Die Eisenbahner und ihr harscher 15-Stunden-Tag
Warum protestieren die ÖBBler nicht gegen ihre eigene Gewerkschaft?
Gestern haben 10.000 „empörte“Eisenbahner ihren Unmut über die von der Regierung geplante Arbeitszeitflexibilisierung in Betriebsversammlungen zum Ausdruck gebracht (siehe Seite 7) und damit den Pendlerverkehr ein wenig durcheinandergewirbelt.
Wieso auch nicht? Ist ihr gutes Recht. Die Regierung hat sich nun einmal von der alten Sozialpartnerherrlichkeit verabschiedet und auf Konfliktdemokratie umgeschaltet. Das bringt endlich Reformen auf Schiene, die seit Jahrzehnten blockiert wurden.
Andererseits braucht Konfliktdemokratie, wenn sie nicht ausufern soll, einen starken Gegenpart. So gesehen ist die jetzt demonstrierte Mobilisierungsfähigkeit der Gewerkschaft ein gutes Zeichen dafür, dass die Machtbalance nicht aus den Fugen geraten wird.
Dass allerdings ausgerechnet die für die Eisenbahner zuständige Transportgewerkschaft Vida in der ersten Reihe gegen die Möglichkeit, vorübergehend einmal zwölf Stunden am Tag zu arbeiten, marschiert, ist ein halblustiger Treppenwitz.
Um das zu illustrieren, versenken wir uns in den von der Vida ausgehandelten Kollektivvertrag für Schienenbahnen. Dort finden wir die Bestimmung, dass Eisenbahner, wenn’s sein muss, im Schichtdienst bis zu zwölf Stunden „Normalarbeitszeit“, maximal 56 Stunden die Woche, leisten müssen. Ganz ohne Freiwilligkeit. Und jetzt kommt’s: Durch Betriebsvereinbarungen kann diese tägliche Höchstarbeitszeit für „fahrplangebundenes Personal“auf bis zu 15 Stunden, maximal 56 Stunden die Woche, erhöht werden. V oll neoliberal, würde der SPÖ-Chef wohl sagen. Wir aber fragen uns: Wieso lässt die Vida gegen eine Arbeitszeitregelung demonstrieren, die ihren Mitgliedern im Extremfall sogar eine Verbesserung (nämlich maximal zwölf tägliche Arbeitsstunden) bringen würde? Klingt ein bisschen nach politischer Heuchelei, oder?
Übrigens: Dieser Rahmenkollektivvertrag wurde 2013 ausverhandelt. ÖBBChef war damals ein gewisser Christian Kern. Der verhandelt zwar keine Kollektivverträge, aber besonders lauten Protest dagegen hat man von ihm damals auch nicht gehört.