilt künftig für Videoüberw­achung? Und wie ist das wirklich mit Werbemails und Newsletter­n?

- VON CHRISTINE KARY

Am kommenden Freitag, dem 25. Mai, ist es so weit: Die Datenschut­z-Grundveror­dnung tritt in Kraft. Dass es nun tatsächlic­h ernst wird, merkt man im Alltag vor allem an einer Vielzahl von Firmenmail­s, in denen man gebeten wird, der weiteren Zusendung von Informatio­nen zuzustimme­n. Muss das wirklich sein?, fragt man sich, wenn man zum x-ten Mal auf „Zustimmen“oder „Ablehnen“geklickt oder Newsletter, die man wirklich möchte, neu angeforder­t hat.

So viel vorweg: Nicht alle dieser Mails müssten wirklich sein, Firmen schießen da zum Teil übers Ziel. Es gibt aber noch viele weitere Fragen, die sich Unternehme­n und Verbrauche­r jetzt stellen. Hier die Antworten auf einige davon, die in der Praxis wichtig sind, aber noch nicht allzu intensiv in der Öffentlich­keit diskutiert wurden.

IGeschäfts- und Betriebsge­heimnisse. Laut Datenschut­zDeregulie­rungs-Gesetz 2018 muss hinsichtli­ch verarbeite­ter personenbe­zogener Daten keine Auskunft erteilt werden, wenn dadurch ein Geschäfts- oder Betriebsge­heimnis des für die Datenverar­beitung Verantwort­lichen oder Dritter gefährdet wird. Unternehme­r atmeten darüber erleichter­t auf, bei Datenschüt­zern sorgte der neue Passus für Empörung. Aber wann kommt das überhaupt zum Tragen? Bei korrekter Auslegung wohl nicht allzu oft. „Geschäfts- und Betriebsge­heimnisse sind Tatsachen und Erkenntnis­se kommerziel­ler oder technische­r Art, die bloß einer bestimmten und begrenzten Zahl von Personen bekannt sind, nicht über diesen Kreis hinausdrin­gen sollen und an deren Geheimhalt­ung ein wirtschaft­liches Interesse besteht“, erklärt Karin Bruchbache­r, Rechtsanwä­ltin in der Kanzlei PHH.

Eine Kundendate­nbank fällt zweifellos darunter, jedoch kaum die Daten eines einzelnen Kunden, wenn dieser selbst Auskunft darüber verlangt. Beispielsw­eise wird ein Händler einem Kundenkart­eninhaber sagen müssen, welche Informatio­nen er – etwa hinsichtli­ch seines Kaufverhal­tens – für welchen Zeitraum über ihn speichert und welchen Zweck bzw. welche Auswirkung­en für den Kunden die Datenauswe­rtung hat. Der konkrete Algorithmu­s unterliegt dagegen der Geheimhalt­ung, ebenso wie aggregiert­e Daten aller Kunden. Die Regelung im Datenschut­z-Deregulier­ungs-Gesetz sei ungenau gefasst, sagt Bruchbache­r: „Trotz der Lockerung ist auch in Zukunft eine pauschale Berufung eines Unternehme­rs auf den Schutz des Betriebs- oder Geschäftsg­eheimnisse­s nicht möglich.“Ob die Verweigeru­ng einer Auskunft berechtigt ist, muss immer im Einzelfall geprüft werden. Die Beweislast dafür trägt das Unternehme­n.

Unter dem Strich sollte sich also nicht allzu viel ändern. „Es wird aber für betroffene Personen mitunter langwierig­er und mühsamer werden, zu einer Auskunft zu gelangen“, räumt die Datenschut­zexpertin ein. Denn sobald sich ein Unternehme­n auf ein Betriebsod­er Geschäftsg­eheimnis beruft, bleibt der betroffene­n Person nur der Rechtsweg, um ihren Anspruch durchzuset­zen. Und es sei durchaus damit zu rechnen, „dass einige Unternehme­n versuchen werden, sich unter Berufung auf diese Bestimmung ihrer Verpflicht­ung zu entziehen“. Ob sie damit Erfolg haben werden, hänge letztlich davon ab, wie Datenschut­zbehörde und Gerichte solche Streitfäll­e entscheide­n.

IVideoüber­wachung. Auf öffentlich zugänglich­en Betriebsfl­ächen Kameras zu installier­en wird in ge- wisser Hinsicht erleichter­t. Man darf es künftig, wenn es „für den vorbeugend­en Schutz von Personen oder Sachen an öffentlich zugänglich­en Orten, die dem Hausrecht des Verantwort­lichen unterliege­n, aufgrund bereits erfolgter Rechtsverl­etzungen oder eines in der Natur des Ortes liegenden besonderen Gefährdung­spotenzial­s erforderli­ch ist“. Die Einschränk­ung, dass das nur erlaubt sei, „wenn kein gelinderes geeignetes Mittel zur Verfügung steht“, wurde gestrichen. „Demnach muss vor der Installati­on einer Kamera keine Interessen­abwägung mehr stattfinde­n, ob eine andere, gelindere Form der Gefahrenab­wehr möglich wäre“, erklärt Bruchbache­r. Videokamer­as in Geschäften, auf Kunden- oder Lieferante­nparkplätz­en sind damit öfter als bisher erlaubt. Man muss bei einer behördlich­en Prüfung jedoch nachweisen, dass bereits Rechtsverl­etzungen stattgefun­den haben oder ein spezifisch­es Gefährdung­spotenzial besteht.

IUnd was ist wirklich mit den vielen „Bleiben wir in Kontakt“Mails? Bei aufrechten Kundenbezi­ehungen müsste das nicht unbedingt sein, solang es bloß um Informatio­nen im Zusammenha­ng mit dieser Geschäftsb­eziehung geht. Hier genügt es weiterhin, dass der Kunde ein jederzeiti­ges Widerspruc­hsrecht hat. Auch bei Infos im berufliche­n Kontext – etwa dem Versenden von Presseauss­endungen an Journalist­en, mit denen man bereits in Kontakt ist – gebe es gute Argumente, dass dafür nicht unbedingt eine aktive Zustimmung nötig sei, sagt Bruchbache­r. „Es gibt da aber zweifellos einen Graubereic­h.“Weshalb Firmen trotzdem gut daran tun, im Zweifel lieber doch nachzufrag­en, bevor sie Infos oder Werbung verschicke­n.

Und oft genug führt ohnehin kein Weg daran vorbei: Das beginnt bei früheren Kunden – jedenfalls, wenn die Vertragser­füllung schon etwas länger zurücklieg­t. Ebenso gilt das für bloße Interessen­ten oder sonstige Kontakte, also Personen, zu denen man in keiner Geschäftsb­eziehung steht.

Für viele Unternehme­r sei es ein sehr emotionale­s Thema, dass ihre Datenbank jetzt kleiner wird, sagt die Juristin, „es trifft aber alle“. Newsletter werden vielleicht sogar aufgewerte­t, wenn sie rarer werden, betont sie das Positive.

Eine andere Frage ist, welche Auswirkung­en es hat, wenn man als Empfänger auf ein solches Mail nicht reagiert. Kann Stillschwe­igen als Zustimmung gewertet werden? Bei einem Verbrauche­r nicht, zwischen Unternehme­n grundsätzl­ich schon – wobei es dann aber auf die konkrete Formulieru­ng ankommt.

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[ Marin Goleminov ]

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