Deutschklassen „in den Sand gesetzt“
Schule. Unzureichende Vorbereitung, ungeklärte Fragen und übereilte Maßnahmen: Die schwarze Lehrergewerkschaft übt Kritik an den türkis-blauen Deutschklassen und fordert baldige Korrekturen. Sonst drohen Kampfmaßnahmen.
Die schwarze Pflichtschullehrergewerkschaft übt Kritik an den türkis-blauen Deutschklassen. Die sollen im Herbst starten. Doch bislang gebe es noch viele „ungeklärte Fragen“. Die Reform sei „unzureichend vorbereitet“gewesen. In einer am Mittwoch verabschiedeten Resolution fordert die Pflichtschullehrergewerkschaft das Bildungsministerium deshalb zum Handeln auf: Sollten die Korrekturen nicht bis zum Sommer stattfinden, seien „gewerkschaftliche Maßnahmen“nicht ausgeschlossen“, hieß es in dem Schreiben.
Die Deutschklassen sollen von Kindern, die dem Unterricht nicht folgen können, besucht werden. „Für mich ist es eine Sensation, wie man eine gute Initiative derart in den Sand setzen kann“, kommentiert Lehrergewerkschafter Paul Kimberger das Gesetz. Der Bildungsminister will nun mit den Lehrervertretern sprechen.
„Für mich ist es eigentlich eine Sensation, wie man eine gute Initiative derart in den Sand setzen kann“: Mit diesen harten Worten kommentiert der oberste (schwarze) Pflichtschullehrergewerkschafter, Paul Kimberger, die in der Vorwoche im Parlament mit den Stimmen von ÖVP/FPÖ beschlossene Einführung der Deutschklassen. Die sind laut Gewerkschaft nämlich „unzureichend vorbereitet“, und das werde in den Schulen ab Herbst „zu echten Problemen“führen.
In einer am Mittwoch verabschiedeten Resolution fordert die Pflichtschullehrergewerkschaft das Bildungsministerium deshalb zum raschen Handeln auf: Sollte das Ministerium „nicht dazu bereit sein“, Korrekturen vorzunehmen und noch vor dem Sommer „Planungssicherheit schaffen“, sind „weitere gewerkschaftliche Maßnahmen nicht ausgeschlossen“, wie es in dem Schreiben, das der „Presse“vorliegt, heißt. „Wir hoffen auf ein Gespräch mit Bildungsminister Heinz Faßmann, sonst werden wir den Druck erhöhen“, sagt Kimberger.
Die schwarze Lehrergewerkschaft stellt sich damit gegen die türkis-blaue Regierung. Ein Schritt, der gerade mit Blick auf die Einführung von Deutschklassen so nicht zu erwarten war. Denn grundsätzlich befürwortet die Lehrergewerkschaft „Deutsch-Crashkurse“. Schüler, die dem Unterricht nicht folgen können, sollten auch ihrer Meinung nach zum Deutschlernen aus den Regelklassen genommen werden. Anders sei das nicht bewältigbar.
Die beschlossenen Deutschklassen seien dennoch kein gutes Konzept. „In dieser Form wird das nicht funktionieren“, sagt Kimberger. Er bemängelt die „vielen ungeklärten Fragen“und argumentiert damit überraschenderweise ähnlich wie der rote Wiener Bildungsstadtrat, Jürgen Czernohorszky, der von einem „unausgereiften Gesetz“, das die Planung für Direktoren und Gemeinden schwierig mache, spricht.
Laut Gewerkschaft fehle für die Deutschklassen immer noch ein Lehrplan. Es sei außerdem unklar, wie viele Kinder maximal in einer Deutschklasse sitzen dürfen, und wie die Tests, anhand derer die Deutschfähigkeit überprüft und die Entscheidung, ob das Kind eine Deutschklasse besuchen muss, getroffen werden soll, aussehen sollen.
Maximal vier Semester in Deutschklasse
Dennoch starten die Deutschklassen planmäßig im Herbst. Sie müssen von Schülern, die dem Unterricht nicht folgen können, besucht werden – allerdings nur von Schulanfängern und Quereinsteigern. In den Klassen wird 15 (Volksschule) bis 20 (NMS/AHS) Stunden pro Woche Deutsch gelernt. In der restlichen Zeit werden die Schüler für Fächer wie Turnen, Musik oder Zeichnen altersgemäßen Klassen zugeteilt. Nach jedem Semester wird getestet, ob die Kinder gut genug Deutsch sprechen, um in eine Regelklasse einzusteigen. In den Klassen dürfen die Kinder maximal vier Semester bleiben. Eröffnet werden sie übrigens erst ab einer Zahl von acht Schülern.
Der Unterschied zum bisher in den Schulen praktizierten Sprachfördermodell ist weniger groß, als es die politischen Ankündigungen der türkis-blauen Bundesregierung erwarten ließen. Bislang besuchten Kinder mit Deutschschwierigkeiten großteils Sprachstartgruppen. Auch dabei wurden sie elf Stunden pro Woche zum Deutschlernen aus der Klasse genommen.
Ein kleinerer Teil der Schüler mit Deutschproblemen wurde integrativ, also in sogenannten Sprachstartkursen, unterrichtet. Die Entscheidung, welches Modell ange- wendet wird, fiel am Standort. Dass die Schulen diese Entscheidung nun nicht mehr autonom treffen sollen, stößt ebenso auf gewerkschaftliche Kritik: Der „so oft gebrauchte Begriff der Autonomie wird durch diese übereilte Maßnahme des Dienstgebers ,ad absurdum‘ geführt, heißt es im Schreiben.
Zuerst folgt ein „Übergangsjahr“
Das Bildungsministerium versuchte gestern umgehend zu beruhigen. Es gebe nun ein „Übergangsjahr“, in dem man sich auf die bisherigen Regelungen stütze, deshalb seien der Einstufungstest sowie die Lehrpläne für die Deutschklassen noch nicht fertig. Die Schulen würden ab kommender Woche mit einer „Handreichung“informiert, und es werden, wie Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) sagt, „selbstverständlich Gespräche mit der Gewerkschaft geben“. Die gewerkschaftlichen Maßnahmen müssen also eventuell gar nicht ergriffen werden.