Warum schreien Kinder so laut, wenn sie spielen?
Es gibt viele Gründe, warum Kinder lärmen: etwa Freude, Ärger oder Kommunikation. Vor allem aber kennen sie noch keine Konventionen.
Ein ruhiger Innenhof, jemand liest ein Buch. Doch dann rennen, laut kreischend, Abfangen spielende Kinder ums Eck. Die Welt um sich scheinen sie dabei ganz zu vergessen. Das Szenario kennt jeder – den einen freut’s, den andern stört’s. Steht aber schon unter Misanthropieverdacht, wer sich die Frage zu stellen traut, warum das kindliche Vergnügen von solchem Lärm begleitet ist? Ein Leser hat es gewagt, er will wissen, ob es dafür eine wissenschaftliche Begründung gibt.
Empirische Befunde gebe es keine, sagt Elementarpädagogin Catherine Walter-Laager von der Uni Graz. Sie widerspricht zunächst der Generalthese, dass Kinder immer laut sind, wenn sie spielen: „Das hängt vielmehr vom Kind und von der Art des Spiels ab.“Probieren kleine Kinder etwas aus – zum Beispiel einen Holzklotz durch eine vorgegebene Form zu stecken – oder schauen sie ein Buch an, seien sie konzentriert und meist ganz still. Vor allem mit Bewegung verbundene Spiele sind oft von Lärm begleitet. „Der hat aber eine Funktion, dient der Verständigung oder beim Räuberund-Gendarm-Spielen dazu, die anderen zu erschrecken.“Manche Spiele bräuchten eben einen gewissen Geräuschpegel, um zu funktionieren.
Aber auch wenn kleine Kinder Quatsch machen, könne es laut werden: „Wenn sie beginnen, die Welt für sich zu entdecken, Dinge verkehrt benutzen und dann laut über den Effekt lachen“, erklärt Walter-Laager. Und dann gibt es freilich noch das Schreien, das die Umwelt alarmiert: etwa wenn das Kind sich ärgert, ihm etwas wehtut oder es Hunger hat.
Dazu kommt, dass sich Kinder noch nicht an Konventionen halten. „Sie haben noch nicht internalisiert, wo man wann in welcher Lautstärke miteinander spricht“, sagt die Forscherin. Ihnen das zu vermitteln, liege jedoch in der Verantwortung der Erwachsenen. Und auch, mit dem Kind an Orte zu gehen, wo es genug Raum für sein Spiel – und sein Quietschen oder Singen – gibt. Mitunter passten Bedürfnisse sonst nicht zusammen: Ein schönes Restaurant, wo Leute in Ruhe essen wollen, sei dann eben der falsche Ort. „Da ertappe ich mich manchmal selbst, dass mich das stört“, erzählt die zweifache Mutter.
Forschung fließt in die Praxis ein
In der Forschung geht es ihr darum, für ein gutes Miteinander zu sorgen. Ihr aktueller Schwerpunkt in länderübergreifenden Projekten liegt darauf, wie Fachkräfte in Krippen und Kindergärten für möglichst gute Qualität sorgen können. Die Erkenntnisse fließen in Form von Texten, Videos und Übungen direkt in die Praxis ein. So hat sie etwa wissenschaftlich aufgearbeitet, wie man gut mit Kleinstkindern im Krippenalltag umgeht. Die wichtigsten Punkte? „Präsent sein, die Signale der Kinder wahrnehmen und darauf reagieren – allerdings nicht im Sinne eines Verwöhnens, sondern eines Ernstnehmens der jungen Menschen“, erläutert sie. Im Herbst startet ein neues Forschungsprojekt, in dem die Elementarpädagogin und ein interdisziplinäres Forschungsteam untersuchen wollen, wie digitale Medien auf Kleinkinder wirken.
Walter-Laagers eigene Kinder sind mittlerweile erwachsen. So kann sie ihren wöchentlichen Marathon für Lehre und Forschung zurücklegen: Die geborene Schweizerin pendelt zwischen Zürich, Graz und Berlin, wo sie ein Forschungsinstitut leitet.
„Der Geräuschpegel hängt vom Kind und von der Art des Spiels ab.“Catherine WalterLaager, Uni Graz