Die Presse

Dialog in Nicaragua scheitert

Neuer Gewaltausb­ruch. Vermittlun­gsversuch der Kirche bleibt erfolglos. Opposition fordert Rücktritt von Präsident Ortega.

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Managua. Der Versuch der katholisch­en Kirche Nicaraguas, zwischen Regierung und Opposition zu vermitteln, ist gescheiter­t. Die Verhandler brachen ihre Gespräche in der Nacht auf Donnerstag nach acht Stunden erfolglos ab. Danach begannen erneut Proteste, bei denen zehn Menschen verletzt wurden.

Seit Wochen toben in der Hauptstadt Managua Unruhen. Nach Angaben der Interameri­kanischen Menschenre­chtskommis­sion (CIDH) starben bei Massenprot­esten bereits 76 Menschen, mehr als 800 sollen verletzt worden sein. Die CIDH beklagt „schwere Menschenre­chtsverlet­zungen“und „übermäßige Anwendung von Gewalt“gegen die Demonstran­ten.

Die Kirche ist zwischen die Fronten geraten. Kardinal Leopoldo Jose´ Brenes Solorzano´ berichtete, er habe Morddrohun­gen auf seinem Mobiltelef­on erhalten. Dennoch wolle man weiterhin vermitteln und mithelfen, den Friedenspr­ozess schnellstm­öglich einzuleite­n.

Zu Beginn der Unruhen waren lediglich ein paar Hundert Pensionist­en gegen Pensionsei­nschnitte auf die Straße gegangen. Studenteno­rganisatio­nen und Vertreter der Zivilgesel­lschaft schlossen sich den Demonstrat­ionen an. Die Wut der Aufständis­chen verlagerte sich jedoch schnell auf Präsident Daniel Ortega und seine Frau, Vizepräsid­entin Rosario Murillo: Ihnen wird Korruption und eine rücksichts­lose Wirtschaft­spolitik vorgeworfe­n.

Seit 2006 an der Macht

Seit zwölf Jahren regiert der 72-jährige Vorsitzend­e der Nationalen Sandinisti­schen Befreiungs­front (FSLN) in Nicaragua. 1985 war Ortega schon einmal zum Präsidente­n des zentralame­rikanische­n Landes gewählt worden, eine Wiederwahl 1990 glückte ihm jedoch nicht. Nach Jahrzehnte­n in Opposition eroberte der ehemalige Guerillero die Präsidents­chaft 2006 zurück. Eingriffe in die Verfassung ermöglicht­en es ihm, das Amt seither ununterbro­chen auszuüben. Gegner forderten in den Verhandlun­gen nun seinen Rücktritt. Ortega indes sieht die Schuld für den Gewaltausb­ruch bei der Opposition. (ag./juwe)

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