Thierry Henry, Belgiens „psychologische Waffe“
Mit dem französischen Weltmeister schärft einer der besten Stürmer der Geschichte als Co-Trainer den Torinstinkt von Lukaku, Hazard und Co. Vor allem aber weiß Henry, wie Belgiens „goldener Generation“der Durchbruch gelingen kann.
Noch ist er der einzige Weltmeister der belgischen Nationalmannschaft. Doch Thierry Henry, den seine große Karriere von Monaco über Juventus und Arsenal nach Barcelona und New York geführt hat, bleibt in Russland in der zweiten Reihe. Teamchef Roberto Martinez holte den Franzosen 2016 als Co-Trainer zu den „Roten Teufel“, wo er vor allem für die Offensive zuständig ist.
Bisher hat sich das ausgezahlt: In der Gruppenphase hat Belgien die meisten Tore aller Teams erzielt (9), im Achtelfinale nun drei weitere. Den Großteil, ganz entgegen dem Trend dieser WM, aus dem Spiel heraus, darunter gegen Japan den wohl schönsten Konter der jüngeren Fußballgeschichte.
Für das Toreschießen ist der 40-jährige Henry schließlich ausgewiesener Experte: Viermal war er Schützenkönig der Premier League, er ist nicht nur Rekordtorjäger von Arsenal, sondern auch jener der Equipe tricolore, für die er in insgesamt 17 WM-Spielen sechs Mal getroffen hat.
Die Belgier haben noch andere Gründe, um in Henry einen Erfolgsgaranten zu sehen. „Er weiß, wie man eine WM gewinnt“, erklärt Mittelfeldmann Axel Witsel. 1998 triumphierte Henry an der Seite von Zinedine Zidane bei der WM im eigenen Land. Schon damals hat er miterlebt, wie eine seit Jahren hochtalentierte, aber stets erfolglose Mannschaft endlich den Durchbruch geschafft hat.
Die Parallelen zu Belgiens „goldener Generation“sind offen- sichtlich, das weiß auch Teamchef Martinez. „Er hat die Erfahrung eines Weltmeistertitels. Das ist unbezahlbar für uns. Er weiß außerdem, was es heißt, etwas zu vollbringen, das die früheren Generationen nicht geschafft haben. Thierry ist eine psychologische Waffe, die wir so viel wie möglich einsetzen.“Ohne Henry persönlich gekannt zu haben, war der Spanier in seiner Zeit als PremierLeague-Coach von dessen TVAnalysen angetan gewesen. Dem belgischen Starensemble soll er auch seinen Siegeswillen einimpfen. „Er ist jemand, der die Situation kennt, als Team eine Mentalität entwickeln zu müssen.“
Zwei Jahre nach dem WM-Triumph 1998 schoss Henry die Franzosen zum EM-Titel, 2006 stand er im WM-Finale, 2010 erklärte er dem „Fiasko von Knysna“seinen Rücktritt aus dem Nationalteam. Ob seiner Erfolge und seiner Ausstrahlung dient Henry so manchem Belgier im WM-Quartier in Moskau gar als Inspiration. „Ich bin nicht sicher, ob ich meinen Eltern so zugehört habe“, meinte Michy Batshuayi nach seiner ersten Trainingseinheit mit dem Franzosen. Adnan Januzaj, dem stets der Ruf vorauseilte, ein Supertalent zu sein, erzählte: „Er hat gesagt: ,Wenn du hart arbeitest und deine Qualität ausspielst, kannst du der Beste sein.‘“Als gegen England die erste belgische Angriffslinie geschont wurde, sprang der 23-Jährige prompt als Torschütze ein. Selbst für Superstar Eden Hazard hat Henry Tipps parat. „Thierry hat gesagt, ich schieße vielleicht nicht oft genug, wenn ich nach innen ziehe“, verriet der Kapitän.
Debatten über Zweitligafußball
Zwischen Henry und Torjäger Romelu Lukaku scheint sich gar eine Freundschaft entwickelt zu haben. Lukaku, 25, erzählte, wie er in ärmlichen Verhältnissen in Antwerpen aufgewachsen ist, keine Chance hatte, Henry im Fernsehen zu sehen und wie überwältigt er nun sei, jeden Tag von seinem Idol zu lernen. „Neben mir steht die Legende in Fleisch und Blut und erzählt mir alles darüber, so in die Räume zu gehen wie er es getan hat.“Beide sind Getriebene, ihnen entgeht kein Spiel, keine Aufstellung, nicht einmal in der zweiten deutschen Liga, wie Lukaku berichtet. „Thierry ist wahrscheinlich der einzige Mensch auf der Welt, der mehr Fußball schaut als ich.“
Henry selbst hält sich mit Wortmeldungen vornehm zurück. In einem Fernsehinterview vor der WM hat er allerdings erklärt: „Um eine goldene Generation zu sein, braucht es auch Gold. Und was ich mit Gold meine, ist gewinnen.“