Die Presse

Brasilien nur mit Mühe siegreich

Brasilien. Der teuerste Fußballer der Welt schoss beim 2:0 gegen Costa Rica sein erstes Tor bei dieser WM, er glänzte durch elegante Ballbehand­lung. Nur Schauspiel­einlagen trübten das Bild.

- Aus St. Petersburg berichtet CHRISTOPH GASTINGER BRASILIEN

Es war ein Sieg, doch die Tore für Brasilien gegen Costa Rica fielen in der Nachspielz­eit. Neymar schoss sein erstes Tor.

Brasilien hat nach dem Auftakt-Remis gegen die Schweiz sein zweites Spiel bei dieser Weltmeiste­rschaft gewonnen. Die Südamerika­ner siegten in St. Petersburg gegen Costa Rica mit 2:0, die Tore durch Coutinho (91.) und Neymar (97.) fielen aber erst in der Nachspielz­eit. Während Costa Rica, WM-Viertelfin­alist 2014, damit vorzeitig ausgeschie­den ist, hat Brasilien nun gute Chancen auf den Einzug ins Achtelfina­le.

Natürlich hatte sich auch bei diesem Spiel wieder alles auf Brasiliens Spieler mit der Nummer 10 konzentrie­rt. Neymar da Silva Santos Ju´nior, kurz Neymar, ist seit seinem Wechsel im August 2017 vom FC Barcelona zu Paris Saint-Germain mit 222 Millionen Euro Ablöse der teuerste Fußballer der Welt. Anschließe­nd wurde der Ballartist von der Öffentlich­keit aus einem etwas anderen Blickwinke­l betrachtet. Vom teuersten Spieler der Welt werden schließlic­h auch die spektakulä­rsten Tore und schönsten Vorlagen erwartet.

Kunststück­e und Schwalben

Schauplatz Sankt-Petersburg-Stadion, Freitagnac­hmittag, bestes Fußballwet­ter: Neymar ist in höherer Mission hier, in der zweitgrößt­en Stadt Russlands. Sankt Petersburg soll eine Zwischenst­ation auf dem Weg nach Moskau sein, dort steigt am 15. Juli nämlich das Finale dieser Endrunde. Und Neymar soll Brasilien zum ersten WMTitel seit 2002 führen. Der Rekordwelt­meister ist mit einer Reihe von Weltklasse­spielern ausgerückt, und dennoch hebt sich ein Einzelner aus diesem Kollektiv hervor.

Ein eleganter Außenristp­ass des Linksfußes wird von den Fans im Stadion mit einem lauten und lang gezogenen „Oooooh“quittiert, seine Ballbehand­lung ist für Zuseher ein Genuss. Neymar ist einer der wenigen Spieler, die es verstehen, aus Fußball Kunst zu machen. Dennoch, auch Artisten gelingt nicht jedes Kunststück, Pässen fehlt es an Präzision, Schüsse verfehlen ihr Ziel klar.

Neymar gefällt sich in seiner Rolle als Ausnahmekö­nner, weswegen er sich auf dem Platz nur allzu gern eine Sonderbeha­ndlung wünscht. Schiedsric­hter Björn Kuipers aus den Niederland­en erfüllt ihm diesen Wunsch im Spiel gegen eine kampfstark­e Elf aus Costa Rica nicht. Etliche Male signalisie­rt er dem auf dem Rasen kauernden Neymar, er solle aufstehen und weiterspie­len. Der Hang des Brasiliane­rs zum theatralis­chen Schauspiel ist auffällig, eine Parallele zu Portugals Cristiano Ronaldo. Viel zu selten gibt es für Schwalben und nicht enden wollende Reklamatio­nen eine Gelbe Karte. Neymar sieht sie in der 81. Minute wegen Ballwegsch­lagens viel zu spät.

Einmal aber überlistet der nimmermüde Neymar Herrn Kuipers an diesem Nachmittag dann doch. Nach einem vermeintli­chen Foul im Strafraum (Trikotzupf­en) entscheide­t der Unparteiis­che auf Strafstoß, um seine Entscheidu­ng wenige Augenblick­e später in der 79. Minute nach Sichtung der Videobilde­r zu revidieren. „No Foul. No Penalty.“Neymar blickt ungläubig auf einen der beiden überdimens­ionalen Videoscree­ns im Stadion, die das Urteil belegen.

Der lange Weg zur Legende

Nach einer enttäusche­nden ersten Halbzeit erhöht Brasilien in den zweiten 45 Minuten die Schlagzahl. Und doch verstärkt sich der Eindruck, dass das Glück der Selec¸ao˜ bedingungs­los an jenes von Neymar geknüpft ist. Bei praktisch jedem Angriff wird der 26-Jährige eingebunde­n, die Abhängigke­it ist unübersehb­ar. Späte Tore von Coutinho (91.) und eben Neymar (97.) sind Balsam für Brasiliens Fußballsee­le, die nach der Schmach der Heim-WM 2014 längst noch nicht geheilt ist.

Steigert sich Neymar im Turnierver­lauf, wird sich zwangsläuf­ig auch Brasilien steigern. Ein WMTitel würde für ihn vieles, nein: alles ändern. Denn noch wird der Edeltechni­ker in seiner Heimat nicht in einem Atemzug mit Ronaldo oder Romario´ genannt, der Vergleich mit Pele´ hinkt sowieso. Wer in Brasilien keinen Weltmeiste­rtitel vorzuweise­n hat, dem fehlt das Allerwicht­igste. Der hat nichts gewonnen.

Auch ist es Neymars Persönlich­keit, die die Fangemeins­chaft spaltet. Arrogant und überheblic­h wirkt der Ballkünstl­er aus Mogi das Cruzes mitunter. Bruno, ein brasiliani­scher Fan, sagt: „An Ronaldo haben die Leute auch seine menschlich­e Seite geliebt. Neymar muss die Herzen erst erobern.“Tore sind also nur der Anfang.

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[ AFP ] Und dann war es doch noch soweit: Neymars erster Treffer bei der WM 2018.

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