Wissen sammeln und singen
Premiere. Einst konnte sie sich fast nicht zwischen ihren vielen Interessen entscheiden. Heute ist Daniela Fally einer der heimischen Staatsopern-Stars.
Als sie es eines Tages so spät auf die Theaterwissenschaft schaffte, dass sie in der Vorlesung keinen Sitzplatz mehr bekam und im Kleid fürs anschließende Vorsingen auf dem Boden sitzen musste, war der Zeitpunkt gekommen, einen Schlussstrich zu ziehen. „Da hab ich mir gedacht, jetzt setz’ ich alles auf eine Karte und schau, wie weit ich komme.“
Bis dahin hatte Daniela Fally, damals 24, ihre Liebe zur Bühne und zum Wissen breit verfolgt, hatte Musical und Schauspiel, Operngesang und Publizistik, Theater-, Musik- und Politikwissenschaft studiert. Inzwischen zählt sie zu den österreichischen Stars der Wiener Staatsoper – wo sie heute Abend im „Freischütz“Premiere hat.
Der wird hier nicht nur neu inszeniert, sondern auch gleich neu gedeutet. Das müsse auch sein, „bei einer Oper, die aus einer Zeit stammt, als Gespenstergeschichten gerade en vogue waren“. So ist Max nun ein Künstler in der Schaffenskrise, die Figuren entspringen seiner Fantasie. Vieles des Ursprungsstoffs werde dadurch zur Symbolik. „Ein Mann, der der beste Schütze ist und plötzlich nicht mehr schießen kann, weil der Druck zu groß wird – das ist im übertragenen Sinn ja auch ein sehr aktuelles Thema.“Fally ist das Ännchen, ein Spielsopran, „was bedeutet, dass man meistens sehr viel läuft, springt, robbt. Das mit einer sauberen Gesangstechnik zu kombinieren, das ist die Herausforderung.“
Dabei ist Fally eine, der auch Bewegung liegt – ihre Karriere gründet nicht zuletzt auf einer Fiakermilli an der Staatsoper, wo sie nicht nur mit Koloraturen, sondern auch mit einem Spagat begeisterte. Da gibt es auch die schöne Anekdote, dass ihr Agent sie Ioan Holender für ebendiese Neuproduktion der „Arabella“vorschlagen wollte. Er wurde mit der Aussage vertröstet, man müsse noch warten, denn Franz Welser-Möst hätte da jemanden in Bad Ischl gehört. Er glaube zwar nicht wirklich an die Sache, aber man könne ihn nicht übergehen. Die Sängerin war – Daniela Fally.
Aufgewachsen im niederösterreichischen Pottenstein, brannte sie immer schon für die Bühne. „Das hat im Nachbarort begonnen, wo Felix Dvorak Theater gespielt hat.“Dort, in Berndorf, wurde sie mit 17 vorstellig. Motto: „Ich weiß zwar nicht, was ich tun kann, aber ich will mitarbeiten.“Etwas, was sie jedem empfehlen würde, der etwas erreichen will: „Einfach anklopfen und sagen, was man will.“
In eine Familie ohne einschlägige Vorbildung geboren, ist Fally auch ein „Musikschulkind“. Mit 15 nahm sie Gesangsunterricht, man bemerkte „kein besonders großes, aber ein gewisses Talent“. Neben der Schule schrieb sie bei den „Niederösterreichischen Nachrichten“. In ihren Uni-Jah- ren schlief sie wenig. „Von sechs bis 22 Uhr ist es durchgegangen. Die größte Schwierigkeit war, die verschiedenen Institute abzugrasen.“Vorlesung auf der Politikwissenschaft, drei Stunden Musicaltanzen, auf die Publizistik, zum Schauspiel. „Aber ich habe es so genossen. Ich war erfüllt vom Tun.“
Irgendwann war klar, dass ihre Stimme in die Klassikwelt gehört. Das Schauspielen, den Film will sie für ihre Zukunft dennoch nicht ausschließen. „Ich finde den Weg eines Harald Serafin unglaublich spannend, der es als einer der ganz wenigen Sänger geschafft hat, auch als ernst zu nehmender Charakterdarsteller zu reüssieren. Wir von der Oper kommen einfach für nichts in der Richtung infrage. Jeder Schauspieler darf sofort Musical singen, ob er’s kann oder nicht, jeder Schauspieler darf Oper inszenieren.“
Das kann natürlich auch gut gehen: Just unter der Regie eines Sprechtheaterpaars, Cornelius Obonya und Carolin Pienkos, feierte sie im Jänner ihr Debüt an der Scala – in der „Fledermaus“, die zum ersten Mal überhaupt in Mailand aufgeführt wurde. Eine Aufgabe voller Verantwortung, wie sie fin-
wurde 1980 in Pottenstein geboren und kam über Schauspiel und Musical zur Oper. Als Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper hat sie heute Abend in der Neuinszenierung des „Freischütz“Premiere. Am 14. Juli gestaltet sie in Grafenegg mit dem Tonkünstler-Orchester den Soloabend „Die Welt im Dreivierteltakt“. Im Herbst singt sie die Zerbinetta in Wien, unter Christian Thielemann in einer Neuproduktion an der Semperoper und unter Franz Welser-Möst konzertant in Cleveland. det. Überhaupt ist sie eine Verfechterin von Traditionswissen. „Es ist wichtig, musikalisch, szenisch, kompositorisch und über den Autor Bescheid zu wissen. Nur so kann man sich, wenn man will, auch davon lösen.“
Lang recherchierte sie akribisch, als Mutter einer Zweijährigen begnügt sie sich heute mit guten Lexika und dem Wissen „der wunderbaren Dramaturgen am Haus“. So sei es etwa nicht von Schaden, Briefe von Carl Maria von Weber gelesen zu haben, „um zu wissen, wie er die Frauenfiguren konzipiert hat“. Ännchen habe dem Charakter seiner Frau entsprochen, Agathe seiner Mutter, „beide zusammen ergaben dann für ihn vielleicht die ideale Frau“. Die Partie hat sie vor einem Jahrzehnt in der Volksoper gesungen, im Vorjahr in einer konzertanten Version in Grafenegg. Dort gibt sie am 14. Juli ihr erstes Solokonzert, den walzerseligen Abend gestaltete sie selbst.
Nach Jahren mit einem Residenzvertrag – man verpflichtet sich für bestimmte Monate, ist den Rest der Zeit für andere Engagements frei – kehrt sie nun auch wieder regulär ins Ensemble der Staatsoper zurück. Sie sei ein Teamplayer und übernehme hier gern auch kleinere Rollen, statt ewig nur als Zerbinetta durch die Lande zu tingeln.
Dass sie doch nicht auf dem heurigen Opernball singen konnte, weil sie mit Grippe darniederlag, traf sie härter als gedacht. So, wie irgendwann an der Staatsoper zu singen, wäre auch das eine ihrer Visionen gewesen. Als Kind hatte sie Eva Lind im Fernsehen bei der Eröffnung gesehen, seither davon geträumt. „Damit hätte sich einfach ein Kreis geschlossen.“