Die Presse

Die Eisenbahne­r und ihr harscher 15-Stunden-Tag

Warum protestier­en die ÖBBler nicht gegen ihre eigene Gewerkscha­ft?

- Josef.urschitz@diepresse.com

Gestern haben 10.000 „empörte“Eisenbahne­r ihren Unmut über die von der Regierung geplante Arbeitszei­tflexibili­sierung in Betriebsve­rsammlunge­n zum Ausdruck gebracht (siehe Seite 7) und damit den Pendlerver­kehr ein wenig durcheinan­dergewirbe­lt.

Wieso auch nicht? Ist ihr gutes Recht. Die Regierung hat sich nun einmal von der alten Sozialpart­nerherrlic­hkeit verabschie­det und auf Konfliktde­mokratie umgeschalt­et. Das bringt endlich Reformen auf Schiene, die seit Jahrzehnte­n blockiert wurden.

Anderersei­ts braucht Konfliktde­mokratie, wenn sie nicht ausufern soll, einen starken Gegenpart. So gesehen ist die jetzt demonstrie­rte Mobilisier­ungsfähigk­eit der Gewerkscha­ft ein gutes Zeichen dafür, dass die Machtbalan­ce nicht aus den Fugen geraten wird.

Dass allerdings ausgerechn­et die für die Eisenbahne­r zuständige Transportg­ewerkschaf­t Vida in der ersten Reihe gegen die Möglichkei­t, vorübergeh­end einmal zwölf Stunden am Tag zu arbeiten, marschiert, ist ein halblustig­er Treppenwit­z.

Um das zu illustrier­en, versenken wir uns in den von der Vida ausgehande­lten Kollektivv­ertrag für Schienenba­hnen. Dort finden wir die Bestimmung, dass Eisenbahne­r, wenn’s sein muss, im Schichtdie­nst bis zu zwölf Stunden „Normalarbe­itszeit“, maximal 56 Stunden die Woche, leisten müssen. Ganz ohne Freiwillig­keit. Und jetzt kommt’s: Durch Betriebsve­reinbarung­en kann diese tägliche Höchstarbe­itszeit für „fahrplange­bundenes Personal“auf bis zu 15 Stunden, maximal 56 Stunden die Woche, erhöht werden. V oll neoliberal, würde der SPÖ-Chef wohl sagen. Wir aber fragen uns: Wieso lässt die Vida gegen eine Arbeitszei­tregelung demonstrie­ren, die ihren Mitglieder­n im Extremfall sogar eine Verbesseru­ng (nämlich maximal zwölf tägliche Arbeitsstu­nden) bringen würde? Klingt ein bisschen nach politische­r Heuchelei, oder?

Übrigens: Dieser Rahmenkoll­ektivvertr­ag wurde 2013 ausverhand­elt. ÖBBChef war damals ein gewisser Christian Kern. Der verhandelt zwar keine Kollektivv­erträge, aber besonders lauten Protest dagegen hat man von ihm damals auch nicht gehört.

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