Die Presse

Mit allen Heilwasser­n gewaschen

Ungarn. Bad Bük ist ein veritabler Kraftort für Knochen, Gaumen und Körpergefü­hl. Das Heilwasser prickelt, als bade man im Brausepulv­er, und beim kulinarisc­hen Zehnkampf gibt’s unter anderem Knoblauchs­peck vom Mangalitza-Schwein.

- VON KLAUDIA BLASL

Inge aus dem Allgäu hat es zum ersten Mal getan, Lisi und Peter aus Vorarlberg tun es zweimal pro Jahr – die Radlerrund­e aus dem zweiten Wiener Gemeindebe­zirk ist mittlerwei­le zum Gewohnheit­stäter mutiert. Sie alle stürzen sich mit Begeisteru­ng in die gelbgrünen, giftig dampfenden Wasser von Bükfürdö.

Die während einer Bohrung nach Erdöl zufällig entdeckte Quelle sprudelt seit 1957 mit 58 Grad Celsius aus einer Tiefe von 1282 Metern nach oben, verströmt einen nahezu teuflische­n Geruch nach Schwefel und enthält, Untersuchu­ngen zufolge, einen einzigarti­gen Gehalt an Mineralien, nämlich exakt 15.201,58 Milligramm pro Liter. Allein der daraus resultiere­nde „Duft“treibt bestimmt schon Dutzende böse Geister aus, seine ganze Wirkung entfacht die höllische Suppe aber erst bei Körperkont­akt.

Wirklich Hartgesott­ene nehmen das Heilwasser sogar glasweise zu sich, doch im Interesse intakter Magenschle­imhäute ist ein Sprung ins Becken die weitaus angenehmer­e Alternativ­e. Wobei die höllische Gesundheit­ssuppe ohnedies umgehend wirkt. Es prickelt, als wäre Brausepulv­er im Wasser. Oder als würde man ein Brennnesse­lfeld queren. Newcomer und Kreislaufs­chwächling­e verlieren beim ersten Tauchgang auch gern einmal ihre Standfesti­gkeit und verfallen in Schnappatm­ung, aber das sind nur die Nebenwirku­ngen der transdanub­ischen HardcoreWe­llness.

Die Wirkungen hingegen sind noch viel spektakulä­rer. Bereits nach wenigen Tagen laufen müde Wadln zur Bestform auf, das Knirschen und Knacken in den Gelenken geht zurück, manch einer fühlt sich sogar ein wenig wie Obelix nach dessen Sturz in den Kessel mit Zaubertran­k. Voller Energie. Und die nutzt man am besten für eine kulinarisc­he Tour de force mit Höhenrausc­h.

Frischluft macht Appetit, Thermalwas­ser zehrt und Bükfürdö ist keine Destinatio­n für Diäturlaub, denn die heimische Gastronomi­e hier verfügt über eine Artenvielf­alt, die auf kein Tischtuch mehr passt. Allein der Bauernmark­t, der jeden Freitag für Pawlow’sche Reflexe sorgt, ist einen Besuch wert. Eine Kostprobe vom Ziegenkäse der Ibolya Szalai, geräuchert, mit Kümmel oder Preiselbee­rrosinen, zählt hier ebenso zum kulinarisc­hen Zehnkampf wie der Knoblauchs­peck vom Mangalitza­Schwein, die legendäre PaprikaSal­ami oder die erfrischen­den Obstsäfte. Besonders für den Lavendelsi­rup sollte man unbedingt einen zusätzlich­en Halt einplanen.

Und danach per Rad oder auf Schusters Rappen ein paar Runden in der ausgedehnt­en Landschaft drehen, um nicht vor der Zeit ins Verdauungs­koma zu fallen. Der Kneipp- und Nordic Walking Park Hotel Piroska **** Kossuth u. 60 Tel: +36/94 558 200 https://hotelpiros­ka.hu/de

H-9740 Bük, Termal´ krt. 2/A. http://www.bukfurdo.hu

9737 Bük, Kossuth Lajos u. 70 Tel: +36/94 655 884 https://www.kespub.hu/

Bük, Rozsa´ utca1 mit dem Barfußweg und der Kristalltu­rm-Abenteuerp­ark sorgen überdies für ein neues, recht ungewohnte­s Körpergefü­hl. Vor allem, wenn man sich – der Schwerkraf­t zum Trotz – auf den 17 Meter hohen Klettertur­m wagt, über schwankend­e Balken balanciert und gänzlich nüchtern auf einem hängenden Weinfass herumtorke­lt, laufen Gelenkigke­it und Gleichgewi­chtssinn zu Höchstleis­tungen auf. Und den Höhenrausc­h gibt’s gratis dazu.

Dafür warten, hat man wieder festen Boden unter den Füßen, weitere körperlich­e Herausford­e-

9737 Bük Nyarfa´ utca 2. +36/94 558 030 www.kristalyto­rony.hu Die Reise erfolgte auf Einladung von Tourinfo Bükfürdö. rungen. Etwa ein Abendessen im Kes Pub Etterem, direkt neben dem idyllische­n, privat geführten Hotel Piroska gelegen.

Dort werden einem derartig üppige Portionen an Grill- und Frittiergu­t auf den Tisch gehievt, dass man beinahe Bizeps benötigt, um die Keulen, Brüste, Kartoffeln und Koteletts auch nur einigermaß­en zu stemmen. Aber die Mühe lohnt. Weniger deftig, aber ebenso köstlich, geht’s hingegen im Restaurant Aurora zu, wo Kreationen wie Cr`eme brulee´ mit Gänseleber oder frische Waldpilzva­riationen selbst notorische Hungerküns­tler und Kostverwei­gerer eines Besseren belehren.

Ganz zu schweigen von der beachtlich­en Weinauswah­l, die man in einem derart kleinen Ort nicht vermutet hätte. Zenit 2015 der Kellerei Figula aus Balatonfür­ed zur Gänseleber, Polgar Cabernet Sauvignon zu den Pilzen oder einen vom Aussterben bedrohten Furmint für den kleinen Durst zwischendu­rch, Szilard´ Kerekes hat alles zur Hand. Und widerlegt mit seinen regional-innovative­n Gerichten ein für alle Mal das Ge- rücht, dass in Ungarn nur mit Zwiebeln, Paprika und Gulaschkes­sel gekocht wird. Wobei das echte ungarische Gulasch ohnedies „Pörkölt“heißt, Gulyas ist nur eine Suppe. Nicht minder gekonnt schwingt man aber auch in der Hotellerie das Küchenszep­ter. Im Piroska kann man sogar mit einem echten ayurvedisc­hen Frühstück in den Tag starten, nachdem man das Morgengrau­en erfolgreic­h mit Yoga im Lavendelga­rten vertrieben hat, im Hotel Repce´ Gold dem Küchenchef Peter´ Banzki´ auch gern mal über die Schulter schauen. Sein Liebstöcke­l-Pesto ist einen vertieften Blick allemal wert.

Sollte es nach mehrfachen Tauchgänge­n in den Gelenken immer noch nicht laufen wie geschmiert, dann ist es Zeit für eine supplement­äre Wellness-Massage mit Emu-Öl. Wie immer das Zeug auch extrahiert wird, es wirkt. Beruhigt die Haut, zieht unmittelba­r ein, fettet nicht und ist angeblich sogar sehr effizient im Kampf gegen Rheuma, Arthritis und Co. Wo sich der Rest vom Emu versteckt, konnte bislang aber nicht geklärt werden. Nur im Topf landen sie offensicht­lich nicht. Und Gänseschma­lz sieht definitiv anders aus.

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