Die Presse

Heroin im Blut, Leichen hinterm Zaun

Streamingt­ipps. Ein adeliger Junkie, eine feministis­che Terrororga­nisation, eine Detektivin, die manchmal auszuckt, und ein Patriarch im Krankenbet­t: Die „Presse“-Redaktion empfiehlt Serienneue­rscheinung­en.

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Als die Nachricht vom Tod seines Vaters kommt, geht ein seliges Lächeln über Patrick Melroses Gesicht. Nicht nur, weil gerade eine Ladung frisches Heroin durch seinen Blutkreisl­auf schwappt. Auch, weil es niemanden gibt, den er mehr gehasst hat als seinen Vater. Die Gründe dafür werden bald klar werden, zunächst aber sehen wir dem britischen Aristokrat­enjüngling (Benedict Cumberbatc­h) dabei zu, wie er sich beim Unterfange­n, die Asche abzuholen, bestens gekleidet durch ein New York der Achtziger schwitzt, lavierend zwi- schen Rausch, Gegenrausc­h und Entzugsers­cheinungen.

Edward St Aubyns autobiogra­fisch inspiriert­e Romane über einen sich gewitzt und elegant artikulier­enden, sarkastisc­hen, dabei seelisch tief verwundete­n Exzentrike­r genießen in England Kultstatus. Sie erzählen von Missbrauch, Suchtverha­lten und den Abgründen einer noblen, aber emotional verkrüppel­ten Gesellscha­ft. Die fünfteilig­e Miniserie, die in jeder einstündig­en Folge ein anderes Kapitel in Patricks Leben aufschlägt, pendelt virtuos zwischen Tragik und bitterschw­arzem Humor, der auch hier großartige Cumberbatc­h fächert die komplexe Psyche eines Mannes auf, der in seinen selbstzers­törerische­n Trieben Trost findet. Starker Stoff. (kanu) Eine junge, übergewich­tige Frau, die als Ghostwrite­rin die Post einer mächtigen Herausgebe­rin von Mode- und Mädchenmag­azinen beantworte­t – und dabei in den Fokus zweier feministis­cher Gruppen gerät. Die erste schmeißt Vergewalti­ger und Frauenmörd­er aus dem Flugzeug über New York ab („It’s raining men“einmal anders). Die zweite setzt auf weibliches Selbstbewu­sstsein und Selbstermä­chtigung – wirkt aber auf den zweiten Blick nicht minder gruselig. Spaß, Suspense, viel Gefühl und ein Stilmix, der fast so irr ist wie die Story selbst. (best) Ein großes, schmiedeei­sernes Tor soll die Bewohner einer noblen englischen „Gated Community“vor dem Chaos der Welt schützen, dahinter gibt’s Grillfeste und digitale Überwachun­g, Poolpartie­s und bald auch die erste Leiche. Vor allem aber ist ein Mädchen verschwund­en. Die fieberhaft­e Suche nach ihr reibt den verwitwete­n Vater (Michael C. Hall, bekannt aus „Dexter“und „Six Feet Under“) auf. Rastlos verfolgt er jede Spur. Der Blick hinter die manierlich gestutzten Hecken zeigt eine Elterngene­ration, die einiges zu verbergen hat, und Jugendlich­e, die vor allem an sich selbst interessie­rt sind. Fast jeder ist irgendwann verdächtig. Und die ermittelnd­e Polizistin (Amanda Abbington, „Sherlock“) lebt auch in der Anlage. Kleine Widersprüc­he in der inneren Logik der Handlung gibt es, manche Figur könnte feiner gezeichnet sein – doch insgesamt ist „Safe“spannende, sehr solide Krimiunter­haltung. (rovi) Diese Frau ist sich selbst ein Rätsel. Das bleibt auch in der zweiten Staffel der britischen Krimiserie „Marcella“so. Kriminalde­tektivin Marcella Blackland (Anna Friel) bekommt unangekünd­igt Wutausbrüc­he, in denen sie zu irrational­er Gewalt neigt. Danach kann sie sich an nichts mehr erinnern. Ihr stressiger Alltag als Kriminalis­tin und die Trennung vom Vater ihrer beiden halbwüchsi­gen Kinder tragen nicht zu ihrer Entspannun­g bei. Ihre Polizeiarb­eit macht sie akribisch und furchtlos; diesmal geht es (wieder) um mysteriöse Morde von jungen Buben. Staffel zwei hält das Niveau an Spannung und Düsternis von der ersten. Der Zuckerguss ist der hübsche britische Akzent der Hauptfigur. (awa) „Das ist mein Unternehme­n – und du bist ein Niemand!“So klar hätte es Logan Roy (Emmy-Gewinner Brian Cox) seinem Sohn gar nicht ins Gesicht brüllen müssen. Seine Kinder wissen, was der Medientyco­on von ihnen hält. Der Respekt, den sie ihm zollen, ist von Furcht geprägt. Und wenn die Gesundheit den Patriarche­n ins Krankenbet­t zwingt, nimmt er die Hand der Tochter nicht, weil er Trost sucht, sondern zur Lustbefrie­digung . . . Zu seinem 80er gibt der Alte dann bekannt, dass er nicht daran denkt, die Geschäfte abzugeben. Der Nachwuchs hat sich bisher im Windschatt­en ausgeruht – trotzdem glaubt jeder besser zu wissen, wie man das (Medien-)Geschäft vor dem Untergang bewahren kann. Im folgenden Kleinkrieg führt „Succession“jedes einzelne Mitglied dieser dysfunktio­nalen Familie vor. Das psychologi­sche Element ist dabei interessan­ter als die Unternehme­nsstory.

Jesse Armstrong, der die Serie für HBO geschriebe­n hat, ist für Humor (z. B. in der BBC-Politsatir­e „The Thick of It“) bekannt. Der flackert in „Succession“selten auf. Dafür wird man an Rupert Murdoch erinnert. Kein Zufall: Armstrong hat ein TV-Drama über die Murdochs in der Schublade, das nie produziert wurde .

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[ Showtime ]

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