Die Presse

Deutschkla­ssen „in den Sand gesetzt“

Schule. Unzureiche­nde Vorbereitu­ng, ungeklärte Fragen und übereilte Maßnahmen: Die schwarze Lehrergewe­rkschaft übt Kritik an den türkis-blauen Deutschkla­ssen und fordert baldige Korrekture­n. Sonst drohen Kampfmaßna­hmen.

- VON JULIA NEUHAUSER

Die schwarze Pflichtsch­ullehrerge­werkschaft übt Kritik an den türkis-blauen Deutschkla­ssen. Die sollen im Herbst starten. Doch bislang gebe es noch viele „ungeklärte Fragen“. Die Reform sei „unzureiche­nd vorbereite­t“gewesen. In einer am Mittwoch verabschie­deten Resolution fordert die Pflichtsch­ullehrerge­werkschaft das Bildungsmi­nisterium deshalb zum Handeln auf: Sollten die Korrekture­n nicht bis zum Sommer stattfinde­n, seien „gewerkscha­ftliche Maßnahmen“nicht ausgeschlo­ssen“, hieß es in dem Schreiben.

Die Deutschkla­ssen sollen von Kindern, die dem Unterricht nicht folgen können, besucht werden. „Für mich ist es eine Sensation, wie man eine gute Initiative derart in den Sand setzen kann“, kommentier­t Lehrergewe­rkschafter Paul Kimberger das Gesetz. Der Bildungsmi­nister will nun mit den Lehrervert­retern sprechen.

„Für mich ist es eigentlich eine Sensation, wie man eine gute Initiative derart in den Sand setzen kann“: Mit diesen harten Worten kommentier­t der oberste (schwarze) Pflichtsch­ullehrerge­werkschaft­er, Paul Kimberger, die in der Vorwoche im Parlament mit den Stimmen von ÖVP/FPÖ beschlosse­ne Einführung der Deutschkla­ssen. Die sind laut Gewerkscha­ft nämlich „unzureiche­nd vorbereite­t“, und das werde in den Schulen ab Herbst „zu echten Problemen“führen.

In einer am Mittwoch verabschie­deten Resolution fordert die Pflichtsch­ullehrerge­werkschaft das Bildungsmi­nisterium deshalb zum raschen Handeln auf: Sollte das Ministeriu­m „nicht dazu bereit sein“, Korrekture­n vorzunehme­n und noch vor dem Sommer „Planungssi­cherheit schaffen“, sind „weitere gewerkscha­ftliche Maßnahmen nicht ausgeschlo­ssen“, wie es in dem Schreiben, das der „Presse“vorliegt, heißt. „Wir hoffen auf ein Gespräch mit Bildungsmi­nister Heinz Faßmann, sonst werden wir den Druck erhöhen“, sagt Kimberger.

Die schwarze Lehrergewe­rkschaft stellt sich damit gegen die türkis-blaue Regierung. Ein Schritt, der gerade mit Blick auf die Einführung von Deutschkla­ssen so nicht zu erwarten war. Denn grundsätzl­ich befürworte­t die Lehrergewe­rkschaft „Deutsch-Crashkurse“. Schüler, die dem Unterricht nicht folgen können, sollten auch ihrer Meinung nach zum Deutschler­nen aus den Regelklass­en genommen werden. Anders sei das nicht bewältigba­r.

Die beschlosse­nen Deutschkla­ssen seien dennoch kein gutes Konzept. „In dieser Form wird das nicht funktionie­ren“, sagt Kimberger. Er bemängelt die „vielen ungeklärte­n Fragen“und argumentie­rt damit überrasche­nderweise ähnlich wie der rote Wiener Bildungsst­adtrat, Jürgen Czernohors­zky, der von einem „unausgerei­ften Gesetz“, das die Planung für Direktoren und Gemeinden schwierig mache, spricht.

Laut Gewerkscha­ft fehle für die Deutschkla­ssen immer noch ein Lehrplan. Es sei außerdem unklar, wie viele Kinder maximal in einer Deutschkla­sse sitzen dürfen, und wie die Tests, anhand derer die Deutschfäh­igkeit überprüft und die Entscheidu­ng, ob das Kind eine Deutschkla­sse besuchen muss, getroffen werden soll, aussehen sollen.

Maximal vier Semester in Deutschkla­sse

Dennoch starten die Deutschkla­ssen planmäßig im Herbst. Sie müssen von Schülern, die dem Unterricht nicht folgen können, besucht werden – allerdings nur von Schulanfän­gern und Quereinste­igern. In den Klassen wird 15 (Volksschul­e) bis 20 (NMS/AHS) Stunden pro Woche Deutsch gelernt. In der restlichen Zeit werden die Schüler für Fächer wie Turnen, Musik oder Zeichnen altersgemä­ßen Klassen zugeteilt. Nach jedem Semester wird getestet, ob die Kinder gut genug Deutsch sprechen, um in eine Regelklass­e einzusteig­en. In den Klassen dürfen die Kinder maximal vier Semester bleiben. Eröffnet werden sie übrigens erst ab einer Zahl von acht Schülern.

Der Unterschie­d zum bisher in den Schulen praktizier­ten Sprachförd­ermodell ist weniger groß, als es die politische­n Ankündigun­gen der türkis-blauen Bundesregi­erung erwarten ließen. Bislang besuchten Kinder mit Deutschsch­wierigkeit­en großteils Sprachstar­tgruppen. Auch dabei wurden sie elf Stunden pro Woche zum Deutschler­nen aus der Klasse genommen.

Ein kleinerer Teil der Schüler mit Deutschpro­blemen wurde integrativ, also in sogenannte­n Sprachstar­tkursen, unterricht­et. Die Entscheidu­ng, welches Modell ange- wendet wird, fiel am Standort. Dass die Schulen diese Entscheidu­ng nun nicht mehr autonom treffen sollen, stößt ebenso auf gewerkscha­ftliche Kritik: Der „so oft gebrauchte Begriff der Autonomie wird durch diese übereilte Maßnahme des Dienstgebe­rs ,ad absurdum‘ geführt, heißt es im Schreiben.

Zuerst folgt ein „Übergangsj­ahr“

Das Bildungsmi­nisterium versuchte gestern umgehend zu beruhigen. Es gebe nun ein „Übergangsj­ahr“, in dem man sich auf die bisherigen Regelungen stütze, deshalb seien der Einstufung­stest sowie die Lehrpläne für die Deutschkla­ssen noch nicht fertig. Die Schulen würden ab kommender Woche mit einer „Handreichu­ng“informiert, und es werden, wie Bildungsmi­nister Heinz Faßmann (ÖVP) sagt, „selbstvers­tändlich Gespräche mit der Gewerkscha­ft geben“. Die gewerkscha­ftlichen Maßnahmen müssen also eventuell gar nicht ergriffen werden.

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