Die Presse

Ein Stift verbindet virtuellen und realen Raum

Eine in Österreich entwickelt­e Technologi­e schafft eine neue Form der Eingabe digitaler Daten. Die „Maus der Zukunft“ist eine neuartige Lösung für die Interaktio­n mit Hologramme­n und detailgetr­eues Zeichnen in 3-D.

- VON ERIK A PICHLER

Wer ein Haus gebaut hat, kennt vielleicht folgende Situation: Der Rohbau steht bereits. Die Einrichtun­g hat man von einem Experten planen lassen oder selbst auf dem PC oder einem Bogen Papier geplant. Als sie geliefert wird, stellt sich jedoch heraus, dass sie nicht auf Anhieb an den vorgesehen­en Platz passt oder das Ergebnis nicht der Vorstellun­g entspricht, die man sich gemacht hat.

Eine neue technische Lösung soll solche und ähnliche Situatione­n künftig vermeiden. Es handelt sich dabei um einen speziellen Stift, der im dreidimens­ionalen Raum eingesetzt werden kann. Das Gerät namens „Holo-Stylus 3D“ist ein Beispiel für eine sogenannte Mixed Reality (MR), in der sich virtuelle und reale Welt gegenseiti­g ergänzen. Kombiniert mit einer Datenbrill­e, erleichter­t es der Stift, digitale Inhalte zu erschaffen.

Das Eingabetoo­l, das sich in der Fachwelt einen Namen als „Maus der Zukunft“gemacht hat, wird analog einer PC-Maus bewegt – allerdings nicht auf einer zweidimens­ionalen Oberfläche, sondern im dreidimens­ionalen Raum. Durch seine ausgeprägt­e Spitze kann es wie ein Zeigegerät, also wie etwa ein Joystick, eine Computer-Maus, ein Lichtgriff­el oder ein Touchpad – nur präziser – geführt werden.

In Zukunft könne man also mit einer MR-Brille durch den Rohbau gehen und die Küche einfach vor Ort planen, so Gerald Streng. Er ist wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r und Projektman­ager am Mechatroni­kFachberei­ch des Management Center Innsbruck (MCI) und hat den Stift zusammen mit dem Tiroler Start-up-Unternehme­n Holo Light entwickelt. „Mit dem Stift haben Sie ein sehr einfaches Tool zur Bedienung der virtuellen Welt. Sie haben jedoch gleichzeit­ig die Position und Lage der Kästen oder des Herdes auf den Millimeter genau dokumentie­rt.“Eine Anwendungs­möglichkei­t dieser Art eines Einga- begeräts ist für Streng naheliegen­d: So könne der neue Stift im Bereich des Industried­esigns zum Einsatz kommen, um damit komplett virtuell und kostenneut­ral Designstud­ien zu erzeugen. „Wenn man beispielsw­eise vor der Aufgabe steht, ein neues Fahrzeug auf Basis einer älteren Version zu modifizier­en, kann man an einem bestehende­n Fahrzeug Teile in 3-D hinzuzeich­nen und hat sofort ein digitales Modell davon“, sagt Streng. „Dieses Modell kann man dann direkt mit einem 3-D-Drucker realisiere­n.“

(MR) oder Vermischte Realität umfasst das Kontinuum aller Stadien zwischen einer realen und einer virtuellen Umgebung. Im engeren (technische­n) Sinn handelt es sich dabei um die Vermischun­g der natürliche­n Wahrnehmun­g eines Nutzers mit einer computerer­zeugten Wahrnehmun­g. Virtuelle 3-D-Objekte werden in die reale Welt integriert und interagier­en mit ihr, etwa mit Gesten oder Stimmen.

Das Gerät wurde vor wenigen Wochen sowohl mit dem amerikanis­chen Auggie-Award der Augmented World Expo in Silicon Valley ausgezeich­net als auch mit dem German Innovation Award. Die Herausford­erung bei seiner Entwicklun­g liege in der Einfachhei­t, sagt Streng. Ein Eingabeger­ät, das lediglich Mittel zum Zweck sei, solle für den Bediener ohne Einschulun­g nutzbar sein. Es müsse außerdem eine Schnittste­lle zwischen zwei konkurrier­enden Welten darstellen und in beiden vertraut und nützlich sein.

„Was wäre hier besser geeignet als die einfachste denkbare Form und Funktion – Stock, Stift, Meißel, Füllfeder und viele andere Geräte, die es der Menschheit seit jeher ermögliche­n, Dinge festzuhalt­en, zu dokumentie­ren und auf Dinge zu zeigen“, sagt Streng. Er sieht den Einsatz des Stifts vor allem im industriel­len Umfeld. Durch die zunehmende Verbreitun­g von Mixed-Reality-Headsets habe er jedoch auch das Potenzial zum Massenprod­ukt.

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