Wenn der Frosch steppt
Das Portfolio der Froschkommunikation ist vielfältig. Eine Zufallsentdeckung zeigte, dass der Riedfrosch ein seismisches oder visuelles Signal anwendet. Wofür, muss erst erforscht werden.
Wie macht der Frosch?“Kinder wie Eltern haben schnell die Antwort parat: Er quakt. Die Kommunikation von Fröschen reicht über akustische Signale aber weit hinaus. Sie ist sehr komplex und sorgt immer noch für Überraschungen. Das erlebte auch Iris Starnberger, als sie 2014 in den Regenwäldern des Amani Nature Reserve in Tansania nachts dem punktierten Riedfrosch nachspürte. Nicht nur das Auffinden des nachtaktiven Tiers, sondern auch der Versuchsaufbau war aufwendig: Die Biologin wollte im gemeinsam mit Walter Hödl eingereichten Forschungsprojekt „Rolle der Schallblase in der multimodalen Signalgebung“, das gleichzeitig ihre Doktorarbeit war, klären, ob und welche Funktion der markante Farbfleck auf der Schallblase hat. Dabei handelt es sich um jenen Körperteil, der sich beim Rufen bekanntermaßen aufbläht. Quasi nebenbei beobachtete sie, dass ein Teil der Frösche mit Vorder- oder Hinterbeinen auf das Blatt, auf dem der Frosch sitzt, klopft, und damit Vibrationen erzeugt.
„Wir haben diese Steppbewegung zunächst objektiv beobachtet. Es hätte ja auch sein können, dass der Frosch den Platz wechselt oder einen Moskito vertreiben will“, erinnert sich Starnberger, die am Department für Integrative Zoologie der Universität Wien forscht. Die Auswertung zeigte jedoch, dass das Steppen ein Drittel aller beobachteten Reaktionen ausmachte.
In dem vierwöchigen Feldforschungsaufenthalt im Rahmen des Forschungsprojekts, das der Wissenschaftsfonds FWF förderte, hat sie insgesamt rund 3500 Verhaltensantworten von 40 frei lebenden Fröschen gesammelt. Die Entdeckung, dass jeder Frosch auf dem Rücken eine individuelle Fleckenzeichnung besitzt, bewahrte vor Mehrfachbeobachtung.
Nach jedem geglückten Versuch wurde der Rücken des Tiers fotografiert und so ein Bilddaten- bestand angelegt. Mit dem Steppen reagierten die Frösche auf künstliche akustische (Männchenrufe) und visuelle Signale (Schallblase). Beim Versuchsaufbau wurde Starnberger u. a. von der Evolutionsbiologin Doris Preininger vom Tiergarten Schönbrunn unterstützt. „Dieses Signal könnte speziell für den nachtaktiven Riedfrosch wichtig sein, weil die Vibrationen von der Pflanze zum Boden weitergegeben werden und in der
(Hyperolius puncticulatus) kommt u. a. in den Sumpfgebieten der Ost-Usambara-Berge in Tansania vor. Mit seinen rund 150 Arten weltweit ist er die einzige Froschgattung, die auf der Schallblase einen markanten Farbfleck hat. Dabei handelt es sich um eine Drüse, die beim Rufen leicht flüchtige Duftstoffe absondert und sich deutlich vom Rest des Körpers abhebt. Dunkelheit wohl besser wahrnehmbar sind, als visuelle Signale“, erklärt die Forscherin.
Das Zusammenspiel mehrerer Signalarten – visuell, akustisch, seismisch, chemisch – wird als multimodal bezeichnet. Oft werden die Signale gleichzeitig oder hintereinander gesendet. Ähnliche Vibrationssignale wie beim Riedfrosch kennt Starnberger nur vom Rotaugenbaum- und Weißlippenfrosch. Diese verstärken eine Bewegung, die quasi nebenbei geschieht. Anders beim Riedfrosch: Das Steppen dürfte zielgerichtet sein.
Warum der Aufwand? Die natürliche Umgebung des nachtaktiven Riedfroschs ist dunkel, laut und voller Artgenossen mit annähernd demselben Ruf. „Hier ein zweites oder gar drittes Signal zu senden, hat den Vorteil aufzufallen. Egal, ob es darum geht, ein Weibchen anzulocken, Rivalen fernzuhalten oder den Standort zu verteidigen“, erläutert Preininger, die ihre Expertise bei Winkerfröschen in das Forschungsprojekt einbrachte.
Die Beobachtung der Riedfrösche in freier Wildbahn war erst durch die Kooperation mit der Tropical Biology Association, einer Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Nairobi und Cambridge, möglich. Diese bringt seit den 1990er-Jahren Studierende und Forscher aus Europa und Afrika auf den Gebieten Biologie und Naturschutz zusammen. Nicht zuletzt bei der Suche nach den Riedfröschen war deren Unterstützung hilfreich, so Starnberger, die die Feldforschung verantwortete: „Wir haben wegen der Wettersituation und obwohl die Standorte bekannt waren, eine Woche gebraucht, um rufende Riedfrösche zu finden.“
Das Wissen um deren Kommunikationsrepertoire wurde jedenfalls durch die Forschung um eine Facette reicher. Warum der Frosch, den die beiden Forscherinnen mit einem Augenzwinkern auch „Frog-Astaire“nennen, steppt, sollen weitere Forschungen zeigen.