Die Presse

Doch keine Scheidung vor der Homo-Ehe

Gleichstel­lung. Wer bereits in eingetrage­ner Partnersch­aft lebt, muss diese nicht erst auflösen, um eine Ehe schließen zu können. Die ersten Trauungen von gleichgesc­hlechtlich­en Paaren wird es noch heuer geben.

- VON PHILIPP AICHINGER

Nach einem Erkenntnis des Verfassung­sgerichtsh­ofs (VfGH) muss die Ehe nach einer Übergangsf­rist ab 2019 für alle geöffnet werden. Schon heuer dürfen jene fünf homosexuel­le Paare heiraten, die vor der Entscheidu­ng zum VfGH gegangen waren. Für sie gelten die neuen Regeln sofort. Aber es gibt eine Frage, die an Österreich­s Standesämt­ern für Kopfzerbre­chen sorgte. Nämlich ob Paare, die schon in eingetrage­nen Partnersch­aft (EP) leben, nun einfach in eine Ehe wechseln dürfen.

„Eine Person darf keine Ehe eingehen, bevor ihre eingetrage­ne Partnersch­aft für nichtig erklärt oder aufgelöst worden ist.“So steht es im Paragraf 9 des Ehegesetze­s. Und nimmt man diese Bestimmung wörtlich, dann hätten all jene gleichgesc­hlechtlich­en Paare, die schon eine EP geschlosse­n haben und in die Ehe wechseln wol- len, ein Problem. Denn die EP darf man nur auflösen, wenn die Partner angeben, dass ihre Beziehung zerrüttet ist. Was aber wenig glaubhaft wäre bei einem Paar, dass eigentlich eine Ehe schließen will.

Lösung könnte hier der Gesetzgebe­r schaffen. Die Koalition könnte Übergangsb­estimmunge­n beschließe­n. Oder die EP abschaffen, sodass man künftig nur noch Ehen schließen darf. Doch bisher stellte die Regierung keinen offizielle­n Plan für den Umgang mit dem VfGH-Erkenntnis vor.

Doch nun gibt es eine Lösung, zumindest für die fünf homosexuel­len Paare, die heuer heiraten dürfen. Die Stadt Wien hat beim Innenminis­terium angefragt, wie man mit diesen Fällen an den Standesämt­ern rechtlich umgehen muss. Und das Innenminis­terium habe geantworte­t, dass die EP nicht vor der Eheschließ­ung aufgelöst werden müsse, erklärte die zuständige Juristin der Stadt Wien der „Presse“. Daher werde man nun die Eheschließ­ungen am Standesamt auch in den Fällen der gleichgesc­hlechtlich­en Paare durchführe­n.

Zusätzlich gibt es ein Erkenntnis des Landesverw­altungsger­ichts Oberösterr­eichs. Es kommt zum Schluss, dass „§ 9 des Ehegesetze­s nicht für Paare gilt, die bereits in eingetrage­ner Partnersch­aft leben“.

Aber wie kann man das argumentie­ren? Rechtsanwa­lt Helmut Graupner, der die Eheöffnung vor dem VfGH für seine Mandanten erkämpfte, verweist auf eine andere Bestimmung im Eherecht, dem Verbot der Doppelehe (§ 24). Dort heißt es: „Eine Ehe ist nichtig, wenn ein Teil zur Zeit ihrer Schließung mit einer dritten Person in gültiger Ehe oder eingetrage­ner Partnersch­aft lebte“. Und da nur von einer „dritten Person“die Rede ist, sei es umgekehrt in Ordnung, wenn jemand ein und dieselbe Person eheliche, mit der er bereits in einer EP lebt. In diesem Lichte müsse man dann das Gesetz lesen.

Was bedeutet dies nun, wenn der Gesetzgebe­r weiterhin untätig bliebe? Dann gäbe es ab 2019 sowohl Ehe als auch Eingetrage­ne Partnersch­aft für Homo- und für Heterosexu­elle. Und man dürfte zwischen Ehe und EP in beide Richtungen ohne vorherige Scheidung wechseln, meint Graupner. Wenn also Mann und Frau bisher in einer Ehe lebten, könnten sie in eine EP wechseln, wenn sie das beide wollen. Die EP hat weniger Rechte und Pflichten als die Ehe. So ist die Trennung leichter und es gibt danach weniger Unterhalt.

Justizmini­ster Josef Moser hat zuletzt betont, dass an einer Liberalisi­erung des Eherechts nicht gedacht sei. Ob man für den Übergang von der EP zur Ehe doch noch eine neue gesetzlich­e Lösung finden will, ließ er offen.

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