„Wollte nie einen generellen Zwölf-Stunden-Tag“
Arbeitszeit. Wirtschaftskammerpräsident Mahrer sieht den Rückzieher der Regierung nicht als Niederlage für die Arbeitgeber, hält nichts vom Abtausch in der Sozialpartnerschaft und gibt ÖGB-Chef Katzian „maximale Vorschusslorbeeren“.
Die Presse: Wie sehr enttäuscht es Sie, dass es den Zwölf-StundenArbeitstag doch nur freiwillig geben soll und er nicht vom Unternehmer verordnet werden kann? Harald Mahrer: Ich lehne Zwang ab. Es gibt Diskussionen über die Bestimmung „überwiegend persönliche Gründe“, aus denen ein Arbeitnehmer eine elfte und zwölfte Arbeitsstunde ablehnen kann. Das lässt Interpretationsspielraum offen. Wenn es nun durch das Streichen des Wortes „überwiegend“klare Rechtssicherheit sowohl für die Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber gibt, dann ist das sehr gut.
Das bedeutet aber, dass die Ausweitung der Arbeitszeit den Unternehmen wenig bringt. Im Gegenteil – wir wollten nie einen generellen Zwölf-StundenArbeitstag und nie jemanden zum längeren Arbeiten zwingen. Das entspricht nicht der betrieblichen Realität. Beabsichtigt ist, ein modernes und zeitgemäßes Arbeitszeitsystem zu schaffen, das auch den Wünschen der Arbeitnehmer entspricht. Die Debatte darüber ist aber extrem politisch motiviert und wird sehr polemisch geführt.
Zum ersten Mal ist so eine umfangreiche Materie nicht über die Sozialpartner verhandelt worden, sondern kam per Initiativantrag von der Regierung. Ist das ein Zeichen für den Anfang vom Ende der Sozialpartnerschaft? Ich darf daran erinnern, dass die Angleichung der Rechte von Arbeitern und Angestellten vergangenes Jahr vor der Nationalratswahl im Parlament von drei Parteien beschlossen wurde (SPÖ, Grüne und FPÖ, Anm.). Diese Vorgangsweise ist also nicht neu und mit Sicherheit auch nicht das Ende der Sozialpartnerschaft. Es wird jetzt im Parlament gemacht, weil die Sozialpartnerschaft in der Frage viele Jahre lang keine Lösung zusammengebracht hat. Außerdem waren Wirtschaftskammer und Gewerkschaft vergangenes Jahr bei flexibleren Arbeitszeiten schon knapp vor einer Einigung, bevor sie die SPÖ aus wahltaktischen Gründen verhindert hat.
Wäre es nicht ein besserer Stil gewesen, hätte die neue Bundesregierung mit den Sozialpartnern gesprochen oder ihnen die Chance gegeben, eine Einigung zu finden? Die Sozialpartner hatten lang genug Zeit, die Frage zu lösen. Das haben sie nicht geschafft. Da darf niemand über die Vorgangsweise der Regierung überrascht sein.
Die Sozialpartner haben ja vergangenes Jahr über flexible Arbeitszeiten im Gegenzug zu 1500 Euro Mindestlohn verhandelt. Den Mindestlohn wird es bis 2020 geben, der Wirtschaft bleibt im Gegenzug – was? Das war damals ein einseitig gemachter Abschluss. Eine Paketlösung wäre möglich gewesen, aber die ist eben aus wahltaktischen Gründen gescheitert.
Aber Sie scheinen mit dem einseitigen Pakt leben zu können. Wir schauen ja auf ganz Österreich. Wir wollen jetzt eine vernünftige Arbeitszeitregelung schaffen, die man hoffentlich bald nüchtern und sachlich diskutieren kann. Ich würde gern generell diese Basar-Tausch-Mentalität hinter uns lassen. Das ist eine sehr einseitige Betrachtungsweise und lässt den Blick auf das große Ganze vermissen, den die Sozialpart- nerschaft eigentlich haben müsste.
Mit dem klassischen Abtausch hat die Sozialpartnerschaft jahrzehntelang gearbeitet und gut funktioniert. Aber das Abtauschen um des Abtauschens willen hat nichts verloren in einer Zeit, in der man sich große Ziele setzen muss, damit sich das Land positiv entwickeln kann. Das braucht eine andere Mentalität der Herangehensweise, es braucht eine Gemeinsamkeit. Einmal werden eben die Arbeitnehmer direkt profitieren, einmal indirekt über den Standort.
Sehen Sie diese Mentalität auch auf Ihrer Gegenseite bei der Arbeitnehmervertretung? Bei Wolfgang Katzian (neuer ÖGBChef, Anm.) weiß ich, dass er an das große Ganze denkt. Wir werden in den kommenden Wochen sehen, wie sehr seine Arbeit parteipolitisch geprägt ist. Ich hoffe, dass das nicht der Fall ist. Aber er bekommt von mir maximale Vorschusslorbeeren. Aber ist Katzian nicht ein Getriebener, wenn man ihm mehr oder weniger als Einstandsgeschenk als ÖGB-Chef einen Zwölf-Stunden-Tag – das absolute No-go der Gewerkschaft – auf den Tisch legt? Die Arbeitnehmervertreter haben immer propagandaartig Stimmung gegen den generellen ZwölfStunden-Tag gemacht, der aber gar nicht geplant ist und auch nicht kommt. Jetzt geht es nur noch darum, Stimmung zu machen. Bis heute hat mich kein Spitzen-Arbeitnehmervertreter persönlich angerufen, um über die Arbeitszeitregelung zu reden. Stattdessen gibt es permanente Angriffe und Attacken. Das ist eine massive Kampagnisierung gegen diese Bundesregierung.
Glauben Sie, dass es im Herbst Streiks geben wird? Man hat uns ja schon einen heißen Herbst bei den Tarifverhandlungen angekündigt. Die werden heuer sicher sehr spannend werden, aber ich sehe keine Grundlage für einen Streik. Wenn man die Emotionen runterfährt und sich die Causa nüchtern anschaut – es geht schlicht um eine vernünftige Arbeitszeitregelung. Es geht nicht um den Weltuntergang. Es gibt keinen Zwang.
Wie geht es dem Wirtschaftsstandort Österreich generell? Ihr Vorgänger Christoph Leitl hat ihn einmal als abgesandelt bezeichnet. Der Wirtschaftsstandort hat sich gut entwickelt, aber er hat sich im internationalen Wettbewerb nicht gut genug entwickelt. Wir haben Aufholbedarf und müssen an ein paar Rahmenbedingungen schrauben. Es geht um die Digitalisierung, um die Bildung – die Schul- und auch die Weiterbildung –, um mehr Qualifikation, um Entbürokratisierung, um Finanzierung der Unternehmen, um ein attraktiveres Steuern- und Abgabensystem und eben auch um eine bessere Arbeitszeitregelung.