Ein Abenteuer mit Beethoven
Konzerthaus. Elisabeth Leonskaja spielte die drei letzten Klaviersonaten an einem pausenlosen, ungemein spannenden Abend im Mozartsaal.
Karg, fast verstörend trocken klingt der Beginn der E-Dur-Sonate – Elisabeth Leonskaja macht keine Konzessionen, wenn sie darangeht, die drei letzten Klaviersonaten Ludwig van Beethovens an einem pausenlosen Abend aufzuführen. Da geht es um einen bis heute rätselhaften Notentext, dem man sich so unvoreingenommen und neugierig wie möglich zu nähern hat.
Oft genug scheint Beethoven hier ja zu improvisieren, scheinbar planlos, hie und da auch jäh innehaltend auf einem Weg, dessen Spuren nach manchen Umleitungen und Irritationen vielleicht später wieder aufgenommen werden – oder auch nicht.
An dem Abenteuer der Erschließung dieser drei Sonaten, die auf unerklärliche Weise eine Einheit bilden, lässt die Leonskaja ihr Publikum sozusagen unvermittelt teilhaben, spielt mit großer Klarheit, leistet sich keine willkürlichen koloristischen oder artikulatorischen Zutaten. Gerade indem sie lediglich zu realisieren versucht, was in den Noten steht (das ist reich genug an Facetten und Differenzierung), fördert sie unerhörte Details ans Licht, eine sonst kaum je zu bemerkende Tonfolge in der Mittelstimme, irgendwo im ersten Drittel des ersten Satzes von Opus 109 zum Beispiel, die sich später – apropos scheinbare Planlosigkeit – als strukturell bedeutsam entpuppen wird.
Atmosphärische Zaubereien, die mancher Pianist schon zu Beginn des Zyklus zu beschwören versucht, stellen sich ohne interpretatorische Willkür im rechten Moment von selbst ein, etwa in der berüchtigten Trillerpassage am Ende des Finalsatzes der ersten Sonate, in der sich unabhängige Klangebenen zu überlagern und zauberisch entmaterialisiert zu schweben scheinen.
Dass kontrapunktische Hexenmeistereien von solcher Darstellungsweise profitieren, versteht sich, zumal die Leonskaja etwa in der As-Dur-Sonate nicht nur „Rezitativ und Arie“des Adagios, sondern auch die Fuge aus dem Geist der Vokalmusik begreift.
Die heikel auszubalancierenden, vom Komponisten vorgeschriebenen Tempomodifikationen behindern übrigens die Bewegung ganz und gar nicht, wenn man die diesbezüglich unbezeichneten Passagen nicht stur nach Metronom, sondern in flexiblen, den Notwendigkeiten der einzelnen Phrasen abgelauschten Atemzügen fließen lässt. Auch das eine Force der Leonskaja, die übrigens den Schluss von Opus 111 spielt, als hätte Thomas Mann nie darüber ein Wort verloren – womit sich die aufgestaute Spannung unbedenklich erst im allerletzten Takt löst. Orkanartiger Applaus ist die Folge.