Die Maturakrise und das Mathematiktrauma in den Schulen
Es ist der blanke Wahnsinn, wenn die Mathematik zum zentralen Faktor für den Erfolg in der Schule wird!
D ie Schulmathematik ist ein Sargnagel für die Entwicklung im Lande, für die Schüler und Eltern sowieso. Die MathematikZentralmatura lieferte bloß einen kleinen Hinweis dazu. In seinem „Bildungs:Plan“bringt es Ernst Smole vom Forum für Kunst, Bildung und Wissenschaft so auf den Punkt: „Die Schulmathematik ist für 80 Prozent der Schüler-Burnouts verantwortlich, verschlingt mehr als die Hälfte aller Nachhilfegelder, und Mathematiklehrer sind weit überproportional von Burnout betroffen.
Trotzdem haben etwa 40 Prozent der 14-jährigen Schwierigkeiten mit den Grundrechnungsarten; es herrscht massives Notendumping – also viel zu gute Noten für ungenügende Leistungen. Universitäten führen „Nuller-Kurse“für technische Studienrichtungen zum Nachholen des AHS/BHS-Stoffes. Im Juni 2018 erging ein Hilferuf der TU Wien an die Öffentlichkeit: Maturanten haben große Probleme mit banalsten Rechenkenntnissen (!).
Blanker Wahnsinn, wenn die Mathematik zum zentralen Faktor für Schulerfolg wird! Man vernichtet sinnlos die Freude an der Schule, Talente, Lebenschancen und human resources für Staat und Wirtschaft. Anzustreben wäre nach Smole eine anwendbare Basismathematik, erlebbar und verständlich, etwas zum Nachdenken, Staunen und Freuen. Natürlich muss es „höhere“Mathematik als Freigegenstand für besonders Interessierte (etwa 20 %) geben.
Höchste Zeit für einen radikalen Umbau der konzeptlos vollgestopften Schulkurrikula, die in ihrem Themenchaos immer öder und bildungsschädlicher werden. Um fit für die Mint-Fächer zu werden, brauchte es viel mehr Naturwissenschaften, vor allem aber kreativ-handwerkliche und musikalische Betätigung. Und die Grundschulen müssen kompromisslos sicheres Grundrechnen (schreiben und lesen) vermitteln. Als Volksschüler erlebte ich drillartiges Einüben durch einen älteren Lehrer. Hat er recht heiter gestaltet, ich bin ihm sehr dankbar. Aber das ist heute wohl nicht mehr en vogue. Wir nehmen billigend in Kauf, dass immer mehr Volksschul-, Hauptschul- und sogar AHS-Absolventen weder sinnerfassend lesen, noch basal rechnen können. S chlüssel für gelingende Schule ist die Förderung von Kreativität. Kein Zufall, dass Star-Physiker Anton Zeilinger auch ein guter Musiker ist. Musikausübung leistet einen wesentlichen Beitrag zur Strukturierung von Gehirn und Denken. Viele berühmte Wissenschaftler waren passable Musiker. Die Verbindung zwischen Musik und Mathematik ist schon lange bekannt. Albert Einstein etwa spielte Geige und Klavier, Erich von Holst Bratsche und Richard Feynman war für sein von schnarrendem Gesang begleitetes Trommeln berüchtigt. Ich muss Herrn Zeilinger demnächst fragen, wie seine Beziehung zur Schulmathematik war.
Meine eigene frühe Virtuosität, zunächst am Cello, dann am Klavier hielt sich in engsten Grenzen. Mundharmonika, geblasen a` la Bob Dylan klang aber ganz passabel. Mein Schul- und Lebenstrauma war die Oberstufenmathematik, samt einigen ihrer Vermittler. Es war wohl meine Mischung aus Minderbegabung und nahezu körperlichem Ekel gegenüber der reichlich abgehobenen Schulmathematik. Wie ich die Matura schaffen konnte, ist mir heute noch ein Rätsel – und es beschert mir immer noch Albträume. Ich habe aber Vergnügen in der Anwendung von Statistik gefunden, als ich dann eingesehen habe, wozu sie gut ist.