Die perfekte Rippe
Sie sind schnell und flexibel, aber in der Medizin noch nicht ganz angekommen. Eine Grazer Forschergruppe will die neuen, dreidimensionalen Fertigungstechnologien reif für den Einsatz in der Klinik machen.
Ein Patient hat einen Tumor. Will man diesen loswerden, muss seine Rippe mit entfernt werden. Bisher bedeutete das, dass während der Operation eine Metallschiene am Brustkorb zurechtgebogen und eingesetzt wurde. Doch mitunter wird die Biegsamkeit des Materials für den Patienten später zur Krux. Denn es verformt sich. „Manchmal reicht ein Fußball, manchmal passiert es durch die Atmung oder weil man darauf liegt“, schildert Ute Schäfer von der Universitätsklinik für Neurochirurgie in Graz. Das bedeutet Schmerzen – und mitunter eine weitere Operation.
Um das zu ändern, hat sie gemeinsam mit anderen Forscherinnen der Med–Uni eine Vision entwickelt: Die Wissenschaftlerinnen wollen Rippen, aber auch andere Knochen, die bei Operationen ersetzt werden müssen, im Spital vorab mit einem 3-D-Drucker ausdrucken. Und zwar maßgeschneidert an den Körper des Patienten und aus Materialien, die dem Knochen sehr ähnlich sind. „Wir stehen am Beginn einer Revolution“, sagt Schäfer.
Erste Ansätze in Zahnmedizin
Denn mit den neuen Technologien ist es rasch möglich, beinahe beliebige Formen herzustellen. In der Medizin werden die in der Industrie da und dort gefeierten 3-D-Druckverfahren aber erst wenig genutzt. „In der Zahnmedizin verwendet man sie, um Schienen für OPs herzustellen, diese verbleiben aber nicht im Körper“, erläutert sie. Medizinprodukte brauchen einen weit komplizierteren Genehmigungsprozess, außerdem fehlen den Krankenhäusern geeignete Arbeits- und Kommunikationsprozesse. „Der Chirurg kann nicht einfach hinausgehen und etwas ausdrucken“, erklärt Schäfer. Aber auch die verwendeten Materialien müssen erst weiterentwickelt werden, damit sie gut verträglich sind, die Druckverfahren so gestaltet, dass sie konstante Qualität liefern. „Wir sind noch nicht da, wo wir sein sollten“, sagt die Forscherin.
Kopfknochen mit Lieferzeit
Sie will nun gemeinsam mit einem interdisziplinären Team die neuen Technologien reif für den Einsatz in der Klinik machen. Dazu wurde ihr eben im Rahmen der CometFörderlinie (siehe Lexikon) mit „Camed“(Clinical Additive Manu- facturing for Medical Applications) ein neues Forschungsprojekt genehmigt. Wichtige Vorarbeit dafür kommt aus dem vom Technologieministerium geförderten, mehrfach preisgekrönten Projekt „iPrint“, wo man bereits kurz vor der ersten klinischen Studie steht. Darin haben Forscher der MedUni Graz und des Lehrstuhls für Kunststoffverarbeitung an der Montanuni Leoben in den vergangenen vier Jahren an ausdruckbarem Knochenersatz bei schweren Kopfverletzungen – etwa nach Unfällen oder wenn bei einer TumorOP ein Teil des Schädelknochens entfernt werden muss – gearbeitet. Bisher müssen Patienten zweimal operiert werden, da es mehrere Wochen dauert, bis die bei einer externen Firma georderten gedruckten Knochenteile geliefert werden. „Das bedeutet zusätzlich große Belastungen und mögliche Komplikationen für den Patienten“, erläutert Schäfer.
Ihr schwebt vor, dass es an Medizinischen Universitäten einmal eigene 3-D-Druckzentren geben könnte, die vielerlei Ersatzteile für den Menschen bereitstellen: vom Kieferersatz bis zu Hüftplatten. Letztere sind auch ein Schwerpunkt im neuen „Camed“-Projekt. „Die derzeit verwendeten Platten passen nicht für jeden Bruch, sie müssen mitunter gestückelt werden“, sagt Schäfer. Auch hier sollen die neuen Methoden dem Patienten Schmerzen und zugleich dem Gesundheitssystem zusätzliche Kosten ersparen.
„Testen alles, was machbar ist“
Im neuen Forschungsprojekt werden nun verschiedene 3-D-Druckverfahren getestet. Man decke alle für die Hüfte geeigneten Technologien mit österreichischen Firmenpartnern ab, sagt Schäfer. Außerdem beteiligen sich Materialforscher der Montanuni Leoben und der steirischen Forschungsgesellschaft Joanneum Research an der Entwicklungsarbeit. Schließlich wolle man nicht nur mit Metall, sondern auch mit Keramik und verschiedenen Kunststoffen arbeiten: „Alles, was derzeit machbar ist, ist vorgesehen.“Parallel dazu werden gemeinsam mit Informatikern der TU Graz bildgebende Verfahren verbessert, die man braucht, um dreidimensionale Knochenmodelle zu erstellen: Sie dienen als Muster für den Ausdruck.
Klappt alles, könnten in Graz in rund zwei Jahren die ersten Schädelersatzteile aus dem 3-D-Drucker kommen. Hüfte und Rippe brauchen noch etwas länger: drei bis vier bzw. vier bis sieben Jahre, schätzt Schäfer.
Durch den Austausch mit den Technikern erfährt die Medizinerin auch selbst viel Neues: „Ich weiß, dass ich nicht mehr Plastik, sondern Polymer sagen soll“, sagt sie und schmunzelt. Um gleich wieder ernst zu werden: „Ich habe viel gelernt und werde noch viel mehr lernen müssen. Aber über den Tellerrand zu sehen macht Spaß, weil es sich lohnt: Es kommt den Patienten zugute, man weiß also, warum man es macht.“