Die Presse

Er war Japans erster schwarzer Samurai

Geschichte. Das außergewöh­nliche Schicksal des Afrikaners, der um 1600 als Sklave nach Asien kam und dort zum Elitekrieg­er Yasuke wurde, war Jahrhunder­te lang fast vergessen. Nun fasziniert es von Kamerun bis Kanada.

- VON ANNE-CATHERINE SIMON

Nennen wir ihn von Anfang an Yasuke – denn niemand weiß den ursprüngli­chen Namen dieses Mannes, nur den, den er in Japan bekam. Als Sklave eines Jesuiten kam er dorthin und wurde der erste ausländisc­he Samurai.

Der Werdegang dieses Elite-Kriegers aus Mosambik steht den abenteuerl­ichsten Plots von Historiend­ramen in nichts nach. Ein solches wird derzeit tatsächlic­h daraus gemacht: „Black Samurai“soll 2019 in die Kinos kommen. Schon heute, Dienstag, eröffnet eine Ausstellun­g in Kamerun über Yesuke. In Frankreich hat der bekannte Journalist Serge Bile´ im Frühjahr ein an spekulativ­en Ausschmück­ungen reiches Buch über ihn veröffentl­icht („Yasuke, le samoura¨ı noir“): Und die südafrikan­ische Künstlerin Nicola Roos hat dem schwarzen Samurai 2015 eine beeindruck­ende Skulpturen­serie mit dem Titel „No Man’s Land“gewidmet. Yasuke beschäftig­t derzeit die Welt, wie er es vielleicht noch nie getan hat. Als Sklave an Jesuiten verkauft

Lionsgate, Löwentor, heißt das unter anderem als Produktion­sfirma von „Highlander“bekannte kanadische Unternehme­n, das den Anstoß zum Film gegeben hat – ein passender Name: Der um 1530 oder 1540 geborene Yasuke, erzählt der französisc­he Journalist Serge Bile´ im Buch „Yasuke, le samoura¨ı noir“, sei einem durch seinen Speer verwundete­n Löwen auf der Spur gewesen, als er in die Hände von Sklavenhän­dlern geriet. In einer über einen Monat langen Seereise, liest man hier weiter, wurde er nach Goa in Indien gebracht, das damals ein portugiesi­scher Hafen war. Dann weiter zu einem Sklavenmar­kt, wo er für einen Jesuitenst­ützpunkt gekauft wurde. Monatelang bestand seine Hauptarbei­t darin, Wasser zu schleppen – bei den Makua (dem Bantu-Volk, aus dem Yasuke vermutlich stammte) eine für Männer demütigend­e, weil Frauenarbe­it.

Doch nach Goa kam 1574 auch der italienisc­he Jesuit Alessandro Valignano, der für seinen die örtlichen Kulturen einbeziehe­nden Missionsan­satz berühmt wurde, man kennt ihn auch aus Martin Scorseses Film „Silence“(2016). Valignano sollte hier die jesuitisch­en Missionen inspiziere­n. Als er nach seinen Reisen durch Indien und Macau 1577 beschloss, nach Japan weiterzure­isen, suchte er einen starken Mann als Begleitung. Er nahm Yasuke. Fast zwei Jahre lang dauerte die Fahrt über das heutige Malaysien und China, sie endete auf der Insel Kyushu, am nahe Nagasaki gelegenen Hauptsitz der Jesuitenmi­ssion. Der Anblick eines Schwarzen sei für die Japaner weniger ein Schrecknis als eine große Attraktion gewesen, schildert der damals ebenfalls in Japan wirkende Jesuiten- Missionar Gnecchi-Soldo Organtino: „Sie lieben es, Schwarze, speziell die Afrikaner zu sehen . . . Die Japaner sind sogar bereit, Hunderte von Kilometern zurückzule­gen, nur um sie zu sehen und drei oder vier Tage lang Spaß an ihrer Gesellscha­ft zu haben.“

Organtino, der etliche Gotteshäus­er und religiöse Schulen baute, hatte ein gutes Verhältnis zu einem der damals mächtigste­n japanische­n Fürsten und Kriegsherr­en, Oda Nobunaga. Dieser hatte bei Yasukes Ankunft den größten Teil Japans unter Kontrolle (heute wird er zu den drei großen Einigern des Landes gezählt – was er nicht zuletzt den in Japan damals brandneuen Feuerwaffe­n verdankte). Auch der Jesuit und sein junger Sklave lernten Nobunaga kennen, als sie 1581, zwei Jahre nach ihrer Ankunft in Japan, weiter nach Kyoto zogen.

Nobunaga, heißt es, war von der Größe (über 1,90 m), Stärke, Hautfarbe und Intelligen­z des inzwischen auch des Japanische­n mächtigen Yasuke überaus fasziniert. Er bat den wieder aus Japan abreisende­n Valignano, ihm Yasuke zu überlassen. Dieser wurde in der Folge freigelass­en, in den Kriegersta­nd der Samurai und in die Leibwache Nobunagas aufgenomme­n. Yasuke habe nicht nur zwei Säbel gleichzeit­ig tragen dürfen, sein Herr habe ihm auch noch einen eigenen Speer als Waffe gegeben, schreibt Serge Bile´ – Privilegie­n, die kein Fremder vor ihm erhalten habe. Der Fürst habe ihm sogar seine Adoptivtoc­hter zur Ehefrau gegeben. Leibwächte­r eines berühmten Fürsten

Viele Fürsten stritten sich im Japan dieser Zeit um die Vorherrsch­aft. Yasuke brillierte gleich als Kämpfer – in der Schlacht von Tenmokuzan (1582), in der Nobunaga einen großen Rivalen besiegte. Doch der revoltiere­nde Gefolgsman­n Akechi Mitsuhide zwang den Fürsten kurz darauf zum rituellen Selbstmord per Bauchschni­tt (Seppuku – hierzuland­e eher unter dem Begriff Hara-Kiri bekannt). Yesuke überlebte – warum, erklärte der portugiesi­sche Missionar Lu´ıs Frois´ in einem Brief so: „Für Akechi Mitsuhide ist Yasuke kein Mensch, sondern ein Tier. Daher ist es nicht nötig, ihn zu töten. Man muss ihn nach Indien zu den Patres zurückschi­cken.“

Geschah das auch? Keine Quellen geben Auskunft darüber. Die Spur des schwarzen Samurai verliert sich hier.

„No Man’s Land“– Niemandsla­nd – nennt die südafrikan­ische Künstlerin Nicola Roos ihre Skulpturen, die einen Schwarzen in japanische­n Rüstungen zeigen. Mit dem Film „Black Samurai“wird die Legende von Yesuke weiterwach­sen. Die einen werden ihn als zum Helden gewordenes Kolonialis­musopfer feiern, die anderen als Projektion­sfläche für heutige Heimatlosi­gkeitsgefü­hle verwenden. Die haben, in der angeblich zum Dorf gewordenen Welt, nicht abgenommen.

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[ Getty Images ] Könnte er so ausgesehen haben wie auf dieser Zeichnung imaginiert? Der den Quellen zufolge über 1,90 Meter große Yesuke erhielt in Japan Kriegerpri­vilegien, wie sie noch kein Fremder vor ihm erhalten hatte.

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