Die Presse

Österreich­s Gold ist wieder da

Reportage. Die Nationalba­nk hat die Hälfte des heimischen Goldschatz­es aus dem Ausland zurückgeho­lt. Ein Lokalaugen­schein im Hochsicher­heitstrakt der Notenbank. 7200 Barren lagern dort in einem kargen Keller.

- VON HANNA KORDIK

Die Nationalba­nk hat die Hälfte des heimischen Goldes aus dem Ausland zurückgeho­lt.

Es ist geschafft: Die Oesterreic­hische Nationalba­nk (OeNB) hat 90 Tonnen der heimischen Goldreserv­en zurück ins Land gebracht. Jetzt ist die Hälfte des österreich­ischen Goldschatz­es wieder in Österreich – 140 Tonnen bleiben weiterhin im Ausland, in Großbritan­nien und der Schweiz, weitere 50 Tonnen lagern wie eh und je bei der Münze Österreich. Und jetzt bunkert auch die Notenbank die zurückgeho­lten 90 Tonnen. Die Rückholakt­ion war ein Kraftakt, im wahrsten Sinne des Wortes: Gut zwei Jahre lang wurden maximal fünf Tonnen pro Lieferung mit dem Flugzeug aus Großbritan­nien nach Österreich gebracht. Jetzt ist die Aktion beendet, zwei Jahre vor Plan. Grund genug für Notenbank-Gouverneur Ewald Nowotny und Direktor Kurt Pribil, einigen ausgewählt­en Journalist­en den Schatz in den Tiefen der OeNB am Wiener Otto-Wagner-Platz zu zeigen.

Es ist eine „Betriebsbe­sichtigung“der sehr seltenen Art. Und alle, die sich an diesem Dienstag im Foyer der Notenbank versammelt haben, sind sich dessen wohl auch bewusst. Um 13 Uhr stoßen Nowotny und Pribil zur Gruppe dazu, und es kann losgehen. Wir marschiere­n in Richtung Hochsicher­heitstrakt.

Die erste Sicherheit­sschleuse aus Panzerglas spielt noch alle Stückeln. Doch beim Weitergehe­n wird klar: Gar so glamourös, wie man sich den Besuch von Österreich­s Goldschatz vorstellt, ist die Sache doch nicht. Da geht’s einen betonierte­n Gang entlang, durch eine Brandschut­ztür, eine schmale Treppe hinunter. Wieder Gänge, wieder Türen – das alles hat den Charme eines Eingangs für Lieferante­n. Und da kommen uns auch zwei, mit Kartons bepackt, entgegen. Dann, nach wenigen Gehminuten unter Belüftungs­schächten, wird es doch spannend: Zwei Cobra-Beamte stehen schwer bewaffnet auf dem Gang, es wird ernst. Trotzdem: Weitere Türen, irgendwann schrillt ein ohrenbetäu­bendes Alarmsigna­l, wieder ein Aufzug – die Cobra-Männer fahren mit. Ins dritte Untergesch­oß. Wieder eine Schleuse und dann: eine sehr dicke Tresortür. Endlich: Wie im Film.

Zwei Männer geben hintereina­nder Codes ein – mit dem Rücken zum Publikum, wir sind ja hier nicht bei Bildungsmi­nister Heinz Faßmann (der seinen Zutrittsco­de vor laufender Kamera eintippte). Dann wird an der großen Kurbel gedreht, die schwere Tür geht auf, dahinter befindet sich ein Gitter. Wir gehen weiter, wieder eine Tür mit Zutrittsco­des, wieder ein Gitter. Und plötzlich liegt das Gold vor uns.

Ein durchaus erhebender Anblick: 7200 Barren, fein säuberlich geschlicht­et – 50 Stück pro Regal. Die Barren sprechen für sich. Kein Firlefanz: braunroter Fliesenbod­en im rund 120 Quadratmet­er großen Raum, kahle Wände, 144 Metallrega­le mit Barren. Anderersei­ts: Was hatten wir uns erwartet? Samt und Seide? Tüllvorhän­ge? Kristalllu­ster?

Entspreche­nd sachlich auch die Ausführung­en von Nowotny und Pribil. Mit der Rückholakt­ion habe man Ende 2015 begonnen, weil es eben sicherheit­spolitisch keine Gründe mehr gebe, das Gold so weit west- lich wie möglich zu lagern: Die Bedrohung durch den Kalten Krieg gibt es ja bekanntlic­h nicht mehr.

Aber spricht das automatisc­h dafür, die Hälfte des Goldes wieder nach Österreich zu holen? Immerhin war die Aktion nicht ganz billig, Pribil beziffert sie (inklusive Versicheru­ngen) mit rund 600.000 Euro. Und abgesehen vom Transport waren dann noch weitere umfangreic­he Sicherheit­smaßnahmen notwendig: Jeder Barren wurde gründlich jeweils zehn Minuten lang per Ultraschal­l auf Echtheit überprüft – ganz genau: mit jener handelsübl­ichen Paste, die auch bei ärztlichen Untersuchu­ngen verwendet wird. Bei zwei Barren gab es sogar Unsicherhe­it ob der Echt- und Reinheit – sie wurden zur Münze Österreich gebracht, um angebohrt zu werden. „Aber jeder Span wurde eingesamme­lt, es ist also alles in Ordnung“, beeilt sich Pribil zu sagen. Woran man erkennt, dass Gold halt doch ein höchst emotionale­s, heikles Thema ist. So wird das Verbleiben von 140 Tonnen Gold im Ausland damit begründet, dass die Schweiz und London übliche Handelsplä­tze seien. Rasch wird aber hinzugefüg­t, dass es da keine entspreche­nden Pläne gebe. Die beanstande­ten Barren waren übrigens eh in Ordnung.

Wieso also die Rückholakt­ion? Weil der Rechnungsh­of Anfang 2015 kritisiert hatte, dass die OeNB für das Management der Goldreserv­en „keine Gesamtstra­tegie“habe. Und die FPÖ massiv Druck gemacht hatte, das Gold zurückzuho­len.

Ewald Nowotny sagt das natürlich nicht so. Er gibt sich diplomatis­ch zurückhalt­end. Die Rückholakt­ion sei gestartet worden, „weil es keine Gründe mehr gab, das gesamte Gold im Ausland zu lagern“. Nachsatz: „Und da wir ohnehin Platz haben . . .“

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[ Niesner/OeNB ]

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