Wie die SPD zum Asylplan steht
Transitzentren. Lange sahen die Sozialdemokraten nur zu, jetzt müssen sie selbst schnell handeln. Eine heikle Situation.
Der erste, der das Ende des Streits verkündete, war auch der, der ihn begonnen hatte: Am späten Montagabend verließ Innenminister Horst Seehofer die CDU-Zentrale. Bevor er in seinen Dienstwagen stieg, erklärte er zufrieden: Man habe einen guten Kompromiss gefunden. Er bleibe im Amt. Wenige Minuten später tauchte im Presseraum unangekündigt eine gut gelaunte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf. Auch sie berichtete von harten Verhandlungen, die aber zu einem Ergebnis geführt hätten. Man hörte die Erleichterung: Endlich, eine Einigung!
Aber Moment, da war doch noch was: Ein Termin stand um elf Uhr abends noch an, ein nächstes Krisentreffen. Denn die Union hat sich zwar im Streit geeinigt, doch damit ist es nicht die Linie der Bundesregierung. Nun müssen CDU und CSU ihren dritten Koalitionspartner überzeugen: Die SPD.
Heute, Mittwoch, wollen die Sozialdemokraten innerhalb ihrer Fraktion über die Pläne der Union beraten. Zuvor hatte die Partei aber schon ihre Kompromissbereitschaft gezeigt. „Es ist gut, dass sich die beiden Unionsschwestern auf einen gemeinsamen Punkt verständigt haben“, sagte SPDChefin Andrea Nahles in der Nacht auf Dienstag. „Es geht jetzt wieder um die Sacharbeit.“Trotzdem habe die SPD noch viele offene Fragen. Die wollte man auch am Dienstagabend, bei einem weiteren Koalitionsausschuss klären.
Trägt die SPD den neuen Kurs mit?
Die SPD steckt nun in einer schwierigen Lage: Drei Wochen lang musste die Partei zusehen, wie die Union mit ihrem Streit das Ende der Regierung riskierte. Öffentlich mischte man sich zwar ein, in dem man alle Beteiligten zur Vernunft aufrief. Oder, in Nahles Worten, „diese Mätzchen“endlich zu beenden. In eigenen Sitzungen hatte sich die SPD sogar schon auf Neuwahlen eingestimmt. Nun muss sie schnell reagieren, und zwar in einer ganz anderen Frage: Können die Sozialdemokraten den strikten Kurs der Union nun mittragen?
Einfach so will die SPD dazu nicht „ja“sagen. Die Partei möchte ihre eigenen Ideale und ihre Wähler nicht verraten. Und sie muss vor allem ihr Gesicht wahren: In der Vergangenheit sprachen sich die Sozialdemokraten schon einmal vehement gegen sogenannte Transitzentren aus.
2015 wollte die Union unter diesem Namen Großquartiere errichten, nun sind solche Einrichtungen an der bayrisch-österreichischen Grenze geplant. Wobei Nahles bereits feststellte: Die jetzigen Pläne würden sich von jenen aus der Vergangenheit massiv unterscheiden. Auch der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel meldete sich zu Wort: „Die Transitzonen 2015, da ging es pro Tag um 3000, 4000, 5000 Flüchtlinge“, sagte er in Berlin. „Wir reden heute über völlig andere Größenordnungen.“Gut möglich also, dass sich die Regierung am Ende auf eine andere Bezeichnung für die Zentren an der Grenze einigt. Auf Wunsch der Sozialdemokraten.
„Keine geschlossenen Lager“
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil hat allerdings noch andere Einwände: „Unser Beschluss gilt: Wir wollen keine geschlossenen Lager“, sagte er am Dienstag der „Rheinischen Post“. Man dürfe Flüchtlinge dort nicht an der Ausreise hindern. Am besten wäre ein rasches, unkompliziertes Verfahren an den Standorten.
Völlig querlegen können sich allerdings auch die Sozialdemokraten nicht. In Deutschland hat niemand Interesse an Neuwahlen – mit Ausnahme vielleicht von der rechten „Alternative für Deutschland“. Scheitert nun eine Einigung an der SPD, würde die Partei die Schuld zugeschoben bekommen. Also ist nun auch der dritte Koalitionspartner bereit, Kompromisse einzugehen.
Sobald die Einigung getroffen ist – dieses Mal unter allen drei Parteien – kommt allerdings die nächste Hürde auf die SPD zu. Kanzlerin Merkel hat nun mit den Transitzentren alle 63 Punkte von Seehofers „Masterplan Migration“abgesegnet. Die Sozialdemokraten haben diesen Maßnahmenkatalog zur Verschärfung der Asylpolitik allerdings noch gar nicht gesehen.
Die Union hat das Vertrauen und Zutrauen in unsere Demokratie beschädigt. [ Imago ] Andrea Nahles, SPD-Vorsitzende