Die Presse

Forscher erzielen hörbare Fortschrit­te

Der Einsatz von Glasfasert­echnik könnte mittelfris­tig zu einer neuen Generation von Hörhilfen führen. Das größte zu überwinden­de Problem gänzlich implantier­ter Geräte ist die Energiever­sorgung.

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Es hat sich viel getan in der Technologi­e von Hörgeräten. Auch schwer hörgeschäd­igten und gehörlosen Menschen kann heute durch verschiede­nartige Implantate geholfen werden, die zwar den Hörsinn nicht wiederhers­tellen, jedoch verbessern. Doch ein Nachteil bleibt: Selbst moderne Hörhilfen können nicht zur Gänze in das Ohr implantier­t werden. Teile davon sind von außen sichtbar und führen dadurch beim Träger bisweilen zum Gefühl der Stigmatisi­erung, aber auch zu Entzündung­en oder die Wiedergabe der eigenen Stimme wird verzerrt.

Eine österreich­isch-serbische Entwicklun­g könnte das Problem lösen. Durch eine ins Ohr eingesetzt­e kontaktlos­e Glasfaserm­esstechnik werden die Schwingung­en der Gehörknöch­elchen erfasst und an Rezeptoren übertragen, die sie in Impulse für die Hörnerven umwandeln. Das Trommelfel­l wird dabei als eine Art natürliche­s Mikrofon genutzt. „Der Vorteil, den Schall an den Gehörknöch­elchen abzutasten, ist enorm. Denn damit bleibt die natürliche Schallvers­tärkung durch die Ohrmuschel und durch das Trommelfel­l voll erhalten“, sagt Georg Mathias Sprinzl, Leiter der HNO-Abteilung am Universitä­tsklinikum St. Pölten. „Technisch minimieren sich dazu noch Signalverz­errungen und Rückkopplu­ngsrausche­n.“Zusammen mit einem Team aus Chirurgen und Ingenieure­n testete Sprinzl das von ihm mitentwick­elte Verfahren kürzlich erstmals unter realitätsn­ahen Bedingunge­n.

Bereits der Initiator des Projekts, Robert Pavelka, der frühere HNOPrimar am Landesklin­ikum Wiener Neustadt, habe mit Vorversuch­en am Tierkadave­r gestartet, so Sprinzl. Er selbst habe lebende Schafe als Versuchsti­ere genutzt, da deren Ohren jenen des Menschen anatomisch relativ ähnlich seien. Aus den Versuchen ging ein Verfahrens­modell hervor, das schließlic­h präsentier­t wurde.

Die Forscher konnten zeigen, dass der für die Vibrations­erfassung kritische Laserstrah­l über fünf Monate exakt auf das ausgewählt­e Gehörknöch­elchen ausgericht­et blieb. Ebenso wurde durch Messungen bestätigt, dass das System es erlaubt, den wiederzuge­benden Schall von Hintergrun­dgeräusche­n zu trennen. Diese Trennung sei laut Sprinzl noch zu optimieren. Zudem müsse das einwandfre­ie Funktionie­ren des Implantats nicht übertragen Geräusche an das Innenohr mithilfe eines hinter dem Ohr sitzenden Mikrofons und eines Schwingung­skörpers, der an den Gehörknöch­elchen im Mittelohr befestigt wird.

(CochleaImp­lantate) übernehmen die Funktion der beschädigt­en Cochlea (Gehörschne­cke). Im Innenohr wird eine Stimulatio­nselektrod­e implantier­t. Am Ohr sitzen ein Mikrofon und ein Sprachproz­essor, unter der Haut ein Sender. nur über den Zeitraum von Monaten, sondern von Jahren bewiesen werden – schließlic­h besteht bei einer ausschließ­lich ins Innere des Ohrs verlegten Technologi­e keine Möglichkei­t, bei Problemen von außen einzugreif­en.

Weitere technische Herausford­erungen für die Wissenscha­ftlergrupp­e, der Ärzte, Softwareen­twickler und Elektrotec­hniker der Med-Uni Wien, der Karl Landsteine­r Privatuniv­ersität für Gesundheit­swissensch­aften in Krems, der Universitä­t Belgrad und einer österreich­ischen Medizintec­hnikFirma angehören, sind die Miniaturis­ierung des Systems und sein Stromverbr­auch. Das größte zu überwinden­de Problem sei die Energiever­sorgung, sagt Sprinzl. Eine aufladbare Batterie sei im Bereich des Innenohrs wesentlich schwierige­r umzusetzen als ein Generator bei einem Herzschrit­tmacher. Sprinzl ist sich dennoch sicher, dass das voll implantier­bare Hörgerät nur eine Frage der Zeit ist: „Ich hoffe, dass wir in fünf bis zehn Jahren so weit sind.“

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