Am Sonntag müssen Antworten auf drei rechtliche und politische Probleme gefunden werden.
Asylgipfel.
Wenn am morgigen Sonntag in Brüssel das Sondertreffen zur Migrationskrise stattfindet, steht viel auf dem Spiel für die Europäische Union. Schaffen es die Teilnehmer nicht, sich wenigstens auf einen Minimalkompromiss zu einigen, dürften alle Hoffnungen auf einen gemeinsamen Beschluss der 28 beim regulären Europäischen Rat Ende kommender Woche begraben sein. Der Regierungssprecher Frankreichs warnte am Freitag gar vor einer „endgültigen Auflösung Europas“. Für Deutschlands Kanzlerin, Angela Merkel, tickt zudem die innenpolitische Uhr: Unionspartner CSU will in Ermangelung einer europäischen Lösung Anfang Juli damit beginnen, Flüchtlinge, die bereits in einem anderen EU-Land registriert wurden, abzuweisen. Ein Koalitionsbruch und das Ende von Merkels Kanzlerschaft drohen.
Welche Lösungsvorschläge im jahrelangen Streit um Flüchtlingsaufteilung, Grenzschutz und Resettlement werden in den kommenden Tagen diskutiert – und was hat Aussicht auf Erfolg? „Die Presse“bringt eine Übersicht.
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Dieser Vorschlag ist nicht neu, findet mittlerweile aber Zustimmung in den meisten Mitgliedstaaten – wenn auch in unterschiedlicher Form. Schon 2014 – also vor der großen Fluchtwelle – gab es die Idee für sogenannte Registrierzentren in Nordafrika, um gefährliche Reisen über das Mittelmeer zu unterbinden. Damals fand sich in der EU keine Mehrheit für dieses Vorhaben. Heute ist die Lage anders: Frankreich, Italien, Deutschland und andere EU-Länder begrüßen die Vorstellung, dass Migranten ihren Asylantrag außerhalb Europas stellen – und nur jene in die Union einreisen dürfen, die einen positi- ven Bescheid erhalten. Doch es gibt rechtliche Bedenken, weil Flüchtlinge in den Hotspots – anders als in der EU – nicht die Möglichkeit hätten, Einspruch gegen einen negativ beschiedenen Antrag einzulegen. Hinzu kommt die Frage, wohin jene Menschen verbracht werden sollen, deren Schutzbedürftigkeit nachgewiesen wird. Ein EU-internes Verteilungssystem ist am Unwillen mehrerer Mitgliedstaaten gescheitert, Flüchtlinge aufzunehmen – und die Wahrscheinlichkeit für eine Einigung auf eine Flüchtlingsquote geht gegen null.
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) schmiedet deshalb mit einer kleinen Gruppe anderer EU-Mitglieder an einem Plan zur Errichtung von Abschiebelagern in den Balkanländern. Dort sollen erst gar keine Asylanträge gestellt werden können, weil dann laut Regierung die Gefahr einer Sogwirkung bestünde. Stattdessen sollen die Menschen von hier aus in ihre Herkunftsländer zurückgebracht werden. Merkel wird beim Asyl-Minigipfel für eine Einschränkung der Sekundärmigration – also der Weiterreise von bereits registrierten Asylwerbern eintreten. Das ist eine zentrale Forderung der CSU, die rechtlich wie politisch allerdings schwer umzusetzen ist. Rechtlich, weil Asylwerber nach gängigem Recht nicht einfach an der Grenze abgewiesen werden können. Dies ist mit der bestehenden Dublin-Verordnung und der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) unvereinbar. Selbst wenn die eigens eingerichtete Eurodac-Datenbank für Fingerabdrücke aufzeigt, dass ein Migrant bereits in einem anderen Land einen Asylantrag gestellt hat, muss zuerst ein Überstellungsverfahren abgewickelt werden. In der Dublin-Verordnung ist auch vorgesehen, dass jenes Land für ein Asylverfahren zuständig sein kann, in dem der Migrant bereits Verwandte hat. Um all das zu ändern, muss die vorbereitete Dublin-Reform abgeschlossen werden. Sie würde die Weiterreise einschränken, in dem etwa Sozialleistungen nur noch in dem für den Asylantrag zuständigen Staat ausbezahlt werden. Merkel hat angekündigt, dass sie diese stockende Reform mit bilateralen Abkommen umgehen möchte. Aber politisch ist das wenig realistisch: Ein kompletter Stopp für die Weiterreise von Asylwerbern an der deutschen Grenze würde Länder wie Italien oder Österreich stärker als bisher belasten. Rom hat bereits Widerstand angekündigt. Ein Ausweg wäre eine finanzielle Entschädigung für die Erstaufnahmeländer und/oder eine regulierte Aufnahme von einer beschränkten Zahl an Asylwerbern direkt aus Südeuropa.
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Einigkeit gibt es über den raschen Aufbau einer 10.000 Beamte zählenden Grenzschutztruppe unter Leitung der EU-Grenzschutzagentur Frontex. Damit diese Einsatz- kräfte aber ihre Kontrollen effizient durchführen können, müssen sie ähnliche Kompetenzen erhalten wie nationale Grenzpolizisten. Dagegen haben sich einzelne EU-Regierungen lange gestemmt. Nun wächst die Bereitschaft für ein stärkeres Mandat. Das derzeitige Problem ist nämlich, dass Frontex lediglich nationale Grenzbeamte unterstützt. Die EU-Beamten dürfen weder Asylanträge kontrollieren, noch Migranten ohne Verfahren in ein Herkunfts- oder Transitland zurückbringen. Werden sie zur Hilfe geholt, dürfen sie die im Mittelmeer geretteten Bootsflüchtlinge lediglich in den Hafen jenes Landes bringen, mit dem sie kooperieren. Für eine Änderung müsste Frontex oder das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) das Recht erhalten, Asylfälle zu prüfen. Dies bedingt aber wiederum eine Einigung darüber, welches EU-Land anschließend für die Aufnahme dieser Flüchtlinge zuständig ist. Ohne Verteilungsschlüssel oder großzügige Kontingente ist auch das nicht umsetzbar.