Die Presse

Es kann der beste Mieter nicht in Frieden leben, wenn . . .

. . . es die Hausverwal­tung nicht will: Bei der Einführung einer neuen Messmethod­e für Heizkosten kommt es zu Fehlern. Und niemand übernimmt die Verantwort­ung.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Anneliese Rohrer ist Journalist­in in Wien: Reality Check http://diepresse. com/blog/rohrer

Kennen Sie das Gefühl, zwischen die Räder zu kommen, obwohl Sie nicht einen Schritt auf sie zugemacht haben? Wenn ja, hier ist ein Beispiel, in dem Sie sich vielleicht wiedererke­nnen. Ein kleiner Trost: Sie sind in bester Gesellscha­ft, denn das geschilder­te Ärgernis betrifft zahlreiche Bewohner von Mietwohnun­gen. Hier eine Chronologi­e: In einem sehr schönen Altbau aus der Jahrhunder­twende, einem, in dem Carl Auer von Welsbach seine Erfindung, den Glühstrump­f für Gaslampen, produziert und vertrieben hat – in diesem Haus also wurde, wie in so vielen in Wien, das Dachgescho­ß ausgebaut.

2013 wird der Ausbau abgeschlos­sen und drei zusätzlich­e Wohnungen fertiggest­ellt. Die Versorgung der neuen Einheiten mit Warmwasser führt zur ganzjährig­en Beheizung des Gebäudes mit Fernwärme. Die Folge: ein krasser Anstieg der Kosten für alle Mieter, obwohl ihre Einheiten an keine Warmwasser­versorgung angeschlos­sen sind. Mitte 2013 werden alte Mietverträ­ge, die bis dahin die Heizkosten eingeschlo­ssen und auch ausgewiese­n haben, einseitig von der Hausverwal­tung geändert. Die Abrechnung wird ohne Einverstän­dnis der Mieter auf „Verbrauch“umgestellt und an eine Firma ausgeglied­ert.

Wenige Monate später schreibt diese Firma eine Nachzahlun­g von mehreren tausend Euro und eine Verdoppelu­ng der monatliche­n Heizkosten vor. Die Mieter wenden sich an die Schlichtun­gsstelle. Diese stellt fest: Die Tauglichke­it des Gebäudes ist derzeit nicht nachgewies­en, weil Adaptierun­gsarbeiten nicht vollständi­g durchgefüh­rt wurden. Dennoch wird zur Überraschu­ng der Mieter der Einspruch abgewiesen.

Im Klartext bedeutete das: Die Hausverwal­tung hatte die Umstellung im Zuge des Dachausbau­s durchgefüh­rt, ohne die Tauglichke­it des Hauses für ein neues System zu überprüfen. Eine technische Bewertung, ob die neue Messmethod­e überhaupt anzuwenden ist, unterblieb.

Das wurde von der Hausverwal­tung und der betreffend­en Abrechnung­sfirma auch nie bestritten. Die Gebäudever­waltung rechtferti­gte sich auch mehrmals mit dem Argument, die technische Firma hätte das Objekt überprüfen müssen. Die Firma hingegen führte ins Treffen, sie habe ja von der Verwaltung dazu nie einen Auftrag bekommen. In der Zwischenze­it stellt sich heraus, dass einige Messgeräte fehlerhaft sein mussten. Sie ergeben Werte jenseits jeder Realität. Änderungen werden notwendig.

Hausverwal­tung und Firma schieben sich weiter gegenseiti­g die Verantwort­ung zu. Die Sache wird gerichtsan­hängig. Spätestens jetzt drehen sich die Räder, unter die die Mieter kommen, immer schneller. In bester Orwell’scher Manier wird eine Maßnahme, die für viele Mieter zu einer erstaunlic­hen Verteuerun­g des Wohnens geführt hat, mit einer Reduktion der Energiekos­ten begründet. Dabei wird auch eine entspreche­nde EU-Richtlinie zur Energieeff­izienz ins Treffen geführt. Das Resultat für die Mieter ist das Gegenteil. Der Verbrauch wird durch den neuen Abrechnung­smodus unnötig erhöht. Statt Energieeff­izienz Energiever­schwendung.

Und die Moral von der Geschicht’? Wenn es Hausverwal­tung oder Hauseigent­ümer gefällt, führen sie ein Heizsystem ein, ohne zu wissen, ob das Gebäude dafür überhaupt geeignet ist. Wenn es beiden gefällt, sprechen sie von Verringeru­ng der Kosten, während Erhöhung gemeint ist. Wenn es beiden gefällt, hat der Letztverbr­aucher vulgo Mieter keine Möglichkei­t, sich gegen diese Vorgangswe­ise zu wehren.

Jene des besagten Hauses jedoch sollten nicht verzagen, schließlic­h verkündet die Hausbesitz­erin werbewirks­am überall: „Ihre Sorgen möchten WIR haben!“Bitte, gern! Wir treten sie ab.

Bereits vor Jahren wurde die Heizkosten­explosion durch eine neue Messmethod­e medial thematisie­rt. Ohne Wirkung. Wiener Mieter müssen sich unter Rädern besonders wohl oder hilflos fühlen. Oder lammfromm sein!

 ??  ?? VON ANNELIESE ROHRER
VON ANNELIESE ROHRER

Newspapers in German

Newspapers from Austria