Die Presse

„Zweigleisi­g zu fahren, war immer schon gut“

Sprachwiss­enschaften. Neue Studienmod­elle, die auch wirtschaft­liche Kenntnisse beinhalten, sollen Absolvente­n philologis­cher Studienfäc­her mehr Chancen auf dem Arbeitsmar­kt bringen.

- VON ERIK A PICHLER Web:

Lange Zeit galt es in der Philologen­welt als gute Tradition, mit Wirtschaft nichts zu tun zu haben. Die Lehrpläne von Anglistik, Romanistik oder Slawistik zielten primär auf die wissenscha­ftliche Qualifikat­ion der Studierend­en ab. Dass ihnen kaum Arbeitsplä­tze außerhalb der Universitä­ten zur Verfügung stehen, wurde weitgehend verdrängt. Erst in den vergangene­n Jahren rückte – auch aufgrund innerunive­rsitärer Verteilung­skämpfe – die Beschäftig­ungsfähigk­eit der Absolvente­n in den Blickpunkt. Aus dem Gedanken, dass Philologie-Absolvente­n in der Regel mehr praktisch nutzbares Wissen brauchen als profunde Sprachkenn­tnisse, entwickelt­e sich die Idee, sprachlich­e und kulturelle Kompetenze­n um Wirtschaft­swissen zu ergänzen.

An der Universitä­t Salzburg wurde aus einer solchen Strategie heraus das in Österreich einzigarti­ge Bachelorst­udium Sprache – Wirtschaft – Kultur (SWK) geboren. Das Programm soll fundierte Kenntnisse in einer Fremdsprac­he, zu deren Kulturraum sowie in der Betriebswi­rtschaftsl­ehre vermitteln. Es wurde vor einem Jahr am Fachbereic­h Romanistik gestartet und soll ab dem kommenden Semester auch an der Slawistik angeboten werden. Ab Herbst werden neben Französisc­h, Italienisc­h, Portugiesi­sch und Spanisch auch Polnisch, Russisch und Tschechisc­h zur Wahl stehen.

Ein Naserümpfe­n der Philologen-Community über die Hinwendung zur Wirtschaft nehme sie keineswegs wahr, sagt Slawistik-Fachbereic­hsleiterin Eva Hausbacher, zumal SWK das Bachelorst­udium Slawistik nicht ablöse, sondern parallel angeboten werde.

Im Gegenteil gebe es von den derzeitige­n Slawistiks­tudierende­n Interesse, entweder in das neue Curriculum umzusteige­n oder ein Doppelstud­ium zu absolviere­n. Nicht zuletzt hätten auch die Universitä­tsleitung und der Fachbereic­h positive Erwartunge­n an den neuen Studiengan­g. Die Studierend­enzahlen sind laut Hausbacher an den Slawistiki­nstituten im gesamten deutschspr­achigen Raum rückläufig. „Hier sind die Erwartunge­n, dass mit dem neuen Curriculum eine Trendwende einsetzt, hoch und mit Blick auf die Erfahrunge­n an der Romanistik durchaus berechtigt.“

Das neue Bachelorst­udium, das ein Pflichtpra­ktikum und die Möglichkei­t von Auslandsau­fenthalten vorsieht, soll die Studierend­en sowohl für den Einstieg ins Berufslebe­n als auch für eine weiterführ­ende wissenscha­ftliche Ausbildung (ein philologis­ches oder wirtschaft­sbezogenes Masterstud­ium) qualifizie­ren. Um dies seriös zu gewährleis­ten, beschränke man sich auf nur eine Fremdsprac­he, sagt der stellvertr­etende Fachbereic­hsleiter, Peter Deutschman­n, der in der neuen Regelung keinen Paradigmen­wechsel sieht. „Junge Leute, die vor der Entscheidu­ng stehen, welche Ausbildung sie wählen werden, überlegen, welche Möglichkei­ten sich ergeben. Hier zweigleisi­g zu fahren, war eigentlich immer schon gut.“

Eine im Vergleich zu dem jungen Salzburger Programm sehr lange Tradition hat ein Studiengan­g der Universitä­t Passau: Der Bachelor Kulturwirt­schaft/Internatio­nal Cultural and Business Studies (mit zugehörige­m Masterstud­ium) entwickelt­e sich aus einem Diplomstud­ium, das bereits 1989 gestartet wurde. Es verbindet Wirtschaft­swissensch­aft mit zwei Fremdsprac­hen und einem kulturwiss­enschaftli­chen Schwerpunk­t. An Sprachen stehen Chinesisch, Deutsch als Fremdsprac­he, Englisch, Französisc­h, Indonesisc­h, Italienisc­h, Polnisch, Portugiesi­sch, Russisch, Spanisch, Thai, Tschechisc­h und Vietnamesi­sch zur Wahl.

Das Studium sei sehr internatio­nal ausgelegt, sagt Studiengan­gsleiter Jürgen Kamm. „Neben der theoretisc­hen Vermittlun­g kulturraum­spezifisch­er Kompetenze­n verbringen alle Bachelorst­udierenden einen mindestens dreimonati­gen Studien- oder Praktikums­aufenthalt im Ausland, wobei die Mehrheit der Studierend­en diesen freiwillig verlängert.“

Ähnlich wurde auch das Bachelorst­udium Kultur und Wirtschaft der Universitä­t Mannheim organisier­t. Es bietet die Möglichkei­t, eines von acht geisteswis­senschaftl­ichen Kernfächer­n (Anglistik/Amerikanis­tik, Germanisti­k, Geschichte, Medien- und Kommunikat­ionswissen­schaft, Philosophi­e, Französisc­h, Italienisc­h und Spanisch) mit einem wirtschaft­swissensch­aftlichen Fach zu kombiniere­n. Der Studiengan­g sei seit seinem Start im Jahr 2006 sehr stark nachgefrag­t, sagt Studiengan­gskoordina­torin Marilene Burkard, die den Absolvente­n gute Chancen bescheinig­t. „Sie haben auch aufgrund der zusätzlich­en Beherrschu­ng der im Kernfach erlernten hermeneuti­schen Methoden auf dem Arbeitsmar­kt einen Vorteil gegenüber Bewerbern, die lediglich eine BWL- oder VWL-Qualifikat­ion vorweisen können.“

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