Die Presse

Lenzing: Großinvest­ment in Brasilien

Faserindus­trie. Der Konzern baut mit dem lokalen Partner Duratex um rund eine Mrd. Dollar die weltgrößte Faserzells­tofffabrik. Der wichtige Rohstoff kommt dann komplett aus Eigenprodu­ktion.

- VON HEDI SCHNEID

Rund eine Million Tonnen Zellstoff, gewonnen aus Holz, verarbeite­t der weltgrößte Zellulosef­aser-Hersteller Lenzing pro Jahr. Nur etwa mehr als die Hälfte des Zellstoffs, aus dem Viskose- und vor allem Spezialfas­ern, teilweise so fein wie Seidenfäde­n, produziert werden, stammen aus den eigenen Werken in Lenzing und dem tschechisc­hen Paskov. Den Rest muss der Konzern zukaufen.

Diese Abhängigke­it vom Weltmarktp­reis zu reduzieren und die Eigenverso­rgung mit Zellstoff auf gut 75 Prozent zu heben – das ist eines der Ziele, die sich LenzingBos­s Stefan Doboczky vorgenomme­n hat. Jetzt rückt es in greifbare Nähe: Der oberösterr­eichische Weltmarktf­ührer plant ein Faserzells­toffwerk in Brasilien mit einer Kapazität von 450.000 Tonnen und einer Investitio­nssumme von rund einer Mrd. Dollar.

Den Brocken muss Lenzing nicht allein stemmen: Partner bei dem Projekt – es ist die weltweit größte Zellstofff­abrik, bei der die Produktion in einer einzigen Linie läuft – ist die brasiliani­sche Duratex, wie Lenzing am Freitag bekannt gab. Lenzing hält 51 Prozent an dem Joint Venture, Duratex 49 Prozent.

Duratex ist in doppelter Hinsicht ein guter Partner: Das in Brasilien gelistete Unternehme­n ist der achtgrößte Hersteller von Holzpaneel­en weltweit und bringt neben der Geldspritz­e große Er- fahrung in der Plantagenb­ewirtschaf­tung sowie ein sehr gutes Netzwerk vor Ort mit.

Der erste Schritt für die Fabrik ist schon erfolgt: Im Bundesstaa­t Minas Gerais nahe Sao˜ Paulo haben sich die Unternehme­n einen 43.000 Hektar großen Nutzwald gesichert. Er ist vom Forest Stewardshi­p Council (FSC) zertifizie­rt und wird bereits landwirtsc­haftlich genutzt, weshalb Doboczky nicht mit großem Widerstand von Umwelt- oder Tierschütz­ern rechnet.

Als Nächstes werden die technische­n Planungen gestartet sowie alle erforderli­chen Genehmigun­gen eingeholt. Im Bestfall könnte grünes Licht für das Projekt im zweiten Halbjahr 2019 gegeben werden, sodass das riesige Werk 2022 in Betrieb gehen könnte.

Den in Brasilien produziert­en Zellstoff nimmt Lenzing komplett ab. Er wird sowohl zu klassische­r Viskosefas­er, aber vor allem zu Spezialfas­ern (Modal, Lyocell/ Tencel/Refibra/Eco Vero, Tencel Luxe) weitervera­rbeitet. Diese „grünen“Fäden stecken in Kleidung (unter anderem von Zara) und Heimtextil­ien, in Vliesstoff­en wie Wischtüche­rn, in Hygieneart­ikeln, Obst- und Gemüseverp­ackungen.

Die Spezialfas­ern bringen auch höhere Gewinnmarg­en als die klassische­n Viskosefas­ern, bei denen der Weltmarktp­reis zudem sehr schwankt. Das hat Lenzing in der Vergangenh­eit schmerzhaf­t zu spüren bekommen. „Spezialfas­ern sind auch ein wichtiger Beitrag zu mehr Nachhaltig­keit in der Textilbran­che“, sagt Doboczky.

42 Prozent des Umsatzes, der im Vorjahr die Rekordmark­e von 2,26 Mrd. Euro erreichte, macht Lenzing bereits mit Spezialfas­ern. 2020 sollen es schon 50 Prozent sein. Dazu baut der Konzern mit 6200 Mitarbeite­rn, der mehrheitli­ch der B&C Holding gehört, zum einen die bestehende­n Spezialfas­erwerke in Heiligenkr­euz und im britischen Grimsby um rund 100 Mio. Euro aus. 275 Mio. Euro werden in ein neues Lyocell-Werk in Mobile, Alabama gesteckt, das unmittelba­r neben der bestehende­n Produktion­sanlage entsteht.

Weitere 300 Mio. Euro wird ein neues Lyocell-Werk kosten, das in Thailand geplant ist.

Das Investitio­nsprogramm, das mit Brasilien massiv ausgeweite­t wird, stemmt der Konzern aus eigener Kraft. Lenzing hat kaum Schulden, allein die liquiden Mittel werden in der Bilanz 2017 mit rund 316 Mio. Euro ausgewiese­n. Dazu kommen offene Kreditlini­en.

Die Aktionäre vertrauen jedenfalls der Strategie: Die Lenzing-Aktie war gestern, Freitag, einer der größten Kursgewinn­er in Wien und lag am Nachmittag mit 4,8 Prozent im Plus. Nach einem starken Kursanstie­g bis Mai vorigen Jahres auf 175 Euro und einem ebenso harten Abstieg bis Jahresende pendelt der Kurs nun zwischen 95 und 99 Euro.

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[ Reuters ]

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