Streitfragen zum „Datenschutz neu“
Neuregelung. Wann kann sich ein Unternehmer auf Geschäftsgeheimnisse berufen? Was gilt künftig für Videoüberwachung? Und wie ist das wirklich mit Werbemails und Newslettern?
Am kommenden Freitag, dem 25. Mai, ist es so weit: Die Datenschutz-Grundverordnung tritt in Kraft. Dass es nun tatsächlich ernst wird, merkt man im Alltag vor allem an einer Vielzahl von Firmenmails, in denen man gebeten wird, der weiteren Zusendung von Informationen zuzustimmen. Muss das wirklich sein?, fragt man sich, wenn man zum x-ten Mal auf „Zustimmen“oder „Ablehnen“geklickt oder Newsletter, die man wirklich möchte, neu angefordert hat.
So viel vorweg: Nicht alle dieser Mails müssten wirklich sein, Firmen schießen da zum Teil übers Ziel. Es gibt aber noch viele weitere Fragen, die sich Unternehmen und Verbraucher jetzt stellen. Hier die Antworten auf einige davon, die in der Praxis wichtig sind, aber noch nicht allzu intensiv in der Öffentlichkeit diskutiert wurden.
IGeschäfts- und Betriebsgeheimnisse. Laut DatenschutzDeregulierungs-Gesetz 2018 muss hinsichtlich verarbeiteter personenbezogener Daten keine Auskunft erteilt werden, wenn dadurch ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis des für die Datenverarbeitung Verantwortlichen oder Dritter gefährdet wird. Unternehmer atmeten darüber erleichtert auf, bei Datenschützern sorgte der neue Passus für Empörung. Aber wann kommt das überhaupt zum Tragen? Bei korrekter Auslegung wohl nicht allzu oft. „Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sind Tatsachen und Erkenntnisse kommerzieller oder technischer Art, die bloß einer bestimmten und begrenzten Zahl von Personen bekannt sind, nicht über diesen Kreis hinausdringen sollen und an deren Geheimhaltung ein wirtschaftliches Interesse besteht“, erklärt Karin Bruchbacher, Rechtsanwältin in der Kanzlei PHH.
Eine Kundendatenbank fällt zweifellos darunter, jedoch kaum die Daten eines einzelnen Kunden, wenn dieser selbst Auskunft darüber verlangt. Beispielsweise wird ein Händler einem Kundenkarteninhaber sagen müssen, welche Informationen er – etwa hinsichtlich seines Kaufverhaltens – für welchen Zeitraum über ihn speichert und welchen Zweck bzw. welche Auswirkungen für den Kunden die Datenauswertung hat. Der konkrete Algorithmus unterliegt dagegen der Geheimhaltung, ebenso wie aggregierte Daten aller Kunden. Die Regelung im Datenschutz-Deregulierungs-Gesetz sei ungenau gefasst, sagt Bruchbacher: „Trotz der Lockerung ist auch in Zukunft eine pauschale Berufung eines Unternehmers auf den Schutz des Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses nicht möglich.“Ob die Verweigerung einer Auskunft berechtigt ist, muss immer im Einzelfall geprüft werden. Die Beweislast dafür trägt das Unternehmen.
Unter dem Strich sollte sich also nicht allzu viel ändern. „Es wird aber für betroffene Personen mitunter langwieriger und mühsamer werden, zu einer Auskunft zu gelangen“, räumt die Datenschutzexpertin ein. Denn sobald sich ein Unternehmen auf ein Betriebsoder Geschäftsgeheimnis beruft, bleibt der betroffenen Person nur der Rechtsweg, um ihren Anspruch durchzusetzen. Und es sei durchaus damit zu rechnen, „dass einige Unternehmen versuchen werden, sich unter Berufung auf diese Bestimmung ihrer Verpflichtung zu entziehen“. Ob sie damit Erfolg haben werden, hänge letztlich davon ab, wie Datenschutzbehörde und Gerichte solche Streitfälle entscheiden.
IVideoüberwachung. Auf öffentlich zugänglichen Betriebsflächen Kameras zu installieren wird in ge- wisser Hinsicht erleichtert. Man darf es künftig, wenn es „für den vorbeugenden Schutz von Personen oder Sachen an öffentlich zugänglichen Orten, die dem Hausrecht des Verantwortlichen unterliegen, aufgrund bereits erfolgter Rechtsverletzungen oder eines in der Natur des Ortes liegenden besonderen Gefährdungspotenzials erforderlich ist“. Die Einschränkung, dass das nur erlaubt sei, „wenn kein gelinderes geeignetes Mittel zur Verfügung steht“, wurde gestrichen. „Demnach muss vor der Installation einer Kamera keine Interessenabwägung mehr stattfinden, ob eine andere, gelindere Form der Gefahrenabwehr möglich wäre“, erklärt Bruchbacher. Videokameras in Geschäften, auf Kunden- oder Lieferantenparkplätzen sind damit öfter als bisher erlaubt. Man muss bei einer behördlichen Prüfung jedoch nachweisen, dass bereits Rechtsverletzungen stattgefunden haben oder ein spezifisches Gefährdungspotenzial besteht.
IUnd was ist wirklich mit den vielen „Bleiben wir in Kontakt“Mails? Bei aufrechten Kundenbeziehungen müsste das nicht unbedingt sein, solang es bloß um Informationen im Zusammenhang mit dieser Geschäftsbeziehung geht. Hier genügt es weiterhin, dass der Kunde ein jederzeitiges Widerspruchsrecht hat. Auch bei Infos im beruflichen Kontext – etwa dem Versenden von Presseaussendungen an Journalisten, mit denen man bereits in Kontakt ist – gebe es gute Argumente, dass dafür nicht unbedingt eine aktive Zustimmung nötig sei, sagt Bruchbacher. „Es gibt da aber zweifellos einen Graubereich.“Weshalb Firmen trotzdem gut daran tun, im Zweifel lieber doch nachzufragen, bevor sie Infos oder Werbung verschicken.
Und oft genug führt ohnehin kein Weg daran vorbei: Das beginnt bei früheren Kunden – jedenfalls, wenn die Vertragserfüllung schon etwas länger zurückliegt. Ebenso gilt das für bloße Interessenten oder sonstige Kontakte, also Personen, zu denen man in keiner Geschäftsbeziehung steht.
Für viele Unternehmer sei es ein sehr emotionales Thema, dass ihre Datenbank jetzt kleiner wird, sagt die Juristin, „es trifft aber alle“. Newsletter werden vielleicht sogar aufgewertet, wenn sie rarer werden, betont sie das Positive.
Eine andere Frage ist, welche Auswirkungen es hat, wenn man als Empfänger auf ein solches Mail nicht reagiert. Kann Stillschweigen als Zustimmung gewertet werden? Bei einem Verbraucher nicht, zwischen Unternehmen grundsätzlich schon – wobei es dann aber auf die konkrete Formulierung ankommt.