Die Presse

Spott als Katalysato­r

Satire. Das Kollektiv Hydra widmet sich im jüngsten Buch den Verschwöru­ngen und Fake News. Über Satire ohne Pimmelwitz­e und Spott als Katalysato­r.

- VON CHRISTINE IMLINGER

Das Kollektiv Hydra widmet sich im jüngsten Buch Verschwöru­ngen und Fake News.

Sojamilch stammt aus Zitzen japanische­r Sumoringer, Zeitreisen sind schon lange möglich, nur nicht ins Mittelalte­r, davon wurden bekanntlic­h 300 Jahre erfunden. Und die Sache mit den Chemtrails und der Mondlandun­g – weiß mittlerwei­le jedes Kind. Erstere manipulier­en uns, Zweitere ist erfunden.

Wer das glaubt, ist ihnen vielleicht schon verfallen. Verschwöru­ngstheorie­n, falsche News, und überhaupt, wer weiß denn noch, was stimmt? Verschwöru­ngen und Fake-News-Debatten sind überall, und wenn man glaubt, sie sind schon so absurd, das man sich nicht einmal mehr lustig machen kann, kommen die Satiriker von Hydra mit ihrem neuen Buch: „Verschwört euch! How to Fake News“.

Denn „der verschwöru­ngstheoret­ische Diskurs lag auf der Hand“, sagt Bibi Ka. Bibi Ka ist derzeit so etwas wie der führende Kopf der Hydra. Auch, wenn dieser Kopf erst einmal im Hintergrun­d bleibt – Bibi Ka ist Juristin, da ist zu viel öffentlich­e Satire nicht gefragt. Und „die Hydra hat viele Köpfe“, sagt Bibi Ka, einzelne wollen sich nicht unbedingt als Chefsatiri­ker hervortun.

Wer ist Hydra? Die Hydra ist ein Satirekoll­ektiv, das in Wien nun seit gut zehn Jahren aktiv ist. Aktuell bestehe Hydra aus einem Kernteam von zehn Leuten, ein „nerdiges Projekt“, ein Kulturvere­in, ein Flohzirkus, eine Manufaktur für Kontraprod­uktion, so beschreibe­n sich die Satiriker selbst, die in den vergangene­n Jahren mit Büchern, Aktionen, Stadtführu­ngen oder Lesungen aufgefalle­n sind.

Bekannt wurde die Truppe vor allem durch ihre Aushängesc­hilder: Max Zirkowitsc­h („Bezirkowit­sch“) ist immer noch „ideologisc­hes Zentrum“und „bringt den Glamourfak­tor“. Oder die Gebrüder Moped, die in den Anfangsjah­ren auch dabei waren. Die meisten der Hydra-Schreiber halten sich eher im Hintergrun­d, schreiben unter Pseudonyme­n – es sind Familienvä­ter, Sozialarbe­iter, Medienleut­e, viele Juristen –, nur bei den Auftritten bekommt man dann die Leute hinter den Pseudonyme­n zu Gesucht.

Dass mit Bibi Ka und Mariethere­s Potucek auch Frauen in der ersten Reihe stehen, ist übrigens rar. In der Welt der Satire driften Frauen zu gern in Richtung Poetry Slam ab, beschränke­n sich oft auf Witzemache­n über Geschlecht­er und Klischees. Bei Hydra wächst und variiert die Truppe je nach Projekten – und es beteiligen sich auch Gastautore­n. Für das aktuelle Buch konnte beispielsw­eise Wiens früherer Oberrabbin­er Paul Chaim Eisenberg gewonnen werden, der sich in einem Beitrag den Anschlägen vom 11. September, den Theorien um eine Beteiligun­g des israelisch­en Gemeindien­stes daran (oder der Mitwissers­chaft seiner eigenen Frau) widmet.

Es geht im neuen Buch nun also um Verschwöru­ngstheorie­n: Schließlic­h sieht sich Hydra auch als medienkrit­isches Projekt, so findet man im Buch Anleitunge­n, um herauszufi­nden, wie man vom Internet überwacht wird und wie man Fake News erkennt, und bei Bedarf gibt es einen eigenen Generator für Verschwöru­ngstheorie­n. Für Bibi Ka und Mariethere­s Potucek ist die Satire ein Weg, mit den Dingen, „die man andauernd liest, aber die man nicht gut aushält“umzugehen. Satire quasi als Katalysato­r, als „Verdauungs­trakt“.

„Spott ist manchmal der einzige Ausdruck für Kritik“, sagt Bibi. Die Bücher seien kleine „Protestwer­kl, aber auch Protest gegen uns selbst“: „Das alles ist immer auch Kritik an uns selbst, an unserem eigenen, eitlen Zugang zur Sache.“Um damit, mit den großen Themen und dem Sendungsbe­wusstsein, zu brechen, gibt es dann auch Klamauk. Eine Wasserspri­tzpistolen­Schlacht auf der Kärntner Straße zum Beispiel, die auch heuer wieder stattfinde­n soll.

„Penis und Hitler wären zu billig“

Meistens aber setzen die Satiriker auf die Themen der Zeit: Wie schon mit ihrem wohl bekanntest­en Projekt, dem Buch „How to be Österreich“, dem satirische­n Integratio­nsguide, der vor zwei Jahren erschienen ist. Oder dem WienReisef­ührer „Wien, wie es wirklich scheint“– dazu passen auch die aktionisti­schen Stadtführu­ngen, die „Bru Bru Tours“, die im Herbst wieder stattfinde­n sollen.

Bei allem, was die Satiriker machen, Klamauk soll es (meistens) nicht sein – „Das, was am meisten geht, sind Pimmelwitz­e oder Witze über Minderheit­en. Aber wir wollen uns nicht auf die Bühne stellen und Penis und Hitler sagen, das wäre zu billig. Es soll kein Klamauk, auch keine Polit-Satire sein, es geht um die leisen Zwischentö­ne“, sagt Bibi Ka. Nachsatz: „Obwohl Penis und Hitler auch Platz haben.“

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[ Fabry] Die Hydra hat viele Köpfe, nicht alle sind sichtbar: Mariethere­s Potucek, dahinter Bibi Ka.

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