Salzburg als Stadt der Migration
Ein Forschungsprojekt will die Migrationsgeschichte der Stadt Salzburg aufarbeiten. Der nun erschienene erste Band einer Buchreihe spürt der Arbeitsmigration zwischen 1960 und 2010 nach.
Der Salzburger Landespatron, Rupert, war ein Zuwanderer. Er kam aus Worms, um an der Salzach erster Bischof zu werden. Abt Virgil, heute Diözesanpatron und Schutzheiliger der Stadt Salzburg, machte sich aus Irland auf den Weg. Kaufleute, Handwerker, Erzbischöfe oder Bettler: Ein kurzer Blick in die Geschichte zeige, dass die Stadt Salzburg schon in der Vergangenheit ein Ort der Zu- und Auswanderungen war, erklärt Silvia Hahn, Historikerin an der Uni Salzburg.
Die Migrationsforscherin hat mit ihren Historikerkollegen Verena Lorber und Andreas Praher den ersten Band einer Buchreihe herausgegeben, die die Migrationsgeschichte in der Stadt Salzburg sichtbar machen will. Der erste Teil ist jenen Menschen gewidmet, die wegen der Arbeit in Salzburg eine neue Heimat suchten. Elf Autoren befassen sich in wissenschaftlichen Beiträgen mit den Arbeits- und Wohnsituationen, dem Alltag, der Freizeit und den Migrationserfah- rungen. Themen wie Bildungsmigration oder Flucht sollen in weiteren Bänden folgen. „Salzburg ist als Mozart- oder Festspielstadt bekannt. Dass sie auch eine Stadt der Migration ist, wird weitgehend ausgeblendet“, erklärt Hahn, warum ihr das Thema am Herzen liegt.
Dabei war Salzburg – wie andere Regionen auch – immer von Migration geprägt. Im 17. und 18. Jahrhundert waren rund ein Viertel aller Haushalte in der Stadt Salzburg Arbeitsmigranten mit ihren Familien, erinnert Hahn. Für den Bau der Barockstadt brauchte es Spezialisten wie Steinmetze, Bildhauer, Maler sowie viele Hilfs- aller Bewohner Salzburgs hatten 1900 kein Heimatrecht und waren rechtlich gesehen Fremde. 1869 lag dieser Anteil bei 54 Prozent.
der Restaurants boten 2012 ausländische Küche an. Zum Vergleich: 1952 gab es nur ein Gasthaus mit fremdländischer Küche. kräfte – die mussten zum Teil von weither geholt werden.
Dass Salzburg Ende des 19. Jahrhunderts wuchs, war vor allem der Zuwanderung zuzuschreiben. Zwischen 1869 und 1900 stieg der Anteil der Personen ohne Heimatrecht von 54 auf 71 Prozent. Sieben von zehn Salzburgern waren damit rechtlich gesehen „Fremde“und hatten keinen Anspruch auf Sozialleistungen der Gemeinde.
Die moderne Arbeitsmigration begann mit dem Wirtschaftsaufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg. Salzburg warb – so wie andere Regionen auch – Menschen aus der Türkei, Spanien oder Jugoslawien an. Die Gastarbeiter holten ihre Familien nach, viele gründeten eigene Unternehmen. „Zuwanderungen führten in vielen gesellschaftlichen Bereichen zu Veränderungen“, schreibt Hahn. Die Diversität stieg, es entstanden neue Geschäfte, Restaurants, Sportvereine oder Kirchengemeinden. Am eindrucksvollsten macht sich die Zuwanderung in den Speisenkarten bemerkbar: Gab es 1952 nur ein einziges Lokal mit fremdländischen Spezialitäten, sind heute indische, italienische, spanische, mexikanische, arabische, chinesische oder thailändische Restaurants aus dem Leben der Salzburger nicht mehr wegzudenken. Von 251 Lokalen boten 2012 insgesamt 99 ausländische Küche.
Und wo wohnen die Zuwanderer? Viele in Stadtteilen wie Lehen, Liefering oder Schallmoos – mit allen sozialen Problemen, die dabei auftreten. „Es gibt keine Ghettoisierung von Migranten in der Stadt“, meint Hahn: „Aber man muss die Entwicklung sehr genau beobachten, um das auch Zukunft zu vermeiden.“
S. Hahn et al. (Hg.):