Die Presse

Baugrund im Wiener Umland ist rar und teuer

Fast wie die Stecknadel im Heuhaufen: Bebaubare Flächen in der Nähe von Wien sind schwer zu finden, werden aber intensiv gesucht. Das treibt die Preise in die Höhe.

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Ein eigener Garten, die intakte Natur vor der Haustür – ein Traum, der in Wien für die meisten nur schwer finanzier- und somit realisierb­ar ist. Aber nicht nur der Wunsch nach dem Einfamilie­nhaus im Grünen führt dazu, dass so mancher der Großstadt den Rücken kehrt. „Seit zwei, drei Jahren wird der Zuzug in die Umlandgeme­inden durch die starke Preisentwi­cklung in Wien noch mehr forciert“, sagt S-Real-Geschäftsf­ührer Michael Pisecky. Wohnungen in Wien seien mittlerwei­le so teuer, dass man sich um diesen Preis bereits ein Haus in Niederöste­rreich oder im Nordburgen­land leisten könne.

Die Folge: Der Speckgürte­l rund um die Bundeshaup­tstadt wächst und gedeiht. Rund 40 Kilometer reiche er mittlerwei­le nach Niederöste­rreich hinein, sagt Richard Fetscher von Remax Donau City Immobi- lien. Selbst Tulln und St. Pölten zählen nach Ansicht der Experten mittlerwei­le dazu. Die niederöste­rreichisch­e Landeshaup­tstadt sei sogar der „schlummern­de Riese im Speckgürte­l“, so Pisecky, der dort für die nächste Zeit das größte Potenzial sieht. „Man kann auf drei Autobahnen nach Wien fahren, hat Bahn und S-Bahn. Außerdem sind Krems und die Berge in der Nähe“, sagt der S RealChef. Abgesehen davon seien Grundstück­e noch relativ günstig – und im Gegensatz zu anderen Umlandgeme­inden auch vorhanden. „Es gibt Hunderte Hektar gewidmete Baugründe“, sagt Pisecky.

Denn ganz so leicht sind mittlerwei­le auch im Wiener Speckgürte­l bebaubare Flächen nicht mehr zu finden. Laut Pisecky sind solche etwa in Perchtolds­dorf oder Klosterneu­burg kaum mehr verfügbar. Dementspre­chend hoch sind die Kosten: Quadratmet­er- preise von 1000 Euro und mehr sind, sofern doch ein Grundstück auf den Markt kommt, in diesen Gemeinden keine Seltenheit. Auch in Richtung Baden sei das Angebot knapp und die Nachfrage groß. „Wer ein Grundstück zu attraktive­n Preisen kaufen will, der muss schon über Bad Vöslau hinaus oder ins Triesting- und Piestingta­l hineingehe­n“, weiß Pisecky. Und dafür Abstriche machen, etwa bei der Anbindung an den öffentlich­en Verkehr. Weniger ist mehr, gilt auch bei der Größe der Grundstück­e: Sollten diese früher 700 bis 800 Quadratmet­er groß sein, reichen heute 500 bis 600 Quadratmet­er. „Mehr können und wollen sich die Käufer nicht mehr leisten“, sagen die Experten unisono.

Mit einer größeren Auswahl an Grundstück­en und günstigere­n Preisen punktet im Vergleich zum Süden zumindest derzeit noch das Weinvierte­l. Heiße Pflaster sind beispielsw­eise Gemeinden wie Korneuburg oder Stockerau, aber auch jene entlang der A5. Das Marchfeld erfreut sich ebenfalls wachsender Beliebthei­t. Zwischen 150 und 300 Euro muss man laut Pisecky für einen Quadratmet­er Baugrund im Marchfeld berappen, ähnlich sind die Preise bis in die Gegend von Mistelbach. „In Ernstbrunn kann man mit Quadratmet­erpreisen von rund 100 Euro rechnen“, weiß Fetscher. In der Stadt Tulln wiederum schlage der Quadratmet­erpreis, so Fetscher, mit 300 bis 400 Euro zu Buche, im Tullnerfel­d mit 200 Euro.

Wenn auch diese Preise noch immer günstiger sind als jene in Wien, so haben sie doch deutlich zugelegt. „In den vergangene­n zehn Jahren haben sich die Preise in einem Umkreis von 30 Kilometern rund um Wien verdoppelt“, sagt Fetscher. Von einer Blase sei man dennoch weit entfernt. Dass die Preise weiter massiv anziehen, erwartet er nicht: „Wer soll sich das noch leisten können?“Bereits jetzt habe sich in manchen Gegenden der Aufwärtstr­end deutlich eingebrems­t.

Angesichts der Verknappun­g von Grundstück­en registrier­t Fetscher mittlerwei­le einen starken Trend: „Immer öfter werden Liegenscha­ften mit Altbestand gekauft.“Dieser werde abgerissen und durch ein neues Gebäude ersetzt. Es stehe nicht mehr der Quadratmet­erpreis im Fokus, sondern etwa die Frage, wie viele Quadratmet­er man auf diesem Grundstück verbauen könne. Das sei ein Thema, das vor allem Bauträger beschäftig­e. Denn auch diese sind im Speckgürte­l auf der Suche nach Grundstück­en und haben oft die Nase vorn. „Sie können bessere Preise zahlen als Private, weil sie mehr auf das Grundstück hinbauen können“, sagt Fetscher.

Angesichts der Zersiedelu­ng, die nicht nur zu hohem Grundverbr­auch, sondern auch zu steigenden Infrastruk­turkosten für die Gemeinden führt, übt Pisecky Kritik an Raumordnun­g, Gemeinden und Wohnbauför­derung: „Die Parzellier­ung in Österreich ist ruinös.“Wesentlich sinnvoller wäre es, große Häuser in den Ortskernen zu parzellier­en und dort Wohnungen zu errichten. Damit würde nicht nur weniger Boden vergeudet, sondern es würden auch die oft leeren Ortskerne wiederbele­bt.

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