Die Presse

Thierry Henry, Belgiens „psychologi­sche Waffe“

Mit dem französisc­hen Weltmeiste­r schärft einer der besten Stürmer der Geschichte als Co-Trainer den Torinstink­t von Lukaku, Hazard und Co. Vor allem aber weiß Henry, wie Belgiens „goldener Generation“der Durchbruch gelingen kann.

- MITTWOCH, 4. JULI 2018 VON JOSEF EBNER

Noch ist er der einzige Weltmeiste­r der belgischen Nationalma­nnschaft. Doch Thierry Henry, den seine große Karriere von Monaco über Juventus und Arsenal nach Barcelona und New York geführt hat, bleibt in Russland in der zweiten Reihe. Teamchef Roberto Martinez holte den Franzosen 2016 als Co-Trainer zu den „Roten Teufel“, wo er vor allem für die Offensive zuständig ist.

Bisher hat sich das ausgezahlt: In der Gruppenpha­se hat Belgien die meisten Tore aller Teams erzielt (9), im Achtelfina­le nun drei weitere. Den Großteil, ganz entgegen dem Trend dieser WM, aus dem Spiel heraus, darunter gegen Japan den wohl schönsten Konter der jüngeren Fußballges­chichte.

Für das Toreschieß­en ist der 40-jährige Henry schließlic­h ausgewiese­ner Experte: Viermal war er Schützenkö­nig der Premier League, er ist nicht nur Rekordtorj­äger von Arsenal, sondern auch jener der Equipe tricolore, für die er in insgesamt 17 WM-Spielen sechs Mal getroffen hat.

Die Belgier haben noch andere Gründe, um in Henry einen Erfolgsgar­anten zu sehen. „Er weiß, wie man eine WM gewinnt“, erklärt Mittelfeld­mann Axel Witsel. 1998 triumphier­te Henry an der Seite von Zinedine Zidane bei der WM im eigenen Land. Schon damals hat er miterlebt, wie eine seit Jahren hochtalent­ierte, aber stets erfolglose Mannschaft endlich den Durchbruch geschafft hat.

Die Parallelen zu Belgiens „goldener Generation“sind offen- sichtlich, das weiß auch Teamchef Martinez. „Er hat die Erfahrung eines Weltmeiste­rtitels. Das ist unbezahlba­r für uns. Er weiß außerdem, was es heißt, etwas zu vollbringe­n, das die früheren Generation­en nicht geschafft haben. Thierry ist eine psychologi­sche Waffe, die wir so viel wie möglich einsetzen.“Ohne Henry persönlich gekannt zu haben, war der Spanier in seiner Zeit als PremierLea­gue-Coach von dessen TVAnalysen angetan gewesen. Dem belgischen Starensemb­le soll er auch seinen Siegeswill­en einimpfen. „Er ist jemand, der die Situation kennt, als Team eine Mentalität entwickeln zu müssen.“

Zwei Jahre nach dem WM-Triumph 1998 schoss Henry die Franzosen zum EM-Titel, 2006 stand er im WM-Finale, 2010 erklärte er dem „Fiasko von Knysna“seinen Rücktritt aus dem Nationalte­am. Ob seiner Erfolge und seiner Ausstrahlu­ng dient Henry so manchem Belgier im WM-Quartier in Moskau gar als Inspiratio­n. „Ich bin nicht sicher, ob ich meinen Eltern so zugehört habe“, meinte Michy Batshuayi nach seiner ersten Trainingse­inheit mit dem Franzosen. Adnan Januzaj, dem stets der Ruf vorauseilt­e, ein Supertalen­t zu sein, erzählte: „Er hat gesagt: ,Wenn du hart arbeitest und deine Qualität ausspielst, kannst du der Beste sein.‘“Als gegen England die erste belgische Angriffsli­nie geschont wurde, sprang der 23-Jährige prompt als Torschütze ein. Selbst für Superstar Eden Hazard hat Henry Tipps parat. „Thierry hat gesagt, ich schieße vielleicht nicht oft genug, wenn ich nach innen ziehe“, verriet der Kapitän.

Debatten über Zweitligaf­ußball

Zwischen Henry und Torjäger Romelu Lukaku scheint sich gar eine Freundscha­ft entwickelt zu haben. Lukaku, 25, erzählte, wie er in ärmlichen Verhältnis­sen in Antwerpen aufgewachs­en ist, keine Chance hatte, Henry im Fernsehen zu sehen und wie überwältig­t er nun sei, jeden Tag von seinem Idol zu lernen. „Neben mir steht die Legende in Fleisch und Blut und erzählt mir alles darüber, so in die Räume zu gehen wie er es getan hat.“Beide sind Getriebene, ihnen entgeht kein Spiel, keine Aufstellun­g, nicht einmal in der zweiten deutschen Liga, wie Lukaku berichtet. „Thierry ist wahrschein­lich der einzige Mensch auf der Welt, der mehr Fußball schaut als ich.“

Henry selbst hält sich mit Wortmeldun­gen vornehm zurück. In einem Fernsehint­erview vor der WM hat er allerdings erklärt: „Um eine goldene Generation zu sein, braucht es auch Gold. Und was ich mit Gold meine, ist gewinnen.“

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[ AFP ] Immer für einen Kick zu haben: Der 40-jährige Thierry Henry im belgischen Teamcamp.

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