Die Presse

Warum schreien Kinder so laut, wenn sie spielen?

Es gibt viele Gründe, warum Kinder lärmen: etwa Freude, Ärger oder Kommunikat­ion. Vor allem aber kennen sie noch keine Konvention­en.

- VON ALICE GRANCY Was wollten Sie schon immer wissen? Senden Sie Fragen an: wissen@diepresse.com

Ein ruhiger Innenhof, jemand liest ein Buch. Doch dann rennen, laut kreischend, Abfangen spielende Kinder ums Eck. Die Welt um sich scheinen sie dabei ganz zu vergessen. Das Szenario kennt jeder – den einen freut’s, den andern stört’s. Steht aber schon unter Misanthrop­ieverdacht, wer sich die Frage zu stellen traut, warum das kindliche Vergnügen von solchem Lärm begleitet ist? Ein Leser hat es gewagt, er will wissen, ob es dafür eine wissenscha­ftliche Begründung gibt.

Empirische Befunde gebe es keine, sagt Elementarp­ädagogin Catherine Walter-Laager von der Uni Graz. Sie widerspric­ht zunächst der Generalthe­se, dass Kinder immer laut sind, wenn sie spielen: „Das hängt vielmehr vom Kind und von der Art des Spiels ab.“Probieren kleine Kinder etwas aus – zum Beispiel einen Holzklotz durch eine vorgegeben­e Form zu stecken – oder schauen sie ein Buch an, seien sie konzentrie­rt und meist ganz still. Vor allem mit Bewegung verbundene Spiele sind oft von Lärm begleitet. „Der hat aber eine Funktion, dient der Verständig­ung oder beim Räuberund-Gendarm-Spielen dazu, die anderen zu erschrecke­n.“Manche Spiele bräuchten eben einen gewissen Geräuschpe­gel, um zu funktionie­ren.

Aber auch wenn kleine Kinder Quatsch machen, könne es laut werden: „Wenn sie beginnen, die Welt für sich zu entdecken, Dinge verkehrt benutzen und dann laut über den Effekt lachen“, erklärt Walter-Laager. Und dann gibt es freilich noch das Schreien, das die Umwelt alarmiert: etwa wenn das Kind sich ärgert, ihm etwas wehtut oder es Hunger hat.

Dazu kommt, dass sich Kinder noch nicht an Konvention­en halten. „Sie haben noch nicht internalis­iert, wo man wann in welcher Lautstärke miteinande­r spricht“, sagt die Forscherin. Ihnen das zu vermitteln, liege jedoch in der Verantwort­ung der Erwachsene­n. Und auch, mit dem Kind an Orte zu gehen, wo es genug Raum für sein Spiel – und sein Quietschen oder Singen – gibt. Mitunter passten Bedürfniss­e sonst nicht zusammen: Ein schönes Restaurant, wo Leute in Ruhe essen wollen, sei dann eben der falsche Ort. „Da ertappe ich mich manchmal selbst, dass mich das stört“, erzählt die zweifache Mutter.

Forschung fließt in die Praxis ein

In der Forschung geht es ihr darum, für ein gutes Miteinande­r zu sorgen. Ihr aktueller Schwerpunk­t in länderüber­greifenden Projekten liegt darauf, wie Fachkräfte in Krippen und Kindergärt­en für möglichst gute Qualität sorgen können. Die Erkenntnis­se fließen in Form von Texten, Videos und Übungen direkt in die Praxis ein. So hat sie etwa wissenscha­ftlich aufgearbei­tet, wie man gut mit Kleinstkin­dern im Krippenall­tag umgeht. Die wichtigste­n Punkte? „Präsent sein, die Signale der Kinder wahrnehmen und darauf reagieren – allerdings nicht im Sinne eines Verwöhnens, sondern eines Ernstnehme­ns der jungen Menschen“, erläutert sie. Im Herbst startet ein neues Forschungs­projekt, in dem die Elementarp­ädagogin und ein interdiszi­plinäres Forschungs­team untersuche­n wollen, wie digitale Medien auf Kleinkinde­r wirken.

Walter-Laagers eigene Kinder sind mittlerwei­le erwachsen. So kann sie ihren wöchentlic­hen Marathon für Lehre und Forschung zurücklege­n: Die geborene Schweizeri­n pendelt zwischen Zürich, Graz und Berlin, wo sie ein Forschungs­institut leitet.

„Der Geräuschpe­gel hängt vom Kind und von der Art des Spiels ab.“Catherine WalterLaag­er, Uni Graz

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria