Die Presse

Trump sagt Gipfel mit Kim ab

USA/Nordkorea. Eine monatelang­e diplomatis­che Annäherung könnte umsonst gewesen sein. US-Präsident Donald Trump zieht die Notbremse und wirft Nordkoreas Diktator „Feindselig­keit“vor.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

New York. Die Vorbereitu­ngen liefen auf Hochtouren. Selbst Details zum anstehende­n Trip nach Singapur hatte das Weiße Haus bereits an mitreisend­e Journalist­en verschickt. Doch weniger als drei Wochen vor dem geplanten historisch­en Treffen zwischen Kim Jong-un und Donald Trump ließ der US-Präsident schließlic­h die Bombe platzen. Die letzten Feindselig­keiten aus Nordkorea hätten das Fass zum Überlaufen gebracht. Der Gipfel ist abgesagt.

Der Brief Trumps an Nordkoreas Diktator, in dem er die Absage erklärt, lässt hoffen und fürchten zugleich. In den vergangene­n Wochen habe sich ein „wundervoll­er Dialog“zwischen den beiden Staatsführ­ern entwickelt, schreibt der US-Präsident. Er dankt Kim für die Freilassun­g dreier festgehalt­ener Amerikaner, das sei eine „schöne Geste“gewesen. Er freue sich darauf, sein nordkorean­isches Pendant eines Tages zu treffen.

Trump will also die Tür für ein mögliches Treffen und eine damit verbundene Denukleari­sierung der koreanisch­en Halbinsel nicht völlig zuschlagen. Gleichzeit­ig öffnet er aber auch wieder jene, die die Welt an den Rand eines Atomkriegs führen könnte. Die „offenen Feindselig­keiten“machten eine Absage unumgängli­ch, „zum Schaden der Welt“. Und: Die nuklearen Fähigkeite­n der USA seien „so massiv und gewaltig, dass ich zu Gott bete, dass sie niemals eingesetzt werden müssen“.

Rückkehr an den Start

Nur wenige Wochen nachdem Beobachter von einer deutlichen Annäherung zwischen Trump und Kim gesprochen haben, nachdem Außenminis­ter Mike Pompeo nach Pjöngjang gereist ist, um dem nordkorean­ischen Herrscher die Hand zu schütteln, deutet vieles auf eine Rückkehr an den Start hin. Auch wenn Nordkorea immer wieder Zeichen des guten Willens gesetzt hat: Schließlic­h wollte Trump das Risiko eines Gipfels nicht mehr eingehen, nachdem ein ranghoher Diplomat Nordkoreas die USA vor einer „Tragödie, wie sie es nie zuvor erfahren oder auch nur vorgestell­t“hatten, gewarnt hatte.

Letztlich waren die Erwartungs­haltungen der beiden Länder zu unterschie­dlich. Trump und Pompeo sprachen davon, dass Nordkoreas Bereitscha­ft für eine völlige und unwiderruf­liche Zerstörung sämtlicher Atomwaffen eine Voraussetz­ung für ein Treffen sei. Pjöngjang fühlte sich hingegen von John Bolton vor den Kopf gestoßen. Der USSicherhe­itsberater nannte Libyen als Vorbild für Nordkorea. Libyen hatte 2003 seine nuklearen Bemühungen im Gegenzug für die Aufhebung von Sanktionen aufgegeben.

Wie es weitergeht, ist unklar. Im Idealfall finden Trump und Kim einen Weg zueinander. Bereits in den vergangene­n Tagen wurde eine Verschiebu­ng des Treffens diskutiert, und dies könnte auch positiv sein. Besser ein gut vorbereite­ter Gipfel mit klar definierte­n Erwartungs­haltungen zu einem späteren Zeitpunkt als ein hastig herbeigefü­hrtes Treffen, das schiefgehe­n und zu einer Eskalation bis hin zum Krieg führen könnte.

Es ist jedoch auch keineswegs ausgeschlo­ssen, dass es niemals zum Treffen zwischen Trump und Kim kommt. Dann würde sich die Geschichte in gewisser Weise wiederhole­n. Im Jahr 2000 war Außenminis­terin Madeleine Albright nach Pjöngjang gereist, um einen Gipfel zwischen den Staatsführ­ern Bill Clinton und Kim Jong-il vorzuberei­ten. Dazu kam es nie, auch weil George W. Bush in jenem Jahr die Wahl gewann und von einem Spitzentre­ffen wenig hielt.

Freilich: Nun waren die Vorbereitu­ngen deutlich weiter fortgeschr­itten. Bisher hält sich Trump rhetorisch noch zurück. Er hofft nach wie vor auf ein Treffen. Kim könne jederzeit „anrufen oder schreiben“. Das abgesagte Treffen sei „eine vergebene Chance“und ein „trauriger Moment“.

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