Österreichs diskreteste Chefsuche
Der Stromkonzern sucht neue Vorstände. Die Fäden zieht dabei Gerhard Roiss, ExOMV-Chef und nunmehr Verbund-Aufsichtsratspräsident. Er lässt sich nicht in die Karten schauen.
Es ist die spannendste Vorstandssuche überhaupt. Und die geheimnisvollste: Heute, Samstag, geht die Bewerbungsfrist für die Vorstandsmitglieder des teilstaatlichen Stromkonzerns Verbund zu Ende. Die Ausschreibung selbst war recht vage formuliert und lässt eine Reihe von Fragen offen: Bleibt es bei vier Vorständen? Wird auf drei reduziert? Oder gar auf zwei? Fragen über Fragen, die bis zum 13. Juni geklärt werden müssen. An dem Tag wird der Verbund-Aufsichtsrat seine Entscheidung treffen. Doch auch dieser Tag gestaltet sich reichlich mysteriös: Den 15 Aufsichtsratsmitgliedern wurde lediglich mitgeteilt, dass sie sich an dem Tag für einen Termin „irgendwo im 1. Bezirk“freihalten sollen. Der genaue Ort der Sitzung wird ihnen erst wenige Tage davor bekannt gegeben. So soll verhindert werden, dass eine Meute von Journalisten zugegen ist. Aufsichtsratspräsident
will es so. Und der hat in der Angelegenheit überhaupt ein recht mächtiges Wort mitzureden.
Der frühere OMV-Chef ist vor rund einem Jahr vom damaligen ÖVP-Wirtschaftsminister
als VerbundAufsichtsratschef installiert worden. Dass er unter Türkis-Blau und neuem Eigentümervertreter (das ist mittlerweile Finanzminister
nicht abgelöst wurde, war eine große Überraschung. Immerhin hatte
während seines vorjährigen Interregnums als ÖVP-Wirtschaftsminister so seine Probleme mit Roiss gehabt: Der Informationsfluss zwischen dem obersten Verbund-Kontrollor Roiss und dem Eigentümervertreter Mahrer war gelinde gesagt stockend.
Doch mittlerweile ist Roiss‘ Macht fest einzementiert. Bei der jüngsten Hauptversammlung am 23. April wurde die Gelegenheit, eine personelle Veränderung im Aufsichtsrat herbeizuführen, nicht wahrgenommen. Möglicherweise hatte Löger andere Baustellen zu versorgen, jedenfalls blieb im Verbund-Kontrollgremium alles beim Alten. Nicht einmal der rote Arbeiterkämmerer wur- de abgelöst. Detto der einstige Generalsekretär im Wirtschaftsministerium, Und dies, obwohl Kaszanits nicht mehr im Ministerium arbeitet, sondern in die Wirtschaftskammer als Referatsleiter für wissenschaftliche Kooperationen gewechselt hat. Heißt: Die Republik Österreich, die 51 Prozent am Verbund hält, hat niemanden im Aufsichtsrat, der ihre Interessen vertritt.
Gerhard Roiss, Manager durch und durch, hat im Verbund-Aufsichtsrat also das, was man gemeinhin als „lange Leine“zu bezeichnen pflegt. Nicht, dass ihm immer alles durchginge: Bei der letzten Aufsichtsratssitzung beispielsweise präsentierte er eine von Unternehmensrechtlerin
überarbeitete Geschäftsordnung, die nicht von allen Aufsichtsräten goutiert wurde und somit entschärft werden musste. Immerhin sah sie vor, dass der Verbund-Aufsichtsrat die Geschäftsführer aller Verbund-Tochtergesellschaften bestellen darf. Das ging dann vielen doch zu weit, weil sie eine Einmischung in das operative Geschäft befürchteten. Also einigte man sich auf drei Tochtergesellschaften, bei denen das doch möglich sein soll.
Unschwer zu erkennen: Gerhard Roiss gibt gern den Ton an. Die nächste Gelegenheit bietet sich nun mit der im Juni geplanten Vorstandsbestellung. Ende des Jahres laufen die Verträge aller vier Vorstände – zwei Schwarze, zwei Rote – aus.
Als Headhunter wurde ein Mann, der Roiss’ Vertrauen genießt, engagiert: von Korn Ferry. Der muss Entscheidungsgrundlagen liefern für eine wahre Flut an Sitzungen bis zur entscheidenden Aufsichtsratssitzung am 13. Juni: Da gibt es einen Nominierungsausschuss, einen Strategieausschuss und eine Präsidiumssitzung. Im Endeffekt sollen dabei Kandidaten ausgesiebt werden. Und aufgrund der fachlichen Qualifikation dieser Personen wird auch entschieden werden, mit wie vielen Vorständen der Verbund das Auslangen finden soll. Darüber wird dann der Aufsichtsrat am 13. abstimmen.
Bei aller Geheimhaltung zeichnet sich dennoch ein Trend ab: Verbund-Chef
darf sich wohl über eine Vertragsverlängerung freuen – allerdings nur um zwei Jahre, weil er dann das Pensionsalter erreicht hat. Allerdings: Anzengruber ist nicht unumstritten. Letztlich muss abgewartet werden, wie Gerhard Roiss entscheidet. Beobachter meinen, es sei auch durchaus möglich, dass Roiss für eine Überraschung sorgt und den derzeitigen Verbund-Finanzvorstand,
zum Chef macht. Er und Anzengruber sind dem ÖVPLager zuzuordnen.
Die Besetzung eines Vorstands durch die FPÖ gestaltet sich noch komplizierter: Wunschkandidat der Blauen war Burschenschafter
Doch gegen ihn gab es Einspruch sowohl von Koalitionspartner ÖVP als auch von Verbund-Aufsichtsratsmitgliedern. In den vergangenen Wochen hatte es also ganz danach ausgesehen, als würde der ursprüngliche FPÖFavorit das Rennen machen. Er ist seit zehn Jahren Chef von Cisco Austria, der Österreich-Niederlassung des weltweit agierenden Technologiekonzerns. Allerdings: Kaspar gehört dem liberalen Flügel der FPÖ an, und daher haben ihm die Freiheitlichen unlängst mitgeteilt, dass er den Job nicht bekommen werde. Als Verbund-Finanzvorstand ist also Heta-Manager und ÖBB-Aufsichtsratschef vorgesehen. Er soll Kollmann ersetzen.
Und sonst? Dem Vernehmen nach wird nach einem dritten Vorstandsmitglied gesucht, auf ein viertes wird verzichtet. Und zu dieser Nummer drei hat Gerhard Roiss recht konkrete Vorstellungen: Es soll ein Experte aus der Strombranche sein. Und jemand, der politisch nicht punziert ist. Ein so genannter Nullgruppler also. Jemand, der das Zeug dazu hat, Wolfgang Anzengruber in zwei Jahren als Vorstandsvorsitzender nachzufolgen.
Das wird spannend. Mit der Entscheidung wird jedenfalls ein gut gehütetes Geheimnis gelüftet. Nämlich: Was so alles passieren kann, wenn sich die Republik personalpolitisch raushält.