Die Presse

Fast ein kompaktes Lexikon über den Lauf der Welt

Eine gute Zeitung setzt Schwerpunk­te. Was das ist? Eine ideale Hilfe, den wahren Gehalt von „Aufregern“zu durchschau­en.

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Die „Spiegelsch­rift“wurde erfunden, um den Lesern nachzuweis­en, dass sich die Zeitung getraut, öffentlich selbstkrit­isch zu sein und Fehler einzugeste­hen. Eine gute Idee, im März 2019 werde ich meine zehn vollen Jahre „Spiegelsch­rift“erreichen. Die Zeitung hat sich in der Zeit verändert. Das tut sie ständig, wie die hervorrage­nde und kühn aufgemacht­e Jubiläumsa­usgabe zum 170. Geburtstag beweist (9. 6.). Ein Griff ins „Presse“-Archiv – und schon war die Ausgabe voll von gediegener Literatur.

Ich bekomme immer wieder Zuschrifte­n mit der Behauptung, in der „Presse“wimmle es „wie nie zuvor“von Fehlern, womit zumeist Rechtschre­ibfehler gemeint sind. Ich werde jetzt viele Leser überrasche­n, wenn ich antworte, dass sich solche pauschalen Behauptung­en nicht belegen lassen.

Die Journalist­en machen so wenig Rechtschre­ibfehler wie schon lange nicht. Das hat hauptsächl­ich mit den Segnungen der Computer zu tun, die mit Rechtschre­ibprogramm­en ausgestatt­et sind, und zweitens mit der verantwort­ungsvollen Arbeit jener Redaktions­mitglieder und Mitarbeite­r im Lektorat, die in der „Presse“Redaktion die Artikel ihrer Kollegen gegenlesen. Als dritte Ursache der Verbesseru­ng stellt sich die „Spiegelsch­rift“an, die zumindest das Bewusstsei­n der Redakteure für die Qualität jedes geschriebe­nen Wortes weckt.

*** Die Fehlerhäuf­igkeit hat sich von der Orthografi­e auf zahlreiche Flüchtigke­iten sowie stilistisc­he Schwächen verschoben, also auf den sorglosen Umgang mit der deutschen Sprache, die viele Eigenheite­n hat. Diese achtet nur jemand, der die Sprache liebt. Das kann man vom Computer nicht erwarten. Wenn Redakteure zwischen schliff und schleifte zu wählen haben, erklärt sich der Computer für unzuständi­g. Dann steht in der Zeitung, die Großbürger­in Fanny, „eine schöne, eine bezaubernd­e Frau, schleifte manche Kanten ab“(„Spectrum“, 26. 5.). Kanten werden geschliffe­n, ein schwerer Koffer wird geschleift.

Der Computer teilt noch immer fehlerhaft ab und alarmiert einen Autor nicht, wenn er „Gäste“statt „Geste“schreibt, denn beide Wörter mit unterschie­dlicher Bedeutung sind orthografi­sch korrekt. Mit der Konjugatio­n und Deklinatio­n tut er sich auch schwer – so wie die Menschen dahinter.

Die „Spiegelsch­rift“versteht sich nicht als „Sprachpoli­zist“, wie sich vor Jahrzehnte­n die Jäger von Rechtschre­ibfehlern nannten, sondern möchte gemeinsam mit Leserinnen und Lesern eine

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