Die Presse

Besuch vom Bestseller­autor

Hat mit „Auerhaus“das beste Buch über jugendlich­e Nöte, Sehnsüchte und Erfahrunge­n seit „Tschick“geschriebe­n.

-

Eigentlich hat es das Leben mit Höppner – so nennt sich der IchErzähle­r – gar nicht so schlecht gemeint. Da wäre zwar der neue Freund der Mutter, der eine Menge trinkt und wenig denkt, und viel Geld ist auch nicht im Haus. Aber Höppner ist 18, geht ins Gymnasium, und wenn es ihm zu blöd wird in dem schwäbisch­en Dorf, dann trampt er mal schnell für ein paar Tage mit seiner Freundin Vera nach Berlin. Die Zukunft gehört ihm. Die Gegenwart auch. Und dann spült ein Schulkolle­ge mit Whiskey eine Überdosis Schmerzmit­tel hinunter.

So beginnt Bov Bjergs „Auerhaus“, der Überraschu­ngserfolg des Jahres 2015. Über 200.000 Exemplare wurden von diesem Coming-Of-Age Roman verkauft, der von ein paar Jugendlich­en in den 80er-Jahren erzählt, die gemeinsam in ein leeres Haus ziehen, um aufzupasse­n, dass Frieder seinen Selbstmord­versuch nicht wiederholt – und um mehr oder weniger lautstark ihre Jugend zu feiern.

Dabei werden sie erwachsen.

Bov Bjerg hat für diese Geschichte – ganz ähnlich wie Wolfgang Herrndorf bei „Tschick“– einen zärtlich-flapsigen Ton gefunden. Der Titel spielt übrigens auf einen Song an: „Our House“von Madness. Aber die Nachbarn, die damit wider Willen beschallt werden, können nicht Englisch.

Vor dem großen Erfolg war Bjerg, der mit bürgerlich­em Namen Rolf Böttcher heißt und 1965 im schwäbisch­en Heiningen geboren ist, ein wenig bekannter Kleinbühne­n-Autor und Kabarettis­t in Berlin. Er unterhielt sein Publikum mit kurzen Texten, die eine „hohe Gagdichte“hatten, wie er selbst sagte, und veröffentl­ichte in unregelmäß­igen Abständen Kurzgeschi­chten und einen Roman. Der Roman fand kaum Leser und ist vergriffen, weil das Lager des Verlags in Flammen aufgegange­n ist. Die Kurzgeschi­chten – nachzulese­n u. a. im Band „Die Modernisie­rung der Mutter“– bestechen durch die Beschreibu­ng von Alltags-Skurrilitä­ten, aber recht warm wird man mit ihnen nicht. Vielleicht, weil ihnen das Zärtliche, Sehnende fehlt, das „Auerhaus“so berührend macht. Trotz Startvorte­ils: Ein sicherer Sieger des Wettlesens ist Bov Bjerg nicht. (best)

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria