Putin verhöhnt Europas Werte, Österreich lacht mit
Die Gastgeber in Wien sind beim Empfang von Russlands Präsidenten allen Problemen ausgewichen. Warum eigentlich?
Die Reputation Österreichs wurde von Armin Wolf gerettet. Von dem sonst eher peinlichen Besuch des Präsidenten Russlands, Wladimir Putin, in Wien wird am ehesten das kurz zuvor in Moskau aufgenommene Interview des ORF-Journalisten in Erinnerung bleiben.
Darin wurde Putin nämlich mit richtigen, das heißt kritischen Fragen konfrontiert, von denen er keine wirklich beantwortete, worauf der Interviewer den immer nervöser werdenden Präsidenten auch mehrmals hinwies. „Wenn Ihnen meine Antworten nicht gefallen, stellen Sie mir keine Fragen“, resümierte Putin schließlich, der keine Widerrede gewohnt ist.
Das Interview löste bei der kritischen (Internet-)Öffentlichkeit in Russland Begeisterung aus: Schon lange kann es sich kein russischer Journalist erlauben, mit dem Präsidenten so umzugehen. Die Vertreter der österreichischen Politik und Wirtschaft schienen dagegen bei dem Treffen mit Putin selbst in vorauseilender Gastfreundschaft jeglichen Problemen auszuweichen. Gesprochen wurde insbesondere von der „Normalisierung der Wirtschaftsbeziehungen“, sprich: der Aufhebung der EUSanktionen, wovon sich die Vertreter der österreichischen Wirtschaft (noch) bessere Geschäfte mit Russland versprechen.
Der Staat ist in Russland immer noch der bedeutendste „Unternehmer“, den man natürlich mit keinen unbequemen Wahrheiten verstimmen will. Und wenn sich Putin auf der Bühne der österreichischen Wirtschaftskammer (nicht zum ersten Mal) über manche grundlegende europäische Werte lustig macht, lacht die österreichische Seite vergnügt mit.
Anders Armin Wolf. Seine direkten Fragen und die oft ausweichenden Reaktionen Putins wurden in regimekritischen Kreisen in Russland dankbar und genau studiert. Ein russischer Journalist resümierte: „Putin ist ein Mensch, der es verlernt hat, die Wahrheit zu sagen.“Bescheiden wies der Präsident im Interview darauf hin, erst „am Beginn des Weges“zu stehen, weswegen er über vieles noch nicht sprechen wolle.
Doch Putin regiert seit fast 19 Jahren und hat dabei einen beachtlichen Weg zurückgelegt: der Föderalismus wurde zugunsten massiver Zentralisierung abgeschafft; die wichtigsten Bürgerrechte wie Meinungs- und Pressefreiheit sind drastisch eingeschränkt; Wahlen wurden zu einer Bestätigung längst getroffener Entscheidungen degradiert, die sowjetischen Prozeduren nicht unähnlich ist und mit einem fairen demokratischen politischen Wettbewerb nichts zu tun hat; und konsequent ist auch das Parlament nur ein Anhängsel der Präsidialadministration, das die im Kreml gefällten Entscheidungen einfach „abstempelt“.