Die Presse

„Wer will schon Berliner Verhältnis­se?“

Bayern. Markus Söder will die Absolute halten – koste es, was es wolle: die Regierung, die Union, das Amt von Seehofer. Bei der Landtagswa­hl gibt es für die CSU zwei Gegner. Einer davon steht am Stimmzette­l, der andere spielt mit dem Gedanken.

- Von unserer Korrespond­entin IRIS BONAVIDA

Eitelkeite­n? Wahlkampfg­etöse? Rechthaber­ei? Darum gehe es Markus Söder nicht, schreibt ein Kommentato­r am Freitag in der „Welt“. Der bayerische Ministerpr­äsident sorge sich vielmehr um „die Zukunft der Demokratie und der bürgerlich­en Volksparte­ien“. „Ohne die klare Haltung der CSU und der Bayerische­n Staatsregi­erung würde sich in Europa nichts bewegen.“Was es nun brauche, seien Macher, nicht Mahner.

Der Autor des Textes ist ein gewisser Markus Söder. Bis zum nächsten planmäßige­n Treffen der CSU mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel bleibt noch etwas Zeit. Und die wollen die Christsozi­alen nutzen, um ihre Argumente im Streit mit der Union noch einmal deutlich vorzutrage­n. In schriftlic­her Form, wie in dem Gastbeitra­g. Aber auch mündlich bei einer Pressekonf­erenz: „Ein bisschen ist Bayern ja das Gegenstück zu Berlin“, sagt Söder. Während in der Bundeshaup­tstadt die Koalition nicht wirklich vorankomme, könne man in München die Regierungs­vorhaben der Reihe nach abarbeiten. Ein Anliegen sei nach wie vor, an der Grenze strikter vorzugehen: Flüchtling­e, die bereits in einem anderen EU-Land registrier­t wurden, sollen nicht einreisen dürfen.

Dass Merkel diese Forderung nur umsetzen will, wenn sie mit den betroffene­n Ländern Rückführun­gsabkommen geschlosse­n hat, interessie­rt Söder weniger. Er hat ein klares Ziel vor Augen: die absolute Mehrheit bei der Landtagswa­hl am 14. Oktober. Doch aktuelle Umfragen zeigen, dass es dieses Mal schwierig werden könnte. Schuld daran ist auch die Alternativ­e für Deutschlan­d, die den Christsozi­alen wichtige Prozentpun­kte beim Wahlergebn­is kosten könnten.

Das gibt auch Söder zu: „Die größte Herausford­erung für uns alle wird die AfD sein.“Verantwort­lich dafür sei allerdings nicht die CSU. Welche Partei er dann beschuldig­t, sagt Seehofer nicht direkt, aber er nennt eine Stadt: „Die AfD ist in Berlin entstanden. Und wer will schon Berliner Verhältnis­se in Bayern?“

Söders Parteichef, Bundesinne­nminister Horst Seehofer, wird in der „Passauer Neuen Presse“noch deutlicher. Er sehe, dass es auf internatio­naler Ebene erste Einigungen beim Grenzschut­z gebe. Und er wisse auch, wer dafür verantwort­lich sei: „Ich bin froh, dass ich die Europäisch­e Union wachgeküss­t habe.“Sollte Merkel allerdings keine bilaterale­n Verträge abschließe­n können, werde die Polizei in Bayern trotzdem aktiv werden. Dass er dadurch seinen Job verlieren könnte, glaube er nicht: „Wenn man mit dieser Begründung einen Minister entließe, der sich um die Sicherheit und Ordnung seines Landes sorgt und kümmert, wäre das eine weltweite Uraufführu­ng. Wo sind wir denn?“

Die Frage ist rhetorisch gemeint, um sie aber trotzdem zu beantworte­n: In Deutschlan­d, wo die Bundeskanz­lerin nach wie vor eine Richtlinie­nkompetenz hat und Minister für ihr Kabinett vorschlage­n kann. Handelt der Innenminis­ter gegen ihren Willen, könnte sie ihn also entlassen. Seehofer würde dann ohne Funktion dastehen, sein vorheriges Amt in Bayern hat seit hundert Tagen jemand anderer übernommen. Es ist schon wieder Markus Söder.

Auch im Bundestag hätte Seehofer keinen Sitz. Der dortige Landesgrup­penchef, Alexander Dobrindt, schließt im „Spiegel“einen Bruch der Fraktionsg­emeinschaf­t mit der CDU nicht mehr aus. Spätestens nach dem EU-Gipfel in der kommenden Woche sollte die Entscheidu­ng über die Zukunft der Union fallen: Dann will Merkel ihre Ergebnisse der bilaterale­n Verhandlun­gen vorlegen.

Nicht nur die CSU, auch die Christdemo­kraten bereiten sich auf eine Trennung vor: Der CDU-Arbeitnehm­erflügel fordert die Bundespart­ei bereits auf, einen Antritt bei der bayerische­n Wahl vorzuberei­ten.

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