Grätzlhotels oder: So wirtlich kann die Unwirtlichkeit sein
Erdgeschoßzone in der Krise? Wie die Urbanauts Leerstand in Gastlichkeit verwandeln.
D ie Neustiftgasse, Wien Neubau, ist nicht gerade als Flaniermeile geläufig. Was eine bunte Szene verschiedenster Lokale befördern könnte, wird von der alltäglichen Verkehrslawine plattgefahren. Und dass auf Nummer 32 einst die Wiener Werkstätte gegründet ward, ist angesichts allseits herrschender Unwirtlichkeit des Terrains nicht mehr als ein historisches Datum ohne erkennbaren Nutzen für die Gegenwart.
Ein Gutteil solcher mehr aus- denn einladenden Grundstimmung ist nebst der Unbehaustheit, die ein Verkehrskanal an sich von vornherein erzeugt, regelmäßig Leerständen in der Erdgeschoßzone zuzuschreiben: für viele ehemalige Wohn- und Einkaufsstraßen das Ende vom Ende, dem via Umnutzung vormaliger Geschäftsflächen in Garagen und ähnlich inspirierte Neubestimmungen schier unvermeidlich die Transformation in einen Friedhof der Urbanität folgt, der kaum je eine Auferstehung kennt.
Umso erfreulicher die Initiative einer Gruppe junger Architekten, die unter dem Label Urbanauts Geschäftsleerstand in lokale Gastlichkeit verwandelt: in Form sogenannter Grätzlhotels, die aufgegebenen Handelskubaturen einen touristischen Mehrwert abtrotzen. Die bescheidenen Anfänge des Jahres 2012 sind mittlerweile zu einem Mini-Touristikimperium mit vier Standorten angewachsen. Jüngster Zugang: eben in der Neustiftgasse, wo man sich auf Nummer 48, knapp oberhalb der Neubaugasse, nicht nur des Gassenlokals einer ehemaligen Fischhandlung, sondern auch gleich deren weit in den Hof sich streckenden Lagerräumen angenommen hat. Ergebnis: vier Zimmereinheiten, allesamt unaufgeregt funktionell eingerichtet – und mit Bezug zur Geschichte des Ortes ausstaffiert. Keine Universalmedizin zur Heilung aller Sockelzonenprobleme Wiens, aber ein Stück Leben mehr im Quartier. Immerhin.