Die Presse

„Wir versuchen, Neandertal­erhirne zu erschaffen“

US-Forscher bauen in Minigehirn­e des Menschen Neandertal­ergene ein.

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Wie es in den Gehirnen von Neandertal­ern aussah, konnte man bisher nur indirekt erschließe­n, etwa aus ihren Werkzeugen oder aus den Mustern, die ihre Gehirne in den Schädeldec­ken hinterließ­en. Aber nun haben sich US-Forscher auf den Weg gemacht, Minigehirn­e von Neandertal­ern im Labor wachsen zu lassen: Organoide. Bei Menschen geht das seit einiger Zeit, die Gehirne wachsen zur Größe von Linsen heran, und manche werden nun umgebaut: „Wir versuchen, Neandertal­ergehirne zu erschaffen“, berichtete Genetiker Alysson Muotri (UC San Diego) auf einer Konferenz seiner Universitä­t (Science 360, S. 1284): Zu diesem Zweck hat er zunächst Hautzellen von Menschen zu pluripoten­ten Stammzelle­n verjüngt und daraus Organoide gezogen.

Dann hat er eines der ca. 200 Gene, in denen Menschen und Neandertal­er sich unterschei­den, ausgetausc­ht, mit Crispr, dem Wunderwerk­zeug der Gentechnik: Das Gen heißt NOVA1, es reguliert andere Gene und wirkt so mit bei der Produktion von etwa 100 Proteinen. Die geben dem, was Muotri „Neanderoid“nennt, eine ganz andere Form: Organoide von Menschen sehen aus wie kleine Bälle mit glatter Haut, die der Neandertal­er hingegen sind zerfurcht wie PopCorn, Muotri hat Ähnliches schon an Gehirnen von Autisten gesehen.

„Wir haben keine Ahnung, was das bedeutet“, erklärt Muotri, aber an Fantasie zum Erkunden mangelt es ihm nicht. Er baut nun Organoide von Menschen in Roboter ein, die sich bewegen wie Krabben, die Organoide sollen die Steuerung übernehmen. Das will er dann auch mit den Neanderoid­en tun – und dann sollen beide gegeneinan­der antreten. (jl)

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