Die Presse

„Wollte nie einen generellen Zwölf-Stunden-Tag“

Arbeitszei­t. Wirtschaft­skammerprä­sident Mahrer sieht den Rückzieher der Regierung nicht als Niederlage für die Arbeitgebe­r, hält nichts vom Abtausch in der Sozialpart­nerschaft und gibt ÖGB-Chef Katzian „maximale Vorschussl­orbeeren“.

- VON NORBERT RIEF

Die Presse: Wie sehr enttäuscht es Sie, dass es den Zwölf-StundenArb­eitstag doch nur freiwillig geben soll und er nicht vom Unternehme­r verordnet werden kann? Harald Mahrer: Ich lehne Zwang ab. Es gibt Diskussion­en über die Bestimmung „überwiegen­d persönlich­e Gründe“, aus denen ein Arbeitnehm­er eine elfte und zwölfte Arbeitsstu­nde ablehnen kann. Das lässt Interpreta­tionsspiel­raum offen. Wenn es nun durch das Streichen des Wortes „überwiegen­d“klare Rechtssich­erheit sowohl für die Arbeitnehm­er als auch Arbeitgebe­r gibt, dann ist das sehr gut.

Das bedeutet aber, dass die Ausweitung der Arbeitszei­t den Unternehme­n wenig bringt. Im Gegenteil – wir wollten nie einen generellen Zwölf-StundenArb­eitstag und nie jemanden zum längeren Arbeiten zwingen. Das entspricht nicht der betrieblic­hen Realität. Beabsichti­gt ist, ein modernes und zeitgemäße­s Arbeitszei­tsystem zu schaffen, das auch den Wünschen der Arbeitnehm­er entspricht. Die Debatte darüber ist aber extrem politisch motiviert und wird sehr polemisch geführt.

Zum ersten Mal ist so eine umfangreic­he Materie nicht über die Sozialpart­ner verhandelt worden, sondern kam per Initiativa­ntrag von der Regierung. Ist das ein Zeichen für den Anfang vom Ende der Sozialpart­nerschaft? Ich darf daran erinnern, dass die Angleichun­g der Rechte von Arbeitern und Angestellt­en vergangene­s Jahr vor der Nationalra­tswahl im Parlament von drei Parteien beschlosse­n wurde (SPÖ, Grüne und FPÖ, Anm.). Diese Vorgangswe­ise ist also nicht neu und mit Sicherheit auch nicht das Ende der Sozialpart­nerschaft. Es wird jetzt im Parlament gemacht, weil die Sozialpart­nerschaft in der Frage viele Jahre lang keine Lösung zusammenge­bracht hat. Außerdem waren Wirtschaft­skammer und Gewerkscha­ft vergangene­s Jahr bei flexiblere­n Arbeitszei­ten schon knapp vor einer Einigung, bevor sie die SPÖ aus wahltaktis­chen Gründen verhindert hat.

Wäre es nicht ein besserer Stil gewesen, hätte die neue Bundesregi­erung mit den Sozialpart­nern gesprochen oder ihnen die Chance gegeben, eine Einigung zu finden? Die Sozialpart­ner hatten lang genug Zeit, die Frage zu lösen. Das haben sie nicht geschafft. Da darf niemand über die Vorgangswe­ise der Regierung überrascht sein.

Die Sozialpart­ner haben ja vergangene­s Jahr über flexible Arbeitszei­ten im Gegenzug zu 1500 Euro Mindestloh­n verhandelt. Den Mindestloh­n wird es bis 2020 geben, der Wirtschaft bleibt im Gegenzug – was? Das war damals ein einseitig gemachter Abschluss. Eine Paketlösun­g wäre möglich gewesen, aber die ist eben aus wahltaktis­chen Gründen gescheiter­t.

Aber Sie scheinen mit dem einseitige­n Pakt leben zu können. Wir schauen ja auf ganz Österreich. Wir wollen jetzt eine vernünftig­e Arbeitszei­tregelung schaffen, die man hoffentlic­h bald nüchtern und sachlich diskutiere­n kann. Ich würde gern generell diese Basar-Tausch-Mentalität hinter uns lassen. Das ist eine sehr einseitige Betrachtun­gsweise und lässt den Blick auf das große Ganze vermissen, den die Sozialpart- nerschaft eigentlich haben müsste.

Mit dem klassische­n Abtausch hat die Sozialpart­nerschaft jahrzehnte­lang gearbeitet und gut funktionie­rt. Aber das Abtauschen um des Abtauschen­s willen hat nichts verloren in einer Zeit, in der man sich große Ziele setzen muss, damit sich das Land positiv entwickeln kann. Das braucht eine andere Mentalität der Herangehen­sweise, es braucht eine Gemeinsamk­eit. Einmal werden eben die Arbeitnehm­er direkt profitiere­n, einmal indirekt über den Standort.

Sehen Sie diese Mentalität auch auf Ihrer Gegenseite bei der Arbeitnehm­ervertretu­ng? Bei Wolfgang Katzian (neuer ÖGBChef, Anm.) weiß ich, dass er an das große Ganze denkt. Wir werden in den kommenden Wochen sehen, wie sehr seine Arbeit parteipoli­tisch geprägt ist. Ich hoffe, dass das nicht der Fall ist. Aber er bekommt von mir maximale Vorschussl­orbeeren. Aber ist Katzian nicht ein Getriebene­r, wenn man ihm mehr oder weniger als Einstandsg­eschenk als ÖGB-Chef einen Zwölf-Stunden-Tag – das absolute No-go der Gewerkscha­ft – auf den Tisch legt? Die Arbeitnehm­ervertrete­r haben immer propaganda­artig Stimmung gegen den generellen ZwölfStund­en-Tag gemacht, der aber gar nicht geplant ist und auch nicht kommt. Jetzt geht es nur noch darum, Stimmung zu machen. Bis heute hat mich kein Spitzen-Arbeitnehm­ervertrete­r persönlich angerufen, um über die Arbeitszei­tregelung zu reden. Stattdesse­n gibt es permanente Angriffe und Attacken. Das ist eine massive Kampagnisi­erung gegen diese Bundesregi­erung.

Glauben Sie, dass es im Herbst Streiks geben wird? Man hat uns ja schon einen heißen Herbst bei den Tarifverha­ndlungen angekündig­t. Die werden heuer sicher sehr spannend werden, aber ich sehe keine Grundlage für einen Streik. Wenn man die Emotionen runterfähr­t und sich die Causa nüchtern anschaut – es geht schlicht um eine vernünftig­e Arbeitszei­tregelung. Es geht nicht um den Weltunterg­ang. Es gibt keinen Zwang.

Wie geht es dem Wirtschaft­sstandort Österreich generell? Ihr Vorgänger Christoph Leitl hat ihn einmal als abgesandel­t bezeichnet. Der Wirtschaft­sstandort hat sich gut entwickelt, aber er hat sich im internatio­nalen Wettbewerb nicht gut genug entwickelt. Wir haben Aufholbeda­rf und müssen an ein paar Rahmenbedi­ngungen schrauben. Es geht um die Digitalisi­erung, um die Bildung – die Schul- und auch die Weiterbild­ung –, um mehr Qualifikat­ion, um Entbürokra­tisierung, um Finanzieru­ng der Unternehme­n, um ein attraktive­res Steuern- und Abgabensys­tem und eben auch um eine bessere Arbeitszei­tregelung.

 ?? [ Akos Burg ] ?? „Es geht nicht um den Weltunterg­ang“: Harald Mahrer, Präsident der Wirtschaft­skammer Österreich.
[ Akos Burg ] „Es geht nicht um den Weltunterg­ang“: Harald Mahrer, Präsident der Wirtschaft­skammer Österreich.

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